Die Geschichte der NPD

05. Januar 2016, 09:30 Uhr

Mit unterschiedlichen Strategien versuchen Rechtsextremisten, in den neuen Ländern Fuß zu fassen. Für die NPD steht ein Aktionsbündnis mit Neonazis im Mittelpunkt.

Sie setzt auf eine dreigeteilte Strategie: den "Kampf um die Parlamente", den "Kampf um die Köpfe" und den "Kampf um die Straße". Während mit Demonstrationen die militanten Kameradschaften an die NPD gebunden werden sollen, markiert der "Kampf um die Parlamente" die bürgerliche Seite der Nationaldemokraten. Das Profil ist klar "national" und "sozialistisch", was sowohl Neonazis wie auch von der Wiedervereinigung frustrierte Wählerschichten ansprechen soll.

Am 28.11.1964 wird die NPD als Sammlungsversuch der zersplitterten rechtsextremen Szene in der BRD gegründet. Fünf Jahre danach sitzt die Partei in sieben Länderparlamenten. Auch die Zahl der Mitglieder wächst von knapp 250 zum Zeitpunkt der Gründung auf 28.000 im Jahr 1969.


Verantwortlich für das Wachstum ist die bundesdeutsche Rezession 1966/1967, erste Anzeichen für die Brüchigkeit der Parole "Wohlstand für alle". Hinzu kommt eine Wertekrise im Zusammenhang mit der auf Reformen drängenden Außenparlamentarischen Opposition (APO) und die große Koalition zwischen SPD und CDU 1966, die einer praktischen Ausschaltung der parlamentarischen Opposition gegen die Regierungspolitik gleichkam. 1969 wird das Jahr des Niedergangs der NPD. Mit 4,3 Prozent scheitert sie bei den Bundestagswahlen, Machtkämpfe und gegenseitige Schuldzuweisungen prägen die Zeit danach. Dazu änderte sich das politische Klima in den alten Ländern.

Seit 1969 setzt die sozialliberale Regierungskoalition auf eine verstärkte Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn. Die CDU/CSU-Opposition begegnet der neuen Entspannungspolitik mit revanchistischen und nationalistischen Untertönen, die sich wenig von denen der NPD unterschieden. Dazu entgegenet sie der Studentenbewegung und dem beginnenden Terrorismus mit Law- und Order-Parolen. Damit ist die NPD ihrer wichtigsten Agitationsthemen beraubt. Die Zahl der Mitglieder fällt bereits 1970 auf 21.000, 1975 auf 10.800 und 1980 auf  8.000. Bis 1994 hat die Partei keine 5.000  Mitglieder mehr.

Am 7. Februar 1998 organisiert die NPD in Passau eine der größten rechtsextremistischen Nachkriegsveranstaltungen in Deutschland. Es ist der sogenannte "1. Tag des Nationalen Widerstandes", der unter dem Motto "Der organisierte Wille bedeutet Macht" abgehalten wird. Für die NPD soll es ein großer Triumph werden. Offiziell öffnet die NPD ihre Arme auch für Terroristen und Hitler-Verehrer. Der Kongress soll den Führungsanspruch der NPD im Nationalen Lager manifestieren und gleichzeitig Abgrenzungsbeschlüsse gegenüber Gewalttätern und Volksverhetzern vergangener Tage vergessen machen. Unter den Besuchern sind die wichtigsten Köpfe des deutschen Neo-Nationalsozialismus wie Friedhelm Busse, Christian Worch, Michael Swierczek, Wolfram Nahrath oder Manfred Roeder.

Erst mit der Stimmungsmache gegen Ausländer und Asylsuchende wird die NPD in den 1990er-Jahren wieder kampagnenfähig. Zu einem ersten signifikanten Wahlerfolg kommt es 2003 in Sachsen. Vorausgegangen ist ein erneuter Wechsel in der Propaganda. Aus der "Ausländer raus!" und "Reichspartei" wird eine nationalistische Kümmerpartei. Die NPD gibt sich den Anstrich als Stimme der Entrechteten. Sozialdemagogie hat die ewiggestrige Propaganda in den ostdeutschen Wahlkämpfen abgelöst. Die Propaganda geht auf. Viele arme Leute scharen sich um die NPD-Stände und hoffen auf eine neue politische Kraft. 2006 schafft es die NPD in Mecklenburg-Vorpommern in das Landesparlament. Die Wahlliste dokumentiert das enge Bündnis der Nationaldemokraten mit Neonazis, die sich auf attraktiven Listenplätzen wiederfinden und heute im Landtag vertreten sind.

