Eine Frau singt in ein Mikrofon und hält dabei eine Hand ausgestreckt von sich.
Die Sängerin und Pianistin Afra Kane ist im italienischen Vicenza als Tochter nigerianischer Einwanderer zur Welt gekommen. Bildrechte: Rüdiger Schesag

3. bis 11. Mai So war das Festival Women in Jazz in Halle

12. Mai 2024, 15:43 Uhr

Mehr als 10.000 Jazzfans haben in Halle beim Festival Women in Jazz erstklassigen weiblichen Jazz aus aller Welt genossen. Beeindruckend waren u.a. die Konzerte der Schweizerin Sarah Chaksad, der dänisch-amerikanischen Perkussionistin Marilyn Mazur oder der koreanisch-niederländischen Pianistin Sol Jang, die mit dem Jazzpreis der Stadt Halle ausgezeichnet wurde. Ein Fazit der 19. Ausgabe von Women in Jazz.

Gestern Abend ging das 19. Internationale Jazzfestival Women in Jazz unter dem Motto "Essentials Worldwide" in Halle zu Ende. Die große Soul-Night mit Afra Kane und Joy Denalane gehörte zu den Publikumsmagneten des Festivals in der fast ausverkauften Georg-Friedrich-Händel-Halle.

Eine Frau singt in ein Mikrofon.
Joy Denalane lockte viele Menschen in ihr Konzert. Bildrechte: Rüdiger Schesag

Insgesamt, so melden die Veranstalter, haben mehr als zehntausend Besucherinnen und Besucher das Festival erlebt. Hervorragend besucht seien die kostenfreien Veranstaltungen SWH-Saalejazz und der Jazzgottesdienst in der Pauluskirche gewesen, mehr als 900 Kinder hätten die Veranstaltungen unter dem Slogan "Jazz For Kids" besucht. Über 130 Künstlerinnen und Künstlern aus Kuba, Chile, Brasilien, Norwegen, Dänemark, Polen, der Türkei, Österreich, Russland, Italien, Rumänien und Deutschland standen auf den verschiedenen Festivalbühnen in der Saalestadt Halle.

Welt rückt musikalisch zusammen

Nationalistischen Bestrebungen und kriegerischen Tendenzen zum Trotz: Musikalisch scheint die Welt zusammengerückt zu sein. Migrationsbewegungen führen Künstler unterschiedlichster Nationalitäten zusammen, die ihre musikalischen Wurzeln einbringen und für Originalität und stilistische Vielfalt sorgen. Traditionen werden aufgegriffen und neu verortet, Ideen aus Randbereichen wie Pop, Weltmusik oder Klassik spielerisch integriert.

Während das Festival in den vergangenen Jahren auf die Abbildung der Trends und Entwicklungen des Jazz auf verschiedenen Kontinenten setzte, ging es in diesem Jahr darum, wohin sich die Stilistik des aktuellen Jazz als Genre entwickelt, das zunehmend die Welt schon in sich trägt.

Globale Mixturen von Sarah Chaksad und Macha Gharibian

Den schlagenden Beweis dafür liefert die 1983 in der Schweiz geborene Saxophonistin und Komponistin Sarah Chaksad am 9. Mai in der Georgenkirche in Halle mit ihrem Large Ensemble. Die 13-köpfige Bigband, bestehend aus französischen und deutschen Musikerinnen und Musikern, einer Norwegerin und einem Brasilianer, habe sogar einen Ältestenrat, erklärt Sarah Chaksad im Konzert augenzwinkernd. Damit man die unterschiedlichen Nationalitäten, Generationen und sexuellen Orientierungen am Ende auch konfliktfrei über die Bühne bringen könne. Einige der Stücke ihres Programms erinnern an ihren Vater, der ihr die persische Musik nahebrachte, mit der sie immer mehr anfangen konnte, als mit der Schweizer Volksmusik.

Auch die Pianistin, Sängerin und Komponistin Macha Gharibian, die mit ihrem Trio das Festival am 3. Mai eröffnete, verwebt die Folklore ihrer orientalischen Heimat Armenien mit neoklassischen Elementen und modernen urbanen Jazz- und Popsounds ihrer beiden Wahlheimatstädte Paris und New York.

Die Pionierin der all-female Group: Marilyn Mazur

Bereits in den 70er-Jahren leitete Marilyn Mazur eine ausschließlich mit Frauen besetzte Band und zelebrierte mit ihren Musikerinnen die kreativen weiblichen Energien. Berühmt wird die in New York geborene und in Dänemark aufgewachsene Perkussionistin durch ihre Zusammenarbeit mit Miles Davis, Wayne Shorter und Jan Garbarek.

EIne Frau spielt Schlagzeug, um sie herum stehen und hängen viele Perkussionsinstrumente wie Gings, Becken, Bongos oder Rasseln.
Die Perkussionistin Marilyn Mazur inmitten ihrer zahlreichen Klangerzeuger. Bildrechte: Rüdiger Schesag

Ihr aktuelles Programm "Shamania", das sie am Freitagabend mit ihren sieben Kolleginnen aus Dänemark, Norwegen und Polen in der Georg-Friedrich Händel-Halle präsentierte, beruht auf der Idee einer modernen Stammesversammlung weiblicher musikalischer Kräfte. In der Konzentration auf Rhythmus, Körper und Stimmen wird in einer magischen Zeremonie die Verbindung gesucht zwischen der Natur und den Geistern, der Umwelt und dem universellen Spirit.

Förderung des Jazz-Nachwuchses

Das Festival Women in Jazz ist in seiner Ausrichtung auf Jazzprojekte, deren künstlerische Leitung in der Verantwortung einer Jazzmusikerin liegt, von großer Strahlkraft über die Stadt Halle hinaus. Seit vier Jahren bietet die Zusammenkunft mit dem Projekt Next Generation zudem ein attraktives Angebot für den weiblichen Jazznachwuchs.

Jazzpreis der Stadt Halle für Sol Jang

Mit insgesamt 914 Stimmen hat sich die in Korea geborene und in den Niederlanden lebende Musikerin Sol Jang gegen Bewerberinnen aus ganz Europa durchgesetzt. Am 7. Mai überzeugte sie das Publikum in der Georgenkirche von ihrem am klassischen Klaviertrio ausgerichteten Spiel und nahm den Jazzpreis der Stadt Halle entgegen. Ihr neues Album "19-29", das sie an diesem Abend vorstellte, repräsentiert die musikalischen Erfahrungen aus ihrer Zeit in Korea, den USA und Europa.

Eine Frau spielt expressiv vertieft Piano.
Sol Jang hat den Preis "Next Generation Women in Jazz“ und damit des Jazzpreis der Stadt Halle gewonnen. Bildrechte: Rüdiger Schesag

Jang erklärt bei MDR KULTUR: "Auf diesem Festival zu spielen, steht schon lange auf meiner Wunschliste; zum ersten Mal habe ich davon erfahren, als ich 2019 mein Klaviertrio formiert habe. Dann habe ich mich nach Festivals umgeschaut, wo ich gerne auftreten würde. Ich habe recherchiert und mithilfe meiner Kollegen eine Wunschliste erstellt, ich war auf Veranstaltungen wie der Jazzahead. Und wie schön, wenn man seine Träume verwirklichen kann - ich fühle mich wie im siebten Himmel."

Die Entdeckung des Festivals: Emma Rawicz

Die erst 21-jährige Emma Rawicz kam nicht ohne Vorschusslorbeeren nach Halle. Der britische Guardian schreibt über das erste im Herbst bei Act erschienene Album der Saxophonistin aus London: "Die formidable Jazz-Bläser-Virtuosin machte sich einen Namen, indem sie die rauchige Seelenfülle der Saxophon-Troubadoure der alten Schule mit dem rauen Drive der Post-Bop-Tenoristen von Joe Henderson über Chris Potter bis hin zu Donny McCaslin verschmolz."

Eine Frau spielt Saxophonistin und wird dabei von einem Scheinwerfer beleuchtet.
Die britische Jazz-Saxophonistin Emma Rawicz. Bildrechte: Rüdiger Schesag

Und dennoch verfügt Emma Rawicz seit ihrer Kindheit über eine ganz besondere Gabe, die mit ihr nur sehr wenige Menschen teilen: sie ist Synästhesistin. Das Hören von Musik ist für sie mit dem Sehen von Farben verbunden. Für ihr neues Album "Chroma" hat sie Farben wie Lila oder Falu-Rot an den Ausgangspunkt ihrer Kompositionen gestellt.

Viel erreicht - doch es ginge noch mehr

Im nächsten Jahr feiert das Festival Women in Jazz zwanzigjähriges Jubiläum. Viele Musikerinnen aus Deutschland, wie die Sängerinnen Uschi Brüning, Angelika Weiz und die Pianistin Julia Hülsmann waren von Anfang an dabei. Hülsmann rief damals einen Workshop für junge Instrumentalistinnen ins Leben und zählt heute selbst zu den renommiertesten Jazzmusikerinnen und Komponistinnen dieses Landes.

Eine Frau spielt Klavier
DIe Jazzpianistin und Komponistin Julia Hülsmann ist Professorin für Klavier Jazz/Pop und Ensembleleitung an der Universität der Künste Berlin. Bildrechte: Rüdiger Schesag

Die jungen Frauen an Schlagzeug, Kontrabass und Saxophon sind in der Szene inzwischen nicht mehr zu überhören. Braucht es also solche Festivals wie Women in Jazz überhaupt noch? Diese Frage beantwortet Hülsmann so: "Es ist noch lange nicht alles gut. Es hat sich schon einiges verändert. Inzwischen sehe ich, dass es eine große Anzahl von jungen Musikerinnen gibt im Jazzbereich, die wirklich tolle Profile haben, die sich schön in die Szene reinmischen. Aber trotzdem gibt es erstaunlich viele Vorbehalte und Klischees. Ich bin erstaunt, wie viele Türen es im Weg gibt, die man nicht aufkriegt. Das ist eigentlich auch ein Bild der Gesellschaft, das ist ja nicht nur im Jazz so. Da müssen wir noch ganz schön arbeiten, würde ich sagen."

Quelle: MDR KULTUR (Heidi Eichenberg); Redaktionelle Bearbeitung: op

Women in Jazz im Radio

Hier können Sie Eindrücke vom Festival Women in Jazz bekommen:

Jazz LIVE! | 16.05.2024 | 21 Uhr | MDR KULTUR
Women in Jazz | 27.07.2024 | 23 Uhr | ARD Radiofestival und ARD Audiothek
Women in Jazz | 21.08.2024 | 23 Uhr | ARD Radiofestival und ARD Audiothek'
Women in Jazz | 30.07.2024 ab 20 Uhr | ARD Radiofestival und ARD Audiothek

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. Mai 2024 | 13:40 Uhr

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