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MDR KULTUR | Schabbat Schalom Wochenabschnitt Emor: Über den Auftrag der Heiligkeit

11. August 2023, 12:00 Uhr

Jeder jüdische Mensch ist aufgerufen, heilig zu sein. Der Auftrag zur Heiligkeit kann nicht an die Rabbiner oder Kantoren delegiert werden. Deshalb sind alle eingeladen, in die Synagogen und Betstuben zu kommen, sagt der Dresdner Kantor Elija Schwarz in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Emor.

In unserer dieswöchigen Parascha Emor erhalten die Kohanim, die Priester am Jerusalemer Tempel, die Vorschriften darüber, mit wem sie Kontakt haben dürfen und mit wem nicht, damit sie sich nicht kultisch verunreinigen.

Es ist ihnen grundsätzlich verboten, sich an Toten zu verunreinigen. Die Ausnahmen sind die Beerdigung der sieben nahen Verwandten - Eltern, Geschwister, Kinder, Ehepartner - und einer Leiche, um die sich sonst niemand kümmern würde.

Ein Kohen darf keine Geschiedene und keine Kohanim-Tochter aus einer verbotenen Ehe heiraten. Der Kohen Gadol, der Hohepriester, darf auch keine Witwe heiraten.

Kohanim mit körperlichen Gebrechen dürfen im Heiligtum nicht opfern. Die Opfertiere müssen ebenfalls makellos sein. Als Makel gelten Blindheit, Lahmheit, zerdrückte Hoden, Deformationen, Brüche, Kleinwuchs, Krätze, Flechte oder auch andere Hautveränderungen.

Der Ewige verkündet Mosche seine Mo‘adim, die Feiertage. Das ist zunächst der Schabbat, sechs Tage soll man arbeiten, aber am siebenten Tag keinerlei Melacha, also eine der 39 Arten der produktiven Werkarbeit verrichten.

Pessach beginnt am 15. Nissan und endet am 21. des Monats. Es beginnt die Gerstenernte und als Dank wird am 16. Nissan ein Maß Gerste, Omer genannt, als Opfer dargebracht. Von diesem Tag an werden sieben Wochen gezählt.

Am 50. Tag der Zählung, am 6. Siwan, ist dann Schawu‘ot, das Wochenfest, das Fest der Erstlingsfrüchte des Weizens. Bei der Ernte darf man den Rand des Feldes nicht vollständig abernten, sondern muss für den Armen und Fremden die Ackerecke zum Ernten stehen lassen.

Am ersten Tag des siebenten Monats Tischri soll ein Ruhetag sein und ein Tag der Erinnerung, an dem der Schofar ertönt – das ist dann Rosch HaSchana.

Der zehnte Tag des siebenten Monats ist ein Tag der Versöhnung, um Sühne vor dem Ewigen zu erwirken – der Jom Kippur. An beiden Tagen darf man keine Melacha verrichten.

Vom 15. bis zum 21.Tischri wird Sukkot, das achttägige Laubhüttenfest, gefeiert, damit auch zukünftige Generationen wissen mögen, das die Kinder Jissra‘els nach dem Auszug aus Ägypten unter dem Schutz Gottes trotz der Wanderung durch die Wüste wie in Hütten gewohnt haben.

Es folgen zwei Gebote für das Heiligtum sowie weitere Gebote. Die Menora, der siebenarmige Leuchter, soll ständig brennen, und auf den Schaubrottisch sollen jeden Schabbat aus Weizenmehl gebackene Challot als Schaubrote gelegt werden.

Jeder der einen Menschen totschlägt, soll getötet werden. Wer seinem Nächsten einen Schaden zufügt, soll den Schaden ersetzen. Für Fremde und Einheimische soll dasselbe Recht gelten.

In unserer Parascha werden ausführlich die biblischen Feste behandelt, wenn auch zum Teil unter anderem Namen. Bisher lasen wir viel von den Gesetzen des Heiligtums, den Opfern in ihm und den Geboten für die Kohanim. Hier geht es aber nun nicht um den räumlichen, sondern um den zeitlichen Aspekt von Heiligkeit.

Wir lesen, dass man an Feiertagen keiner ein Werk schaffenden Arbeit nachgehen darf . Wir sollen uns versammeln und spezifische Rituale haben; z.B. fasten wir am Jom Kippur, am Laubhüttenfest sitzen wir in der Laubhütte, der Sukka, zu Pessach essen wir kein Chamez, also Gesäuertes, aber dafür Mazzot.

Schawuot hat in der Tora einfach kein Datum bekommen, sondern wird durch Zählen, das Omern, ermittelt.

Die zeitliche Dimension von Heiligkeit hat nach der Zerstörung des zweiten Jerusalemer Heiligtums eine noch größere Bedeutung bekommen.

In dieser Parascha erfahren wir, dass der Einzelne für das Gelingen der Heiligkeit des Volkes ebenso verantwortlich ist wie die religiösen Funktionsträger der jeweiligen Epoche. Auch heute können wir unsere Verantwortung nicht an die Rabbiner oder Kantoren wegdelegieren.

Keiner von ihnen kann für uns den Schabbat hüten, die Mazza essen, in der Sukka sitzen und für uns die Arba Minim, das ist der Feststrauß zu Sukkot, schütteln.

Wir haben in der vorangegangenen Parascha Kedoschim erfahren, dass die Aufforderung "Heilig zu sein" im Plural formuliert wurde. Deshalb brauchen wir für einige Teile des Gottesdienstes, wie für Kaddisch und Keduscha, eine "jüdische Menge" an Betern – den Minjan.

Unsere Feiertage nennt die Tora hier "Mikra‘ej Kodesch" -Einberufungen zum Heiligtum. Und das ist eine Aufforderung an den Einzelnen, sich für das gemeinsame "Volksein" und seine Aufgabe, das "Heiligsein", zu engagieren und in die Synagogen und Betstuben zu kommen. Neun Rabbiner und Kantoren machen noch keinen Minjan. Zehn "proste jiden" - einfache Juden – schon!

Schabbat Schalom und alles Gute für Euch und Eure Familien und Freunde!


Zur Person: Elija Schwarz

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 17. Mai 2024 | 15:45 Uhr

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