eine Lidl-Filiale
Derzeit werden viele Supermärkte bestreikt – die Kunden merken das oft an leeren Regalen. Bildrechte: imago images/Michael Gstettenbauer

Arbeitskampf bei Discountern Einzelhandel: Gewerkschaften fordern im Schnitt 14 Prozent mehr

04. Oktober 2023, 08:51 Uhr

Im Einzelhandel nimmt ein Tarifstreit seit Wochen kein Ende. Die Beschäftigten fordern 2,50 Euro mehr die Stunde. Die Arbeitgeber finden das zu viel. Am Mittwoch wird wieder verhandelt. Die Fronten sind verhärtet und die Supermarktregale durch Streiktage weniger gut gefüllt.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Anja* und Nils streiken. Seit Wochen schon legen die beiden Angestellten des Kaufland-Lagers Osterfeld immer wieder mal die Arbeit nieder. Für mehr Respekt und mehr Lohn. "Unsere Leute gehen in Schichten arbeiten." Jederzeit stünden sie an vorderster Front an den Kassen, in den Läden und bekämen den Frust der Kunden immer zuerst ab. "Und stecken das mit einem Lächeln weg", sagen die beiden. Sie seien die Systemrelevanten, die auch zu Corona-Zeiten auf Arbeit gehen und weiterarbeiten müssten. "Alles wird teurer. Sprit, Gas, nächstes Jahr kommt auch noch die CO2-Steuer. Es reicht nicht mehr zum Leben."

Ein Mann steht an einer Kasse im Supermarkt. Käufer und Verkäuferin tragen Mundschutz.
Auch in der Hochphase der Pandemie blieben Supermärkte geöffnet. Die Beschäftigten waren weiter Im Einsatz. Bildrechte: imago images/photonews.at

Die beiden sind zwei von zweihundert Beschäftigten, die sich am Kaufland-Lager Osterfeld an Streiks beteiligen. Es ist nur ein Teil der Belegschaft, zu der auch viele befristete Kräfte gehören. Und doch sei die Kampfbereitschaft im Handel viel höher als früher, sagt Torsten Furgol. Er führt die Tarifverhandlungen in Mitteldeutschland für die Gewerkschaft Verdi. Die Kolleginnen in der Branche hätten seit 2021 Reallohnverluste hinnehmen müssen. Trotz Tarifabschlüssen. "Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen spüren nicht nur ein Minus im Portemonnaie, sondern haben es tatsächlich auch. Und deswegen 2,50 Euro." Auch weil man wolle, dass untere Einkommensgruppen deutlicher vom Abschluss partizipieren als die oberen.

Handel lehnt Forderungen der Gewerkschaften ab

Wer wenig verdient, für den machen 2,50 Euro mehr pro Stunde prozentual sehr viel aus. Doch den Arbeitgebern ist die Forderung zu hoch. Für sie sitzt René Glaser vom Handelsverband Sachsen am Verhandlungstisch. "Die Forderungen der Gewerkschaft bedeuten im Durchschnitt eine Anhebung der Entgelte um 14 Prozent. Und in der Spitze sogar um bis zu 21 Prozent."

Das passe weder zu den aktuellen gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten noch zur Konsumstimmung "und schon gar nicht zu gegenwärtigen Situation der Einzelhandelsbranche", betont Glaser. "Hier müssen wir ganz klar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen im Blick behalten." Viele Händler hätten zu kämpfen, argumentiert er. Wegen der Inflation hielten sich Kunden beim Einkaufen zurück.

Die Arbeitgeber haben 8,4 Prozent angeboten – verteilt auf zwei Jahre. Während sich die Verhandlungen hinziehen, haben große Händler wie Rewe, Aldi oder Kaufland von sich aus die Löhne erhöht – um 5,3 Prozent. Für Glaser ein Zeichen des guten Willens.

