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MDR SACHSEN-ANHALT Di 14.05.2024 16:05Uhr 00:40 min

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Kommunalwahl 2024 Wie Wahl-O-Mat: Online-Entscheidungshilfe für Stadtratswahl Halle

30. Mai 2024, 13:46 Uhr

Zum ersten Mal gibt es für eine Wahl in Halle eine Online-Entscheidungshilfe. Ähnlich wie beim Wahl-O-Mat zu Landtags-, Bundestags- und Europawahlen können die Hallenser bei der Stadtratswahl am 9. Juni ihre Meinung mit der von Parteien abgleichen. Das Tool Voto ist kostenlos, die fast 40 Thesen wurden mit Hilfe der Hallenser erstellt. Bei MDR SACHSEN-ANHALT erklärt die federführende Wissenschaftlerin, was sie überrascht hat und welche Probleme die Menschen in Halle besonders beschäftigen.

MDR SACHSEN-ANHALT: Frau Völkl, wie sind Sie dazu gekommen, für die Hallenser eine Art Wahl-O-Mat zu erstellen?

Dr. Kerstin Völkl, Politikwissenschaftlerin Uni Halle: Ich habe mich schon lange mit Kommunalwahlen auseinandergesetzt, hatte sogar meine Abschlussarbeit darüber geschrieben. Diese sogenannten Nebenwahlen sind mein Forschungsschwerpunkt – und nicht die Hauptwahl mit der Bundestagswahl, die meistens in den Blick genommen wird.

Zu diesen Nebenwahlen zählen Kommunalwahlen, Landtagswahlen und Europawahlen, die alle immer ein bisschen stiefmütterlich behandelt werden – nicht nur von Bürgerseite, also von Wahlberechtigten-Seite, sondern auch von der Forschung her.

Ganz konkret zu Voto bin ich durch die Vernetzung mit den Wissenschaftlern untereinander gekommen. Christian Stecker von der TU Darmstadt übernimmt bei Voto ehrenamtlich das ganze Management, die ganze Organisation. Er hat mich im Spätsommer letzten Jahres gefragt, ob ich Lust hätte, das stellvertretend für Halle zu machen, und zwar in Kooperation mit meiner Kollegin und ihm.

Screenshot einer Online-Wahlhilfe. Die Aussage: Die mit dem Zukunftszentrum "Deutsche Einheit" verbundenen Vorteile überwiegen die Nachteile. Dazu fünf Buttons, von kompletter Zustimmung bis kompletter Ablehnung.
So sehen die einzelnen Thesen bei Voto zur Stadtratswahl Halle aus. Bildrechte: voto

Was ist Voto? Voto ist eine digitale Plattform. Ähnlich wie beim Wahl-O-Mat gibt es dort Informationen über die verschiedenen Wahlprogramme der Parteien – allerdings ausschließlich für Kommunal- und Bürgermeisterwahlen in Deutschland. Diese deckt der Wahl-O-Mat nicht ab. Für die Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt am 9. Juni ist das Ziel, Voto in 17 Gemeinden anzubieten.

Voto wird ausschließlich durch ehrenamtliche Mitarbeiter betrieben. Die Organisation übernimmt ein Professor der TU Darmstadt, Christian Stecker. Im Team sind rund 40 Wissenschaftler aus ganz Deutschland. Das Tool ist kostenlos und politisch neutral.

Die insgesamt 37 Thesen, die man auf einer Skala bewerten kann, haben Sie zusammen mit den Hallensern entwickelt. Wie hat das funktioniert?

Wir haben in Halle die Besonderheit, dass wir Voto in ein Lehrforschungsprojekt integriert haben. In Vorbereitung auf die Thesenformulierung haben wir mit den Studierenden eine Bürgerumfrage durchgeführt. Wir wollten einen Überblick bekommen, was die Bürgerinnen und Bürger hier als die größten Herausforderungen ansehen. Das haben wir mit einer Online-Umfrage gemacht.

Die Umfrage hat Anfang des Jahres stattgefunden, sie war von der zweiten Januarhälfte bis Anfang März geöffnet. Es war schön, dass so viele mitgemacht haben: Wir haben 2.500 verwertbare Fälle. Und das ist für eine Umfrage wirklich eine ordentliche Basis.

Eine Frau mit Brille blickt in die Kamera, hinter ihr Regale mit Aktenordnern und Büchern. 2 min
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Dr. Kerstin Völkl Kerstin Völkl arbeitet seit 2008 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft in Halle. Sie promovierte in Stuttgart. Thema ihrer Doktorarbeit war der Einfluss der Bundespolitik auf Landtagswahlen. Völkl unterrichtet Methoden sowie Statistik und forscht zu politischen Einstellungen und Wahlverhalten.

