Cem Özdemir
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter Cem Özdemir hat eine Ernährungsstrategie vorgelegt. Noch folgen nicht viele Kantinen in Deutschland einem gesunden Ernährungsplan. Bildrechte: picture alliance/dpa/Jörg Carstensen

Deutsche Ernährungsgesellschaft Viele Kantinen in Deutschland bieten keine gesunde Ernährung an

26. April 2024, 06:46 Uhr

In Mensen und Kantinen soll gesünderes und sozial verträglicheres Essen angeboten werden. Das ist ein erklärtes Ziel der Bundesregierung, dass sie in ihrer Ernährungsstrategie festgehalten hat. Grob zusammengefasst lautet die: Weniger Fleisch, weniger Zucker, mehr Pflanzliches, mehr Bio, saisonal und regional – und das Ganze erschwinglich. Besonders weit verbreitet sind diese Prinzipien jedoch noch nicht.

Alexander Teubner ist Betriebschef in der Kantine des DHL-Hubs am Flughafen Leipzig/Halle. Begleitet vom Kantinengeklapper erklärt er das Tagesangebot: "Asiatische Reispfanne mit Röstzwiebeln auf Wunsch. Wer möchte, gerne mit geschroteten Chilis. Wir haben Gemüse und Kartoffeln aus dem Ofen auf einer Linsenbolognese mit einem Bärlauch-Hüttenkäse. Wir haben heute karamellisierte Hackbällchen in Tomaten-Paprika-Sauce." Was Teubner hier aufzählt, klingt nicht wirklich nach Kantinen-Essen. Jedenfalls nicht nach solchem, wie man es vielleicht kennt.

Kiste mit Obst 4 min
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Der Andrang ist entsprechend groß in der Kantine, die der Caterer Widynski & Roick betreibt – und der Anspruch hoch. "Prinzipiell versuchen wir, also Widynski & Roick, die gehobenere Kantinenversorgung zu stemmen. Es ist immer etwas Ausgefallenes dabei. Wir haben jeden Monat irgendwelche Aktionswochen."

Empfehlungen gab es bereits vor der Ernährungsstrategie der Bundesregierung

Aktuell drehe sich vieles um Bärlauch und Spargel. Saisonal eben. Grundsätzlich hätten die Kunden jeden Tag die Wahl zwischen vegetarischen, veganen und Fleischgerichten. Das Fleischangebot variiere, sagt Teubner. Es gebe Geflügel, Rind und Schwein im Wechsel. Schwein werde immer weniger nachgefragt, fleischlose Gerichte dagegen immer mehr.

Damit ist die Kantine am Airport nah dran an dem, was sich Ernährungsminister Cem Özdemir vorstellt. Und: Sie ist anderen Kantinen weit voraus. Melanie Speck ist Professorin für Sozioökonomie in Haushalt und Betrieb und Sachverständige im Bürgerrat Ernährung im Wandel. Dessen Empfehlungen sind die Ernährungsstrategie eingeflossen.

Die Richtlinien dafür, wie man eine Betriebskantine sozial gerecht und gesund führen kann, gebe es im Grunde schon: Die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, DGE.

Standards der Deutschen Ernährungsgesellschaft nicht besonders weit verbreitet

Speck sagt, man könne also schon vieles tun. "Aber wir sehen in den empirischen Daten, dass das definitiv nicht so ist. Und noch viel erschreckender ist eigentlich die Analyse von der Vollversorgung – das heißt diejenigen, die komplett 24/7 versorgt werden, also zum Beispiel in Senioreneinrichtungen – da sieht die Bilanz aktuell noch um einiges schwieriger aus."

Wenn man eine Ernährungsstrategie ernsthaft betreiben wolle, müsse man über unbürokratische Förderprogramme nachdenken, sagt Speck. Man müsse Strukturen verändern und aktiv Caterer und Unternehmen aufsuchen, weiterbilden – besonders auf dem Land. Denn die Unternehmen geben den Rahmen für das Angebot in den Kantinen vor.

Über Angebot entscheiden Kunde, Caterer und Gäste gemeinsam

Dazu erklärt Andreas Ulrich, Geschäftsführer bei Widynski & Roick: "Der Vertragspartner definiert in seiner Ausschreibung was er haben möchte. Das ist erstmal der Ausgangspunkt. Aber wir dürfen den Tischgast nicht vergessen. Der bestimmt natürlich auch mit, was er auf dem Speisplan sehen möchte."

Der Caterer selbst mache natürlich auch Vorschläge, sagt Ulrich. In der DHL-Kantine in Schkeuditz reicht Betriebsleiter Alexander Teubner derweil die Tagesgerichte an die hungrige Belegschaft aus. "Ich nehme die Reispfanne", sagt ein Gast. Teubner kassiert ab, "Einmal auflegen bitte. Herzlichen Dank. Schmecken lassen!" Die Gäste sind sichtlich zufrieden.

Auf einem Brett werden Möhren klein geschnitten, daneben Salat in einer Schüssel und anderes Gemüse 4 min
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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 26. April 2024 | 06:18 Uhr

16 Kommentare

kleinerfrontkaempfer vor 1 Wochen

Wohl dem der eine ( wie beschriebene) Kantine hat.
Kleinbetriebe/ Mittelstand sind mir im Berufsleben etliche begegnet wo das leider nicht der Fall war.
Und im 3-Schichtbetrieb schon gar nicht. Da hieß es dann selber vorsorgen. Oder die Bestellliste vom Döner/Chinakiosk machte dann die Runde. Mit Ernährungsstrategie ist da nix drin!
Einigen "Ernährungsexperten" wären da sicher auch vom Glauben abgefallen. Denn mit leichter Kost, Salat, Veggikost eine Woche schwere körperliche Arbeit in einer Nachtschicht durchstehen ist ohne Energiebooster, d.h. gehaltvolles, kräftiges Essen, sicher möglich. Es zehrt aber zusätzlich an den Kräften und macht noch mehr kaputt.

Predator vor 1 Wochen

Stimmt, allein am Krankenhaus -Essen, zeigt sich der systematische Medizin-Ausfall in Deutschland. Ich war letztes Jahr in der Uni-Klinik und kann nur bestätigen, dass Essen ist nicht nur ungesund, sondern ungenießbar ! Aber dafür wird ordentlich von der KK abkassiert. Es ist wie so vielen in diesem Land, alles geht vor die Hunde. Ob Krankenhäuser, medizinische Versorgung oder Schulen. Obwohl der Staat noch nie mehr Einnahmen zu verzeichnen hatte, in den letzten 10 Jahren haben sich die Einnahmen verdoppelt, wird alles schlechter. Die Gründe ?

pepe79 vor 1 Wochen

Steht doch gsr nichts vom Veggieday im Artikel. Ab und zu ungesund zu Essen ist voll ok aber wenn Kantinen quasi kaum den Empfehlungen der DGE folgen essen die Angestellten da quasi täglich ungesund.

Ich würde mir such besseres Essen in solchen Einrichtungen Wünschen da ich öfter mal dort Esse es aber dann auch oft nur lasse weil es nur das fettige Gelumpe gibt

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