Das Altpapier am 29. September 2017 Auf Stahlsitzen nach Osnabrück

Die öffentlich-rechtlichen Sender präsentieren, was sie in Zukunft machen und was sie sich sparen wollen. Aus Lokaljournalismus wird Lokal"journalismus". Verklärte Rückblicke auf den Bademantel-Mann. Wie ist das denn nun mit der AfD und den Medien? Außerdem: Langweilige Lammrücken, das wiehernde Gelächter der Andrea Nahles und "Let’s Dance" ist keine Kunst. Ein Altpapier von Juliane Wiedemeier.

Beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel war es einst der Orangensaft, dessen frische Pressung ausgelagert wurde. Bei der Funke Mediengruppe sind es immer wieder Mitarbeiter. Und in Münster (nur zum Beispiel) spart sich die Unternehmensgruppe Aschendorff gleich eine ganze Redaktion, um eine Zeitung herauszugeben. Womit wir zur Frage kommen, auf deren Beantwortung wir uns heute freuen können: Welcher Spartyp sind eigentlich ARD, ZDF und das Deutschlandradio?

Zuerst erfahren wird das heute in Frankfurt bei einer Sondersitzung die Rundfunkkommission der Länder, der die ARD-Vorsitzende Karola Wille sowie ZDF-Intendant Thomas Bellut auf deren Wunsch vorlegen werden, wie sie sich die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland vorstellen und wie viel das wieder kosten soll, also was das mit dem Rundfunkbeitrag macht.

"Es wird für die Anstalten sehr darauf ankommen, die Rundfunkpolitik vom ernsthaften Reformwillen zu überzeugen. Wird dieser gezeigt, dann sollte, so geht die Hoffnung der Intendantinnen und Intendanten, doch eine Erhöhung drin sein. Ein Plus zu erreichen, das wird ganz hartes Brot. Jedem Zuschlag müssen 16 Ministerpräsidenten zustimmen. Vor allem den Regierungschefs in Sachsen und Sachsen-Anhalt sitzt die AfD mit ihren Wahlergebnissen im Nacken",

schreibt dazu Joachim Huber im Tagesspiegel, womit er hoffentlich nicht ernsthaft den politischen Kurs der Union in den kommenden Jahren vorgibt, denn was mit der AfD im Nacken sonst noch so beschlossen zu werden droht, mag ich mir gar nicht vorstellen.

Zudem präsentiert Huber ein paar Ideen, wo und wie gespart werden könnte ("bei Technik und Verwaltung" / "durch eine vermehrte Kooperation zwischen den neun ARD-Anstalten und zwischen allen drei Systemen" / "bei der üppigen betrieblichen Altersversorgung"). Wo darüber hinaus noch Potenzial ist - etwa von Frisch- auf H-Milch umzusteigen oder die Höhlen der Gremiengremlins mit Energiesparlampen auszustatten -, erfahren wir dann im Laufe des Tages.

Was sich die öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch die Verlage schon längst hätten sparen können, steht derweil in Ulrike Simons Spiegel-Daily-Kolumne (btw., wird Ihnen die Zeitung eigentlich auch gerade zum Dumping-Preis von drei Euro/Monat angepriesen, und was halten Sie von meiner kleinen Theorie, dass es nur 300 Abonnenten gibt, und das sind alles Medienjournalisten, die zu kündigen vergaßen? Die Medien-Kolumne steht übrigens seit ein paar Wochen komplett kostenlos im Netz. #justsaying).

Mit vielen Beispielen belegt Simon, auf welches Niveau sich beide Seiten in der Debatte um Veröffentlichungswege und Finanzierungsmodelle begeben, und entwickelt daraus folgende Fragen:

"Teile der Gesellschaft wie Teile der Politik machen vor, wozu es führt, wenn Lautstärke vor Sachlichkeit geht. Wieso tragen Journalisten bis hin zur Führungsspitze von Medienunternehmen dann selbst dazu bei, durch Provokationen, Parteinahmen und falsche Behauptungen die Medienpolitik einerseits und andererseits auch die Leser, Hörer, Zuschauer und Nutzer zu desinformieren statt aufzuklären? Löst das auch nur ein einziges ihrer tatsächlichen Probleme?"

Um nochmal auf die AfD im Nacken zurückzukommen: Sollten alle, die eben keine Nazis sind und sein wollen, nicht besonders sauber, sachlich und unaufgeregt debattieren, um sich eben nicht von dieser Partei vor sich her treiben bzw. aufs Populistenniveau runterziehen zu lassen? Sie ahnen meinen Antwortvorschlag: Ja.

Für spätestens Ende März kommenden Jahres ist eine Entscheidung der Rundfunkkommission über die Reformvorschläge angesetzt. An dieser Stelle werden wir natürlich schon früher wieder davon hören, ich tippe ganz wagemutig auf Montag. Wer nicht solange warten mag, um sich an Rundfunkbeitragsdebatten und Verwaltungssprech zu erfreuen, für den hat Volker Nünning von der Medienkorrespondenz etwas vorbereitet. Nun auch online stehen seine Artikel aus der aktuellen Ausgabe über die beim Bundesverfassungsgericht anstehende Prüfung, "ob die Regelungen zur Erhebung des Rundfunkbeitrags mit dem Grundgesetz vereinbar sind" (Nünning 1) sowie einen ähnlichen Vorgang bezüglich des EU-Rechts durch den Europäischen Gerichtshof (Nünning 2).

Die Zukunft des Lokaljournalismus heißt Copy-Paste

Meanwhile, back at Osnabrück und im deutschen Lokalzeitungsalltag:

"Wir fliegen nach Osnabrück in Niedersachsen. Hier gibt es einen erfolgreichen Verlag, der die 'Neue Osnabrücker Zeitung' herausgibt und am Rande auch eine kostenlose, nur durch Anzeigen finanzierte Zeitung: die 'Osnabrücker Nachrichten'. (…)

Die 'Osnabrücker Nachrichten' sollen nicht mehr so gut sein, wie sie einmal waren. Sie sollen weniger exklusive Texte enthalten, keine politischen Themen. Damit das Angebot der Tageszeitung für Leser vergleichsweise attraktiver ist. Es ist so, als würde die Deutsche Bahn die Sitze in der zweiten Klasse mit Stahlsitzbezügen beschlagen, damit die erste Klasse gebucht wird."

Für den Wirtschaftsteil der FAZ (S. 18, 0,45 Euro bei Blendle) hat sich Jan Grossarth in die Provinz aufgemacht und beschreibt den Alltag des "letzen Reporters", wie über seinen lakonischen, ganzseitigen Notizen steht. Für jeden, der sein Interesse an Medien nicht auf Ericusspitzenblätter beschränkt, bieten die zwar nichts Neues ("Zwei Redakteure, Krause und Limberg, füllen die Seiten der Zeitung mit Texten – in der Regel: copy and paste, eine leichte Bearbeitung, eine Überschrift darüber. Der E-Mail-Eingang ist die Hauptquelle geworden"). Was aber nicht bedeutet, dass man es nicht immer wieder aufschreiben sollte.

The Pimp has left the mansion

Womit wir nun zu einem Herren kommen, der sich auch im hohen Alter gerne noch im roten Bademantel zeigte, und den erst wirtschaftliche Schwierigkeiten seinem Geschäftsmodell den final lukrativen Schliff verpassen ließen:

"Dass der Playboy irgendwann dazu überging, Aktfotografien nicht mehr nur im Heftinnern zu zeigen, sondern auch auf den Titel zu holen, war eine Entscheidung aus der wirtschaftlichen Not heraus. Die Rezession in den 70er Jahren brachte die gesamte Branche der Männermagazine in Schwierigkeiten, Nebengeschäfte des Playboy schrieben sogar rote Zahlen",

meldet die Meedia-Redaktion zum Tod von Hugh Hefner.

Dass er zudem zu den ersten gehörte, die aus der Print-Marke ein Markenimperium errichteten ("during the course of Hefner’s lifetime the Playboy brand expanded to include film and print media products, clothing, fragrances, jewellery and accessories and more, all marked with its distinctive ,bunny’ logo"), steht im britischen Guardian.

Auch bei Wenke Husmann und Zeit Online finden sich anerkennende Worte ("Schon von der zweiten Ausgabe im März 1954 an fand Hefner jenen perfekten eklektischen Mix, mit dem er den Playboy zu einer kulturellen Größe machte (…). Hefner hatte ein ausgezeichnetes Gespür für literarische Texte und dafür, was Männer gerne lesen. Oder anschauen"), im österreichischen Standard formuliert Karl Fluch, dass "der Playboy zwar ein Sexheftl, aber kein Pornoheft war", und dass Horst Müller, drei Jahre Verlagsleiter der deutschen Playboy-Ausgabe, in seinem Blog nur Bunny-Geschichts-Klitterung betreibt, ist eh klar. Aber dass man sich wirklich bis zur taz durchkämpfen muss, um ein etwas distanziertes

"Er hatte in den Fünfzigerjahren die Idee für ein Nacktmagazin, das auf großes Interesse stieß. Nun ist Hugh Hefner im Alter von 91 Jahren gestorben"

zu finden, ist schon verwunderlich.

