Monika Osberghaus, eine Frau schaut freundlich in die Kamera. 7 min
Verlegerin Monika Osberghaus vom Klett Kinderbuch Verlag ist mit MDR KULTUR im Gespräch zur inhaltlichen Ausrichtung ihres Verlages, zu Trends in der Branche und zur Zukunft des Kinderbuches. Bildrechte: Susen Heyder, Lichtbildnerei Leipzig

Interview Kinderbuch-Verlegerin Osberghaus: "Kinder brauchen Papierbücher!"

25. April 2024, 15:20 Uhr

Vor 15 Jahren wurde der Klett Kinderbuch Verlag gegründet. Verlegerin Monika Osberghaus setzt auf unkonventionelle und realitätsnahe Literatur. Ein Problem sieht sie bei Eltern, die sehr behütend seien und eine heile Welt suchten, die so in der Gegenwart nicht existiere. Was Kinder lesen wollen und sollten und wie sie die Zukunft der Kinderbuchverlage sieht, hat Osberghaus MDR KULTUR erzählt.

MDR KULTUR: Sie sagen zu Ihrem Verlagsprogramm, dass die Geschichten auch gerne mal unkorrekt oder unkonventionell sein dürfen. Welche Philosophie steckt dahinter?

Monika Osberghaus: Der Grundgedanke ist, dass wir Bücher anbieten wollen, in denen Kinder ihr eigenes Leben erkennen können. Daraus folgt zwangsläufig, dass diese Bücher nicht immer korrekt sind, weil es das eigene Leben der Kinder auch nicht immer ist. Es ist ganz viel Aktualität und Gegenwart darin – dadurch auch schlimme Geschichten, politische Geschichten. Ich will eigentlich immer Realismus. Das war das, was mir gefehlt hat, als der Verlag anfing.

Wie sehen die Rückmeldungen aus?

Ich gehe immer regelmäßig in die Kita und lese vor. Und da kann ich immer gut gucken: An welchen Stellen lachen die, oder wo konzentrieren sie sich gut, oder wo schweifen sie ab? Da lese ich die Reaktionen ab. Wir kriegen eigentlich oft Rückmeldungen von den Erwachsenen. Und oft ist es so eine Stimme wie: "Also ich weiß ja nicht, ob das so richtig ist – aber der Junge liebt es!" Und das bestätigt mich dann immer.

Eine Kinderbuch-Illustration von einer Person, die Radieschen gießt, unter denen in der Erde ein menschliches Skelett liegt.
Das bei Klett erschienene Buch "Radieschen von unten" beschäftigt sich aus unbefangener Kindersicht mit dem Tod. Bildrechte: Klett Kinderbuch

Ich finde es schade, wenn die Kinder so eine unechte, heile Welt vorgespiegelt kriegen sollen.

Monika Osberghaus, Verlegerin bei Klett Kinderbuch

Sie blicken auf 15 Jahre ungewöhnlicher Bücher für Kinder zurück – was sind Ihre aktuellen Überlegungen?

Was mich jetzt viel bewegt, ist tatsächlich, wie die Eltern drauf sind. Die Eltern sind wahnsinnig behütend geworden. Und die brauchen offenbar selbst ganz viel Beruhigung. Die Erwachsenen suchen so eine Art neue heile Welt und neue Idylle – das kann auch gerne eine ganz diverse und politisch korrekte neue, heile Welt sein. Aber es ist eben auch eine Welt, die eigentlich in der Gegenwart noch nicht so existiert. Und ich weigere mich, dass wir das so darstellen sollen. Ich finde es schade, wenn die Kinder so eine unechte, heile Welt vorgespiegelt kriegen sollen.

Und das beschäftigt mich manchmal, weil wir ja die Erwachsenen als Komplizen brauchen, dass die die Bücher kaufen. Die Kinder marschieren nicht selbst in die Buchhandlung.

Zeichnung in einem Buch, darauf viele verschiedene nackte Menschen, alt, jung, körperlich behindert und anderes
Auch das Buch "AnyBody. Dick & dünn & Haut & Haar" ist bei Klett erschienen und steht für den unkonventionellen, realitätsnahen Ansatz des Verlages. Bildrechte: Klett Kinderbuch Verlag

Und dann suche ich auch nach wie vor gute Stimmen für Kinderbücher. Es fehlt schon immer bitterlich so eine Art "Ausbildungsstation", wie wir das mit dem Leipziger Literaturinstitut für die Erwachsenenliteratur haben. Ich weiß aber nicht, an wen ich mich da wenden müsste. Und entsprechend kriegen wir hier massenhaft superschlechte Manuskripte angeboten. Es gibt gar nicht so viele richtig tolle Kinderbuchautoren, die auf der Höhe der Zeit schwungvoll, saftig und gut schreiben können.

Wie sehen Sie die Zukunft des Verlages? Mit welchen Entwicklungen müssen Sie sich auseinandersetzen?

Die Kinder brauchen Papierbücher! Da bin ich sicher, das Wischen macht einfach bei Geschichten nicht so viel Spaß. Und ich finde, das Buch ist einzigartig genial, wie es für Kinder funktioniert.

Ein Kind liest ein Buch, daneben hohe Bücherstapel.
Monika Osberghaus ist davon überzeugt, dass Kinder Papierbücher brauchen. Bildrechte: picture alliance/dpa

Was mich beschäftigt: Gibt es in 15 Jahren – wenn ich dann in Rente bin – noch Leute, die, so wie ich, gerne solche kühnen Projekte machen und dabei nicht immer aufs Geld gucken? Oder, falls der Verlag ihnen nicht selbst gehört, brauchen die auch Chefs, die so drauf sind. Und da weiß ich nicht ...

Es gibt ja immer mehr Großkonzerne, die kaufen die kleinen Verlage auf. Was tut das dann mit den kleinen Verlagen? Man muss dann immer schön Rendite machen. Und das heißt, man muss irgendeinem Massengeschmack folgen. Man kann keine kratzigen Themen bringen. Man kann keine Experimente wagen, also jedenfalls weniger.

Es gibt gar nicht so viele richtig tolle Kinderbuchautoren, die auf der Höhe der Zeit schwungvoll, saftig und gut schreiben können.

Monika Osberghaus, Verlegerin bei Klett Kinderbuch

Ich hoffe einfach, dass es weiterhin so eigenwillige Köpfe gibt, die das zu ihrer Sache machen. Und ja, der Nachwuchs, der macht mir Gedanken. Also ich hoffe einfach, dass es Nachwuchs gibt, der so drauf ist. Ich bin gespannt!

Über Klett Kinderbuch

Der Klett Kinderbuch Verlag aus Leipzig feiert in diesem Jahr sein 15-jähriges Bestehen. 2008 wurde er als kleiner Ableger des Stuttgarter Klett Konzerns gegründet, seit 2015 ist er ein unabhängiger Verlag. Verlegerin Monika Osberghaus setzte schon von Beginn an auf besondere Bücher, über die sich aufgeregt und gestritten werden kann.

Quelle: MDR KULTUR, Klett Kinderbuch Verlag
Redaktionelle Bearbeitung: op, hki

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. April 2024 | 18:05 Uhr

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