Zwei Fußballspieler lehnen im Sitzen umgeben von Nebel an einem braunen Berg. Eine Szene aus dem Theaterstück "Zwei Herren von Real Madrid" am Schauspiel Leipzig.
Die "Zwei Herren von Real Madrid" kommen sich in der Inszenierung des Schauspiels Leipzig näher. Im Stück geht es unter anderem ums Outing im Fußball. Bildrechte: Isabel Machadorios

Theaterkritik Volltreffer im Schauspiel Leipzig: "Zwei Herren von Real Madrid"

29. April 2024, 10:21 Uhr

Das Schauspiel Leipzig lädt zur Champions League: Verpflichtet wurden "Zwei Herren von Real Madrid", einer heißt Sergio Rames. Auf dem schlecht gepflegten Kunstrasen tragen sie eine hochspannende Partie aus, in der es um Liebe und Familie geht und um das, was man wirklich will im Leben. Unser Kritiker war begeistert vom Stück des jungen Autors Leo Meier, der selbst mal Profifußballer werden wollte.

Der Titel ist vielversprechend: Zwei Herren von Real Madrid. Im Programmheft werden sie vage als Stürmer und Mittelfeldspieler bezeichnet. Mit Sergio Ramos ist da aber auch ein echter Spieler benannt. Das wirft die Frage auf: Worum geht es in diesem Stück von Leo Meier? Der kommt aus dem Ruhrpott, ist keine 28 und wollte selbst mal Fußballprofi werden. Weil es dafür nicht gereicht hat, studierte er in Bochum Theaterwissenschaft und Philosophie, um sich dann in Essen zum Schauspieler ausbilden zu lassen. Ein Mann mit vielen Talenten, auch zum Stückeschreiben.

Absurdes Theater, das das echte Leben zeigt

In seinem jüngsten Stück treffen sich zwei junge Männer im Wald. So steht es im Text. Auf der von Pascal Seibicke wunderbar in den kleinen Spielraum der Diskothek des Schauspiels Leipzig gebauten Bühne, ist das allerdings eine Abbruchkante. Zwei Meter löchriger Bodenquerschnitt erhebt sich auf dem Bühnenboden. Oben drauf ein kunstvoll schlecht gepflegter Rasen und eine Spielerbank wie aus der Regionalliga. Das sieht nicht nach dem königlichen Bernabeú-Stadion, sondern nach echtem Leben aus. Doch dem zum Trotz: Die beiden jungen Männer sind Fußballer, Profis, beide spielen bei Real Madrid. Haben gemeinsam dreimal in Folge die Champions-League gewonnen. Aber sie kennen sich nicht.

Das klingt nach absurdem Theater und ist es auch. Wir Zuschauer sehen durch den Zerrspiegel der Absurdität tief hinein ins echte Leben. In dem es um Liebe und Familie geht, um das, was man wirklich will und am Ende sogar um die Erkenntnis unserer Endlichkeit. Das klingt nach schwerer Kost, die Leo Meier aber in einer guten Balance aus Absurdität und tief zu Herzen gehender Wahrhaftigkeit präsentiert.

Eine Frau in einem weißen Umhang steht neben einer Frau mit einer gelben Felljacke. Beide schauen verärgert, fragend in dieselbe Richtung.
Autor Leo Meier balanciert in "Zwei Herren von Real Madrid" am Schauspiel Leipzig zwischen Absurdität und tiefer Wahrhaftigkeit. Bildrechte: Isabel Machadorios

Leipziger Inszenierung thematisiert Outing mit Folgen

Denn die beiden Herren von Real Madrid kommen sich näher. Stationen dahin sind eine gemeinsame Familienweihnachtsfeier im Elternhaus des Stürmers, in deren Folge dessen Mutter am Verzehr eines vom Gast gebackenen Bananenbrotes stirbt. Der seeligen Frau war sofort klar, was die beiden Herren dann erst auf ihrer Beerdigung mit einem Kuss vollziehen: Sie sind ein Paar. Dummerweise hat die "Pater:In" der Trauerfeier den Kuss fotografiert und das Bild für einen Judaslohn an die Boulevardpresse verkauft. Es kommt zum Outing vor laufenden Kameras: Ein schwules Pärchen könnte zum vierten Mal in Folge die Champions League für die Königlichen holen.

Das wäre und bleibt beispiellos. Denn der Stürmer wird für 150 Millionen nach Paris verkauft. Geld oder Liebe – am Ende gibt es eine Abschiedsszene fast wie auf dem legendären Flughafen von Casablanca. Und einen Wahnsinns-Applaus für alle Beteiligten.

Überzeugendes Team hält sich an Trainertaktik

Denis Grafe und Matthis Heinrich, letzterer noch Student, tun das mit absoluter Grandezza und Feinfühligkeit im Umgang miteinander. Der Hit aber ist Wenzel Banneyer. Der spielt Sergio Ramos. Mit all seinen Tätowierungen, seiner Frisur und einem Innenverteidigerblick, der seinesgleichen sucht. Erst als stumme und dennoch sofort die Bühne beherrschende Figur, am Ende mit einem atemberaubenden Monolog über die Endlichkeit des Seins. Da liegen Lachen und Weinen, Absurdität und Wahrhaftigkeit ganz nah beieinander.

Sechs Personen stehen in unterschiedlichen Kostümen auf einer Theaterbühne nebeneinander, vor ihnen eröffnet sich ein Abgrund.
Grandioses Teamplay erwartet das Publikum im Stück "Zwei Herren von Real Madrid", das in der Diskothek am Schauspiel Leipzig Premiere gefeiert hat. Bildrechte: Isabel Machadorios

Mit im Team ist Annett Sawallisch mit überdrehter und gleichzeitig echter Mütterlichkeit, Katharina Schmidt kann als Pressesprecherin ihrem komödiantischem Affen Zucker geben. Markus Lerch spielt den Vater mit witziger Zurückhaltung und Leonhard Meschter die eher undankbare Rolle des todbringenden Bananenbrots als Drag Queen mit den schönsten Beinen des Abends.

Tolle Schauspieler, mit sicherer Hand geführt von Regisseur Albrecht Schroeder, der seinen Spielplan vom Anpfiff bis zur 90. Minute perfekt geplant und umgesetzt hat. Wie heißt es im Stück: Für die Taktik ist der Trainer verantwortlich.

Informationen zum Stück "Zwei Herren von Real Madrid"
von Leo Meier

Schauspiel Leipzig
Diskothek
Bosestraße 1
04109 Leipzig

Regie: Albrecht Schroeder
Bühne und Kostüme: Pascal Seibicke
Dramaturgie: Matthias Döpke
Musik: Chris Schalko
Licht: Thomas Kalz
Ton: Alexander Nemitz
Theaterpädagogische Betreuung: Amelie Gohla

Darstellende:
Denis Grafe als Stürmer
Matthis Heinrich als Mittelfeldspieler
Annett Sawallisch als Mutter/Paterin
Markus Lerch als Sven
Katharina Schmidt als Cousine/Pressesprecherin
Wenzel Banneyer als Sergio Ramos
Leonard Meschter als Bananenbrot

Termine:
5. Mai 2024, 20 Uhr
20. Mai 2024, 20 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 28. Januar 2023 | 10:15 Uhr