Denn (Suzanne Moore, der Hefner einst eine Klage androhte, weil sie ihn als "Pimp" bezeichnet hatte; noch einmal der Guardian):

"Now that he’s dead, the disgusting old sleaze in the smoking jacket is being spoken of as some kind of liberator of women. (…) I don’t really know which women were liberated by Hefner’s fantasies. I guess if you aspired to be a living Barbie it was as fabulous as it is to be in Donald Trump’s entourage. (…)

You can dress it up with talk of glamour and bunny ears and fishnets, you can talk about his contribution to gonzo journalism, you can contextualise his drive to free up sex as part of the sexual revolution. But strip it all back and he was a man who bought and sold women to other men. Isn’t that the definition of a pimp? I couldn’t possibly say."

Altpapierkorb (Medien als AfD-Motor, "Let’s Dance", Günter Wallraff, Andrea Nahles lacht)

+++ Den dieswöchigen Dauerbrenner "Haben etwa auch die Medien Schuld an den vielen Wählerstimmen für die AfD?!" hat Buzzfeed Deutschland in der Datenanalyse und betratschen Christian Meier und Stefan Winterbauer in ihrem Medien-Wochen-Podcast bei welt.de, während Lukas Fuhr bei Carta schon nach möglichen Lösungen sucht ("Was also tun? Weniger und mehr. Weniger auf einem Thema rumreiten, mehr andere Nachrichten beachten"). Das "Was bisher geschah" hat Altpapier-Autor Christian Bartels in seiner Zweit-Medienkolumne bei evangelisch.de.

+++ Ab wann ein Lammrücken langweilt, ob er mit einem Auto um die Ecke fahren mag, und natürlich über seine Raab-Nachfolge bei "Schlag den" spricht Steffen Henssler im DWDL-Interview mit Alexander Krei.

+++ "Brauchen Youtube-Angebote, die linear und regelmäßig verbreitet werden, eine Lizenz? Meine Antwort darauf ist Nein." Schreibt in der aktuellen Ausgabe epd medien (derzeit nicht online) Hans Hege, einst Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, um im Folgenden seine Meinung auch zu begründen und nebenher ein paar Gedanken über die Zukunft des Rundfunks in Zeiten des Internets zu formulieren.

+++ "Die europäischen Zeitungsverleger bekommen bei ihrem Streben nach einem Leistungsschutzrecht bemerkenswerte Unterstützung aus den Vereinigten Staaten. (…) Ein Schutz der Verlagsrechte, so schreibt der Präsident der News Media Alliance, David Chavern, sei in den Vereinigten Staaten ebenso vonnöten wie in Europa, und es sei dringend geboten, dass die Europäische Union hier vorangehe", steht heute auf der Medienseite der FAZ, wo es zudem um den neuesten, medialen Red-Bull-Ableger Addendum sowie die "Star Trek"-Serie bei Netflix geht (online steht derzeit mal wieder nix; weiterhelfen kann aber Blendle).

+++ Wenn bei "Let’s Dance" Tänzer tanzen, ist das Leistungssport und keine Kunst und daher die Produktionsfirma nicht KSK-Abgabe-pflichtig, hat gestern das Bundessozialgericht entschieden. Epd und Hamburger Abendblatt haben die ganze Geschichte.

+++ "Immer ein bisschen begeistert von sich selbst, von seinem Elan, von dem, was er noch will, was er noch zu erledigen hat, was er muss" - so porträtiert Hans Hoff heute auf der Medienseite der SZ Günter Wallraff, der am Sonntag 75 Jahre alt wird.

+++ Wie man es einordnen sollte, wenn Andrea Nahles dem Androhen von "in die Fresse Kriegen" ein "wiehernde(s) Gelächter" folgen lässt, erklärt bei Übermedien Boris Rosenkranz.

+++ Während sich Volker Herres gestern schon mal zu "Babylon Berlin"  warmgetwittert hat, wirft Christoph Sterz bei @mediasres die Frage auf, wie legitim die Zusammenarbeit von Öffis und Bezahlfernsehen ist, so wie bei der Serie praktiziert.

+++ "Alles wirkt lange her, aber nicht von gestern. Unser verwirrtes Jetzt spiegelt sich in einem verwirrten Vorgestern." Na, wer hat’s geschrieben? Natürlich Nikolaus von Festenberg im Tagesspiegel über den am Sonntagabend anlaufenden ZDF-Dreiteiler "Maximilian", in dem es wohl um was mit Rittern geht, wenn ich das recht verstehe.

+++ Erst Barbara, dann Joko, nun Lafer: Über neue Magazine, die sich an Prominente hängen, schreibt Gregory Lipinski bei Meedia.

Das nächste Altpapier erscheint am Brückentags-Montag.