LandtagswahlenWarum der MDR ein Wahlkonzept veröffentlicht
In Wahlkampfzeiten haben öffentlich-rechtliche Medien eine besondere Verantwortung. Um sicher zu stellen, dass über Parteien und Politiker fair und neutral berichtet wird, veröffentlicht der MDR vorab ein Wahlkonzept. Was genau Wahlkonzepte sind und warum der MDR sie schreibt und veröffentlicht, erklärt Jens Hänisch im Interview.
Inhalt des Artikels:
2024 wird häufig als Superwahljahr bezeichnet. Bundesweit finden in diesem Jahr mehr als 10 Wahlen statt, darunter am 9. Juni die Europawahl und am 1. September die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.
Für den MDR liegt im Jahr 2024 ein großer Schwerpunkt auf der Wahlberichterstattung. Zur Vorbereitung darauf veröffentlicht der Sender am 11. Juli sogenannte Wahlkonzepte für die Landtagswahlen im MDR-Gebiet. Was genau ein Wahlkonzept ist und warum der MDR so etwas überhaupt erstellt, erklärt einer der Verantwortlichen für die Wahlkonzepte im MDR, Jens Hänisch.
Was ist ein Wahlkonzept?
Das Wahlkonzept sei in erster Linie eine Auflistung aller Sendungen, Beiträge und sonstiger Inhalte, die im Rahmen der Wahlberichterstattung geplant sind, erklärt Jens Hänisch, MDR-Aktuell Moderator und Verantwortlicher für die Wahlkonzepte.
"Wir haben uns aus mehreren Gründen vor ein paar Jahren im MDR darauf geeinigt, [die Vorplanungen für die Berichterstattung] in ein sogenanntes Wahlkonzept zu gießen und das auch vor der Vorwahl- und Wahlberichterstattung zu veröffentlichen", so Jens Hänisch.
Daneben sind im Wahlkonzept auch die besonderen rechtlichen Leitplanken beschrieben, die für öffentlich-rechtliche Sender während der Vorwahl- und Wahlberichterstattung gelten.
Warum schreibt und veröffentlicht der MDR Wahlkonzepte?
Als öffentlich-rechtlicher Sender sei der MDR an zwei Grundsätze gebunden, die in der Verfassung verankert sind und sich scheinbar widersprechen, so Jens Hänisch. Zum einen an den Grundsatz der Rundfunkfreiheit und zum anderen an den Grundsatz der Parteienfreiheit.
Das bedeutet, dass die Öffentlich-Rechtlichen allen Parteien im Wahlkampf vergleichbare Chancen, abgestuft nach ihrer Bedeutung und früheren Wahlerfolgen, ermöglichen müssen, gleichzeitig haben sie aber den Auftrag zur unabhängigen Information und damit das Recht, über ihre redaktionellen Inhalte selbst zu entscheiden – unabhängig von der Politik. Um diese Ansprüche in Einklang zu bringen, planen die Redaktionen genau, wie, wann und in welchem Umfang sie über die Wahlen berichten.
Und damit für alle Interessierten (z.B. Vertreterinnen und Vertreter von Parteien, Bürgerinnen und Bürger oder auch Nutzerinnen und Nutzer) transparent, einsehbar und nachvollziehbar ist, dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten und auch die journalistische Freiheit beachtet wird, veröffentlicht der MDR seine Wahlkonzepte. Das macht der MDR allerdings freiwillig, manche ARD-Medienhäuser haben in der Vergangenheit ihre Wahlkonzepte zum Beispiel nicht veröffentlicht.
Im Zweifelsfall haben die Wahlkonzepte noch einen weiteren, juristischen Zweck. Sie dienen dem MDR als Rückversicherung. Sollte sich eine Partei durch die Berichterstattung ungerecht behandelt fühlen und dies gerichtlich überprüfen lassen wollen, kann anhand eines solchen Wahlkonzepts leichter nachvollzogen werden, was an dem Vorwurf dran ist.
Ändert sich mit dem Wahlkonzept die Arbeit in den Redaktionen?
Sechs Wochen vor der Wahl, in der sogenannten Vorwahlphase, gebe es für die Rundfunkfreiheit ganz besondere Bedingungen, die nur zu Wahlkampfzeiten gelten, erklärt Jens Hänisch. Diese rechtlichen Leitplanken müsse der MDR in der Zeit bis zur Wahl beachten, die Wahlkonzepte werden kurz vor diesem Zeitpunkt veröffentlicht.
Zu diesen rechtlichen Leitplanken gehört zum Beispiel die abgestufte Chancengleichheit. Zwar würde der MDR grundsätzlich nicht überproportional über eine Partei berichten und andere links liegen lassen, aber in den sechs Wochen bis zur Wahl müssen die Sender über alle Kandidatinnen und Kandidaten (abgestuft) gleichgewichtig, neutral und fair berichten. Es gehe schließlich um einen wichtigen und ausgewogenen Beitrag der Öffentlich-Rechtlichen zur öffentlichen Meinungsbildung vor einer Wahl, so Hänisch.
Das schränke die journalistische Entscheidungsfreiheit aber keineswegs ein, stellt Jens Hänisch klar: "Auch in solchen Vorwahlzeiten gilt: Die Entscheidung, in welcher Form wir berichten, welche kritischen Fragen wir stellen, die treffen wir Journalisten."
Wie verbindlich sind die geplanten Inhalte im Wahlkonzept?
Die Sendungen, Beiträge und Formate, die im Wahlkonzept stehen, finden auch so statt, denn es handelt sich um planbare Berichterstattung, z. B. Wahlkampfauftakte oder Veranstaltungen der Parteien. Über tagesaktuelle Ereignisse wird aber selbstverständlich trotzdem berichtet und diese seien auch von der abgestuften Chancengleichheit ausgenommen, erläutert Jens Hänisch.