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Die Wartezimmer könnten voller werden, wenn die Forderung des Bundesrechnungshofes umgesetzt wird. Bildrechte: IMAGO/Westend61

GesundheitswesenÄrztevertreter kritisieren Pauschale-Vorschlag von Bundesrechnungshof

12. Oktober 2023, 07:19 Uhr

Der Bundesrechnungshof fordert, die Zahlungen für ungeplante Patienten zu streichen und stattdessen eine Pauschale an die Ärztinnen und Ärzte zu zahlen. Ärztevertreter weisen die Forderung zurück, weil so 20 Prozent der Patienten nicht mehr behandelt werden könnten. Auch aus der Politik kommt Kritik.

Dr. Dirk Heinrich ist niedergelassener Arzt mit einer HNO-Praxis in Hamburg. Von den gesetzlichen Krankenkassen bekommt er bisher auch für Patienten Geld, die nicht in seinem Budget geplant sind: Akutpatienten zum Beispiel. Diese Regelung entstand noch unter der Merkel-Regierung.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes sind die Ausgaben dafür aber zu hoch. Deshalb sollte es künftig nur noch eine Pauschale, eine Art Flatrate geben – egal, ob Dirk Heinrich 5 oder 50 Patienten behandelt.

Das ärgert den Mediziner, der auch Vorsitzender des Virchow-Bundes ist: "Das ist mittlerweile eine Unverschämtheit, von uns zu verlangen, dass wir Dinge tun, also den Patienten gegenüber Leistungen erbringen, die wir anschließend nicht bezahlt bekommen. Wo gibt’s das denn in Deutschland? Das gibt es nirgendwo!"

Heinrich sagt, er könne so in seiner Praxis ein Drittel der Patienten nicht mehr behandeln. Er schätzt, dass es insgesamt in Deutschland 20 Prozent der Patientinnen und Patienten betreffe.

Empörung bei der kassenärztlichen Vereinigung

Auch beim Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung ist die Empörung groß über den Bericht des Bundesrechnungshofes. Hier kritisiert Vorstandschef Dominik von Stillfried, dass der Rechnungshof nur die Ausgaben, nicht aber die Leistungsentwicklung untersucht habe.

Das betreffe auch Leistungen, die explizit gefördert werden sollen, wie die Prävention oder das ambulante Operieren, erklärt von Stillfried: "Die steigen nicht unkontrolliert an. Bei der Prävention waren es 0,02 Prozent in den letzten vier Jahren. Der Bundesrechnungshof möchte, dass möglichst hundert Prozent aller Leistungen unter das sogenannte Budget fallen, also unter die Flatrate. Im Augenblick sind es etwa 70 Prozent." Bleiben also 30 Prozent, die den Ärzten von den Krankenkassen momentan noch vergütet werden.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wollte sich bis Redaktionsschluss nicht zum Rechnungshofbericht äußern.

Kritik auch von CDU und FDP

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen fällt die Reaktion moderat aus. Vorstand Klaus Heckemann sagt: "Natürlich werden die Wartezeiten wieder steigen, wenn wir dieses Sonderangebot abschaffen. Man will einfach dieses dafür zur Verfügung gestellte Geld einsparen. Man könnte auch sagen, man will von den Versicherten eine Eigenbeteiligung nehmen, um die Inanspruchnahme abzusenken."

Nach Ansicht der Unionsfraktion im Bundestag würde mit der Forderung des Rechnungshofes eine bewährte Regelung abgeschafft. Dazu Tino Sorge, der gesundheitspolitische Sprecher: "Vielerorts warten Patienten viel zu lange auf einen Arzttermin – schon heute. Darum war es absolut richtig, dass wir als Union in der letzten Legislatur die Regelung eingeführt haben. Man muss sagen, es wäre grundfalsch und ein völlig falsches Signal, an der Stelle zu sparen."

Ähnlich fällt auch die Einschätzung bei der FDP aus. Der gesundheitspolitische Sprecher der Liberalen, Andrew Ullmann, hat kein Verständnis für den Bericht. Ullmann teilt schriftlich mit: "Der Bundesrechnungshof kritisiert auf Ebene blanker Zahlen, ohne die Versorgung oder die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Praxen in den Blick zu nehmen. Aus meiner Sicht zeigt der Bericht eher, wie fehlerhaft der Ansatz der Budgetierung ist."

Erst am Mittwoch hat der Gesundheitsausschuss des Bundestages festgestellt, dass die Einsparziele der Ampelregierung im Bereich der Arztpraxen bisher nicht erreicht worden sind. Gesundheitsminister Lauterbach ist jetzt am Zug, auf den Bericht des Bundesrechnungshofes zu reagieren.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 12. Oktober 2023 | 06:08 Uhr

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