Verdi: Angebot der Arbeitgeber soll Kampfbereitschaft brechen

Gewerkschafter Furgol interpretiert es anders. "Unsere Interpretation ist, dass sie an der Stelle die Kampfbereitschaft brechen wollen. Dass ganze Belegschaften umfallen und sagen: 5,3 Prozent sind erst einmal okay. Das war aber ein Schuss ins Blaue. Unsere Wahrnehmung ist, dass die allermeisten Beschäftigten sehr genau hingeguckt haben und sagen: Ne, 5,3 Prozent reichen nicht."

Beide Seiten hoffen, dass es in den Gesprächen ab Mittwoch einen Durchbruch gibt. Denn das Weihnachtsgeschäft naht. Und die Gewerkschaft hat bereits angedroht, dass es ungemütlich werden könnte, sollte es dann noch immer keinen Tarifabschluss geben.

* Der Name wurde auf Wunsch der Interviewten geändert. Die Identität ist der Redaktion bekannt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. Oktober 2023 | 06:11 Uhr

10 Kommentare

Wessi vor 34 Wochen

Mann o Mann @ Micha R ... Hauptsache Schiß haben,was?Die meisten Unternehmen können nicht ins Ausland.Forderungen müssen IMMER irgendwie hoch sein.Man verhandelt dann und kommt vielfach zu Kompromissen.VW,Daimler und andere bleiben schon hier...trotz oder gerade wegen des Augenmaßes unserer Gewerkschaften.solche ansichten wie Ihre fallen nur den Arbetnehmern in den Rücken.Hinterhältig!Und @ Dachs: Aufgabe der Gewerkschaften ist es nicht, die Inflation zu bekämpfen.

Micha R vor 34 Wochen

@ kleinerfrontkämpfer
"...Die 2,50€ mehr sind gerechtfertigt!"
Im Hinblick auf künftige Renten sicherlich!
Bei einer Lohnerhöhung von 2,50€/h fallen aber arbeitgeberseitig zusätzlich auch noch höheren Lohnnebenkosten an. Das macht dann zusammen bereits mehr als 3€ zusätzlich pro Arbeitsstunde. Nur sind die Gewinnmargen im Einzelhandel gering. Also müßte der Einzelhandel folglich dieses Geld dann an Endkunden durch höhere Preise für verkaufte Ware erwirtschaften.
Schließlich will keiner der tarifgebundenen Einzelhändler den Weg der einstigen Metrotochter REAL gehen, die seit Februar 2021 erst unter anderem 130 Märkte an Marktbegleiter abgab und inzwischen mit ihren verbliebenen 62 Märkten Insolvenz anmelden mußte:
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/warenhauskette-real-insovenz-eigenverwaltung-100.html

kleinerfrontkaempfer vor 34 Wochen

In den meisten Aldi/Lidel/Diska/Norma....... Märkten ist der Marktleiter fest angestellt. Sonst wuseln dort Minijober/Selbstständige oder Teilzeitkräfte. Wie deren Verdienst aussieht kann sich jeder ausrechnen.
Nach heutiger Rentenrechnung müsste ein Brutto von über 3.400€ über 40 Jahre Beitrgszeit für 1.200€ Monatsrente anfallen. Gute Aussichten!?
Die 2,50€ mehr sind gerechtfertigt!

Mehr aus Wirtschaft

Nachrichten

Wärmepumpen stehen im Lager des Herstellers. Im Moment werden weniger davon verkauft als vor dem Heizungsgesetz-
Audio | MDR AKTUELL: Ist die Wärmepumpe billiger als gedacht? | von Christian Erll Bildrechte: picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

Mehr aus Deutschland

Nachrichten

Ein ICE fährt an einer Schleuse an der Donau vorbei, aus der das Wasser sprudelt. Nach den ergiebigen Regenfällen der vergangenen Tage gibt es dort starke Hochwasser.
Ein ICE fährt an einer Schleuse an der Donau vorbei, aus der das Wasser sprudelt. Nach den ergiebigen Regenfällen der vergangenen Tage gibt es dort starke Hochwasser. Bildrechte: picture alliance/dpa | Stefan Puchner