"In Halle gibt es genug Tempo 30 Zonen" oder "Halle sollte mehr sparen" – wie haben Sie sich schließlich auf die Thesen festgelegt?

Die Thesenentwicklung ist genau in die Semesterferien gefallen. Deswegen waren da meine Kollegin und ich gefordert, mit Unterstützung von Christian Stecker. Entsprechend haben wir als Trio die Thesen formuliert.

Neben der Bürgerumfrage haben wir auch Stadtratsprotokolle genutzt, um zu wissen, was in den Stadtratssitzungen relevant ist. Wir haben ziemlich viele lokale Online-Medien wie "Du bist Halle" durchforstet. Wir haben auch ganz konkret lokale Redakteure angeschrieben und um ihr Feedback gebeten, als die Thesen schon standen, damit wir auch die richtigen Themen haben.

Eine Frau mit langem Zopf arbeitet am Computer.
Wissenschaftlerin Kerstin Völkl leitet das kleine Team, das "Voto Stadtratswahl Halle (Saale) 2024" erstellt hat. Bildrechte: MDR/Luise Kotulla

Haben alle Parteien und Wählergruppen Ihre Thesen auch beantwortet?

Wir haben die zwölf Parteien und Wählergruppen angeschrieben, manche mehrfach, auch den Einzelbewerber haben wir kontaktiert. Er hat aber nicht reagiert, damit muss man eben rechnen. Er tritt auch nur in Wahlbereich 4 an. Deswegen ist er nicht für alle wählbar – es gibt ja fünf verschiedene Wahlbereiche in Halle.

Es sind alle Parteien und Wählergruppen mit dabei, bis auf 'Hauptsache Halle'.

Dr. Kerstin Völkl Politikwissenschaftlerin

Es sind alle Parteien und Wählergruppen mit dabei, bis auf "Hauptsache Halle". Sie hatten entsprechend gesagt: Nein, sie wollen nicht. Alle anderen haben die insgesamt 37 Thesen beantwortet.

Ihnen stand eine Skala mit fünf Punkten zur Verfügung: von starker Zustimmung über Zustimmung, neutrale Position, Ablehnung bis zu starker Ablehnung. Diese fünf Optionen haben sowohl die Parteien und Wählergruppen als auch die Teilnehmenden an der Online-Wahlhilfe.

Drei Gesichter, lächelnd, traurig in verschiedenen Farben auf rosa Hintergrund 1 min
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Wie aussagekräftig ist Voto, wenn man als Wähler ganz unentschlossen ist?

Also es ist ein sehr breites Spektrum, deswegen sind es auch 37 Thesen. Ganz verschiedene Politikfelder werden abgedeckt. Es gibt auch sehr konträre Hypothesen – sowohl linke Positionen als auch konservative Positionen, sodass man wirklich eine große Vielfalt hat.

Gerade diese Vielfalt macht es dann letztendlich auch aus: Auf diese Art und Weise kann durch die Positionierung der Parteien und Wählergruppen und das, was die Meinung der Hallenserinnen und Hallenser ist, ein Abgleich hergestellt werden. So wird dann die größte Nähe und die größte Distanz berechnet.

Ist das Ergebnis eine Wahlempfehlung?

Nein, es ist vor allen Dingen politische Bildungsarbeit. Die kommunale Ebene ist eine Ebene, die den Bürgern meistens gar nicht so nah ist, wie man vermuten könnte. Obwohl sie ihren Lebensbereich sehr stark prägt, haben viele gar keine konkrete Vorstellung davon, was die relevanten Themen in der Stadt sind und was die Parteien und Wählergruppen dazu für eine Position vertreten.

Die Hauptidee der Online-Wahlhilfe: Sie soll einen Beitrag dazu leisten, dass die Bürgerinnen und Bürger informierter abstimmen können. Gerade bei Wählergruppen kann man nicht von der Bundesebene irgendwelche Hilfsannahmen übertragen. Voto ist ein gutes Hilfsinstrumentarium, um zu sehen, welche Position die vertreten, die man sonst vielleicht gar nicht kennt.

Stadtrat Halle Saale im Stadthaus
Der Stadtrat wird für fünf Jahre gewählt. Er tagt im halleschen Stadthaus. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn

Beeinflusst Voto, was die Menschen wählen?