Das NPD-Potenzial

Gesamtgesellschaftlich muss diese Entwicklung sehr ernst genommen werden. Insbesondere die Kombination aus Globalisierungskritik und Antikapitalismus mit völkischen Inhalten entspricht nach einer neuen Analyse des Soziologen Richard Stöss (Freie Universität Berlin) dem politischen Anspruchsverhalten vieler Menschen. So waren nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2003 insgesamt 85 Prozent der Rechtsextremisten kapitalismuskritisch und 91 Prozent globalisierungskritisch eingestellt. Umgekehrt verortet Stöss eine rechtsextreme Einstellung bei 30 Prozent der Kapitalismuskritiker, 24 Prozent der Globalisierungskritiker und sogar bei bei 38 Prozent der Antikapitalisten. Damit trifft Stöss zufolge das "NPD-Konzept eines völkisch-nationalistischen Antikapitalismus bzw. Sozialismus (...) exakt die (Protest-) Stimmung ihrer Adressaten". Daraus abgeleitet würden rechtsextremistische Wahlergebnisse künftig davon abhängen, "in welchem Umfang sich rechtsextreme Einstellungen mit kapitalismuskritischem Protest verbinden".

  • Literaturtipp: Richard Stöss, Rechtsextremismus und Kapitalismuskritik, Arbeitshefte aus dem Otto-Stammer-Zentrum, Nr. 9, Berlin Januar 2008.

Wer hat NPD gewählt ?

Signifikante Wahlerfolge erzielt die NPD Anfang des neuen Jahrtausends in den neuen Bundesländern. Mit lautem Sozialprotest und fremdenfeindlichen Sündenbock-Parolen bringt sie es im Jahr 2004 in Sachsen auf 9,4 Prozent, zwei Jahre später in Mecklenburg-Vorpommern auf 7,3 Prozent.

Dass es sich dabei keineswegs um reines Protestwahlverhalten handelt, dokumentiert in beiden Ländern der wiederholte Einzug in die Landtage. Auch wenn die NPD Stimmenverluste hinnehmen muss, erreicht sie trotz einer politischen und medialen Stigmatisierung als "Neonazipartei" in Sachsen im Jahr 2006 5,6 Prozent und 2011 in Mecklenburg Vorpommern 6 Prozent. Insgesamt lassen sich die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen des Wahlerfolges der NPD im Osten nach Auswertung von Prof. Dr. Richard Stöss der "Freien Universität Berlin" in vier Komplexe zusammenfassen:

  • Der gewünschte und bewusst herbeigeführte Systemwechsel vom Sozialismus zum Kapitalismus, vom Stalinismus zur Demokratie war mit seinen konkreten psychischen und sozialen Auswirkungen für das Individuum in dieser Form nicht vorhersehbar.
  • Die Entwicklung der inneren Einheit Deutschlands haben sich die meisten Ostdeutschen völlig anders vorgestellt. Stichwort: Ost-West-Gegensatz.
  • Der soziale Wandel, die technologische Modernisierung und die wirtschaftliche und politische Globalisierung, die alle westlichen Gesellschaften prägen, sind offenkundig zu einer Belastung für die Menschen in den neuen Bundesländern geworden.
  • Die Fortwirkung psychischer Dispositionen und politisch-kultureller Faktoren (Sozialisationsverläufe, Lebenserfahrungen, Lernprozesse, Wertorientierungen, politische Einstellungen und Verhaltensweisen) in der Erfahrungswelt vieler Ostdeutscher sind mit den neuen  politischen Verhältnissen des wiedervereinten Deutschlands nicht vereinbar. Die Folge sind Abwehrreaktionen gegen eine Gesellschaft, die man in dieser Form nicht wollte.

Literaturtipp:

  • Richard Stöss: Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, hrsg.: Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2000, S. 68.

Die rechtsextreme NPD gibt sich als Kümmererpartei

Die NPD musste wie nur wenige rechtsextreme Parteien spüren, wie verstaubt ewig gestrige Parolen eines unter gegangenen Reiches oder ein monologes Wiederkäuen der angeblichen Heldentaten der Hitler-Wehrmacht auf Wähler wirken. Um ihre verfassungsfeindlichen Ziele eines neuen rassistischen Deutschen Reiches zu kaschieren, setzt die NPD seit der Wiedervereinigung in ihren Wahlkämpfen in Ostdeutschland auf soziale Themen. Die Mischung aus Globalisierungsprotest, Kapitalismuskritik und dem Schüren von Sozialneid mit fremdenfeindlichen Ressentiments hat sich in der sächsischen Landtagswahl 2004 bewährt. Im Vergleich zu den vorhergehenden Wahlen im Jahr 2000 legen die Nationaldemokraten 7,8 Prozent zu und werden mit 9,2 Prozent die viertstärkste Kraft im Landtag.

Die NPD im Aufwind

Nach dem Wahlerfolg von Sachsen wollte die NPD die Gunst bei den Wählern nutzen. Überall im Osten organisiert die Partei Veranstaltungen mit der NPD-Prominenz, um an den Erfolg  im Freistaat anzuknüpfen. Die erste Veranstaltung in Stassfurt, