Strom- und Gaspreisdeckel Energiepreisbremsen benachteiligen Betriebe, die während Corona schließen mussten

14. Dezember 2022, 05:00 Uhr

In Deutschland ist es kalt. Aber die Verbraucher erwarten in Kürze die staatlichen Unterstützungen zum Bezahlen ihrer Gas- und Stromrechnungen. Bei einigen Betrieben herrscht jedoch Fassungslosigkeit. Der Staat beabsichtigt, sie nun schon ein zweites Mal zu benachteiligen.

Ende November ist bei Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ein Fax eingegangen. Es trägt den Titel "Benachteiligung des Gastgewerbes beseitigen". Das dreiseitige Schreiben hat die Dehoga Thüringen verfasst – kurz nachdem klar war, wie die künftigen Energiepreisbremsen ausgestaltet werden sollen. Die Dehoga ist der Branchenverband für Hoteliers und Gastwirte. Der Gesetzesentwurf zur Ausgestaltung der Subventionen bei Gas und Strom kam dort überhaupt nicht gut an.

Wenn der Entwurf in seiner jetzigen Fassung vom Bundestag verabschiedet wird, ist aus Sicht des Gastgewerbes ein entscheidendes Detail vergessen worden. Bislang ist in dem rund 160-seitigen Papier vorgesehen, für die Berechnung der Höhen der staatlichen Unterstützung die Verbräuche aus dem Jahr 2021 als Referenz heranzuziehen. Genau das Jahr also, in dem eine Reihe von Unternehmer ihre Geschäfte staatlich angeordnet schließen musste. Das trifft auch alle diejenigen, die Hotels oder Restaurants betreiben, sowie deren Zulieferer, wie etwa Wäschereien.

Corona-Effekt: Bis zu 35 Prozent weniger Energieverbrauch

Der Bundesverband der Dehoga hat den Effekt einmal ausgerechnet. Die coronabedingten Schließungen von Hotels und Restaurants waren 2021 von Anfang des Jahres bis in den Mai hinein. In Mecklenburg-Vorpommern etwa durften Unterkünfte sogar erst wieder im Juni öffnen. Auch im Winter 2021 auf 2022 gab es aufgrund der Pandemie kaum Feiern oder Tagungen mit vielen Menschen. Alles das führte dazu, dass laut Dehoga-Berechnungen die Energie-Verbrauchswerte in der Branche im vergangenen Jahr bis zu 35 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau lagen.

"Wenn man keine Absicht unterstellt, muss man davon ausgehen, dass die besondere Situation der Branche erneut nicht mitgedacht wurde. Hier heißt es wieder einmal nachbessern", sagt der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Sachsen-Anhalt, Martin Schulze, dem MDR.

Der Deutsche Tourismusverband und andere Branchenvertreter seien dazu mit der Bundesregierung im Gespräch. "Es ist für jeden offensichtlich, dass das Jahr 2021 unmöglich als Referenzjahr für die Tourismusbranche dienen kann", so Schulze weiter. Neben dem Wechsel des Bezugsjahres könnte auch die Hochrechnung des aktuellen Verbrauchs einen Lösungsansatz darstellen, schlägt der Touristiker vor.

"Der Referenzwert aus 2021 ist nicht akzeptabel", sagt auch Thüringens Dehoga-Chef Dirk Ellinger dem MDR. Die Branche leide eh schon unter dem Personalmangel und den gestiegenen Energiekosten. "Wer alles zusammenrechnet, müsste eigentlich seine Preise verdoppeln", sagt Ellinger. Das gehe natürlich nicht. Genau darum habe er dem Ministerpräsidenten des Freistaates sowie Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ein Fax geschrieben. Ellinger wolle auf das Problem aufmerksam machen.

Wirtschaftsministerium bestätigt Benachteiligung

Allerdings ist das Thema im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin bereits bekannt. Wenn der Verbrauch durch Sondereffekte, wie beispielsweise Infektionsschutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie, vergleichsweise niedrig war, könne der prognostizierte Verbrauch dadurch geringer ausfallen, teilte eine Sprecherin dem MDR mit und bestätigte damit das Dilemma. Ob das Ministerium deshalb eine Änderung am Gesetzesentwurf plant, ließ die Sprecherin allerdings unbeantwortet.

"Ich fühle mich bescheiden. Wir bekommen jetzt das zweite Mal einen auf den Deckel", sagt Marcel Gerber dem MDR. Er ist der Inhaber eines Wellnesshotels im Thüringer Wald. Gerber und seine 41 Mitarbeiter betreuen 49 Zimmer, ein Restaurant und eine Sauna- und Poollandschaft. Bis zu 100 Personen können bei ihm in Schmalkalden übernachten. "Im vorigen Jahr hatten wir wegen Corona bis in den Juni hinein geschlossen", sagt Gerber. Der Energieverbrauch lag darum bei rund 70 Prozent im Vergleich zu normalen Jahren. Der Hotelier beheizt sein Haus mit einem eigenen Blockheizkraftwerk, das auch Strom erzeugt. "Rund 200.000 Kilowattstunden müssen wir jährlich dazu kaufen."

Damit Gewerbetreibende wie Marcel Gerber bei den Energiepreisbremsen nicht benachteiligt werden, hat der Dehoga-Bundesverband eine Forderung an die Politik gestellt. Der Referenzzeitraum für Betriebe, die 2021 wegen der Corona-Bekämpfung schließen mussten, müsse geändert werden. Als Referenzzeitraum solle das Jahr 2019 gelten.

Am Donnerstag will der Bundestag über das Gesetz abstimmen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 14. Dezember 2022 | 06:00 Uhr

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