Manchmal ist die Sorge von Parteien, dass Online-Wahlhilfen Einfluss auf die Wahlentscheidung nehmen. Aber ich glaube, da sind die Bürgerinnen und Bürger selbständig genug, um das Ergebnis zu reflektieren und es in erster Linie als Informationsangebot zu nutzen. Niemand wird auf Basis dieses Online-Wahl-Tools eine 180-Grad-Wendung bei der Wahlentscheidung vornehmen.  

Niemand wird auf Basis dieses Online-Wahl-Tools eine 180-Grad-Wendung bei der Wahlentscheidung vornehmen.

Dr. Kerstin Völkl Politikwissenschaftlerin

Es wird auch auf keinen Fall so sein, dass wir dadurch Heerscharen von neuen Wählern generieren werden. Das ist eine Illusion. Es gibt Studien, die das zuverlässig überprüft haben. Solche Tools erreichen eher Personen, die von vornherein schon politisch interessiert sind und zur Wahl gehen.

Funktioniert Voto wie der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung?

Es ist genau das gleiche Prinzip und es ist kostenlos und politisch neutral. Ein Unterschied ist, dass wir fünf Antwortmöglichkeiten haben, von starker Ablehnung bis starker Zustimmung. Das ist beim Wahl-O-Mat eine Dreier-Skala. Wir haben es ausgeweitet, damit man noch ein bisschen besser Unterschiede in der eigenen Meinung abstufen kann. Beim Ausfüllen helfen auch die Begründungen, die die Parteien zu ihren Positionen angeben konnten. Am Ende wird angezeigt, zu wieviel Prozent man mit den Parteien oder Wählergruppen übereinstimmt.

Das Ganze soll diesen spielerischen Charakter, diesen Gaming-Charakter haben. Man soll es nebenher machen können und dabei einfach informiert werden. In den ersten 24 Stunden hatten wir exakt 4.193 Zugriffe.

Smartphone auf dem die Startseite des Wahl-O-Mats abgebildet ist
Voto funktioniert nach demselben Prinzip wie der Wahl-O-Mat. Bildrechte: MDR

Wie sieht ihr eigenes Ergebnis aus, wenn Sie Voto nutzen?

Ich muss gestehen, ich war ein bisschen überrascht. Es hat von der Tendenz auf jeden Fall gestimmt. Aber gerade bei den kleinen Parteien oder Wählergruppen bieten sich durchaus Chancen, wenn man vorher eben nicht so richtig weiß, wofür sie stehen. Bei den Kleinen gab es eine kleine Überraschung für mich.

Wird es Voto für weitere Wahlen in Halle geben?

Es wäre natürlich schön, wenn es beibehalten wird. Man sieht an der Erfolgsgeschichte des Wahl-O-Mats, dass es gut angenommen wird.

Könnte es das Angebot für jede Kommune zu jeder Wahl in Sachsen-Anhalt geben?

Wir können es nicht flächendeckend anbieten, da man wirklich für jede Stadt, für jede Gemeinde eine separate Online-Wahlhilfe konstruieren müsste. Es gibt mit Sicherheit Themen, die in allen Gemeinden und Städten eine Rolle spielen. Aber wir haben auch einen lokalspezifischen Block, wo für Halle entsprechend Zukunftszentrum, OB Wiegand et cetera thematisiert werden. Das müsste man für jede Gemeinde machen und das wäre mit einem wahnsinnigen Aufwand verbunden.

Das Interview führte Luise Kotulla.

Mehr zur Kommunalwahl 2024

MDR (Luise Kotulla) | Erstmals veröffentlicht am 19.05.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. Mai 2024 | 09:30 Uhr

6 Kommentare

Reuter4774 vor 1 Wochen

Im Gegenteil ich Vergleiche und schaue mir genau an wie ich wähle! Sie kennen mit Sicherheit nicht alle Parteiprogramme sämtlicher vertretenen Parteien auswendig. Sie folgen nur einzelnen ( populistischen) Parolen.

Wessi vor 2 Wochen

"Betreutes Denken" SGDHarzer ist eher blind Parolen hinterherzudackeln.Der "Wahl-o-mat" gibt dagegen Essentiells aus den Wahlprogrammen.Und was haben Sie gegen die BRD?

Wessi vor 2 Wochen

Wenn ich in Halle leben würde, käme genau das heraus, was ich auch sonst sage.Allerdings gibts wohl Dinge die ich ,erstens als Mann und zweitens als Älterer, anders wünschte als meine Partei.

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