Gewonnene StichwahlWas die Wahl von AfD-Mann Loth in Raguhn-Jeßnitz bedeutet
Die Reaktionen auf die Wahl von AfD-Politiker Hannes Loth zum neuen Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz fallen in der Bevölkerung gemischt aus. Ein Politikwissenschaftler analysiert, der gewonnene Rathausposten passe zur "Normalisierungsstrategie" der AfD. Landrat Andy Grabner warnt unterdessen vor weiteren Erfolgen der Partei und sieht die Verantwortung in Berlin.
- Nach der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz gibt es in der Bevölkerung ein geteiltes Echo.
- Politikwissenschaftler Benjamin Höhne erklärt, der gewonnene Posten habe hohen symbolischen Wert für die AfD.
- Der Landrat von Anhalt-Bitterfeld beteuert, die Wählerinnen und Wähler seien keineswegs alles Rechtsradikale.
Die Wahl des AfD-Politikers Hannes Loth zum Bürgermeister der Stadt Raguhn-Jeßnitz stößt bei den Einwohnerinnen und Einwohnern auf gemischte Reaktionen. In einer Straßenumfrage des MDR sorgten sich Passanten zum einen um die negative Außenwirkung für die Stadt. Eine Frau erklärte, selbst wenn es vor Ort Probleme gebe, sei das noch immer kein Grund, rechts zu wählen. Ein anderer Bürger sagte, es sei "schade" um die Stadt. Er könne die Wahl nicht nachvollziehen, da der Bürgermeister ohnehin nur geringe Macht habe und etwa über Grünflächen entscheide.
Wissenschaftler spricht von "Normalisierungsstrategie" der AfD
Unterstützer Loths erklärten hingegen, die AfD solle weniger als rechtspopulistische Kraft, sondern vielmehr als Alternative wahrgenommen werden. Man hoffe auf positive Veränderungen in Raguhn-Jeßnitz, etwa beim Straßenbau. Die Wahl bewerteten sie als gut, da es mit Deutschland "im Sturzflug nach unten" gehe.
Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Uni Münster sagte dem MDR, die Wahl passe zur "Normalisierungsstrategie" der AfD. Man wolle nicht mehr als reine rechtspopulistische Protestpartei wahrgenommen werden, sondern übernehme tatsächlich exekutive Verantwortung. Für die Partei sei die Wahl daher von hoher symbolischer Bedeutung.
Höhne: Etablierte Parteien kaum erkennbar
In Raguhn-Jeßnitz habe sich die AfD volksnah gegeben und auf lokale Themen sowie ein "Kümmer-Image" gesetzt, sagte Höhne weiter. Die etablierten Parteien seien vor Ort hingegen kaum erkennbar gewesen. Nach der Wahl des AfD-Landrats Robert Sesselmann im thüringischen Sonneberg sei das Überraschungspotenzial zwar "deutlich reduziert" gewesen. Dennoch habe es bei beiden Wahlen zum ersten Mal nicht ausgereicht, dass sich alle anderen Parteien hinter dem Gegenkandidaten versammelt hätten, erklärte der Politikwissenschaftler.
Angesichts der Unzufriedenheit in der Bevölkerung seien auch etwa Regierung und Opposition auf Bundesebene gefordert, ihre Arbeit und deren Außenwirkung zu hinterfragen. Gleichwohl sagte Höhne, Wählerinnen und Wähler der AfD müssten sich bewusst sein, dass die eigene Stimme einen Effekt habe und die AfD keine liberale Demokratie wolle.
Landrat Grabner warnt vor weiteren AfD-Erfolgen
Der Landrat des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, Andy Grabner, warnte unterdessen vor weiteren Erfolgen der rechtspopulistischen Partei. "Wenn die Politik, die momentan die Ampel-Regierung vollzieht, so bestehen bleibt, werden das nicht der letzte Bürgermeister und der letzte Landrat der AfD gewesen sein", sagte der CDU-Politiker. Nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch bundesweit könne das in Zukunft die politische Richtung sein: "Das ist kein Sachsen-Anhalt-Phänomen."
Loths Wählerinnen und Wähler seien keineswegs alle Rechtsradikale, betonte Grabner: "Da sind ganz normale Menschen von nebenan – wie du und ich." Mit ihrer derzeitigen Politik hätten die demokratischen Parteien Wählerinnen und Wähler vor allem auf Bundesebene verstoßen. Nun gelte es, das Wahlergebnis zu akzeptieren – "ob es uns gefällt oder nicht".
MDR (André Damm, Felix Fahnert), dpa
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 03. Juli 2023 | 08:00 Uhr
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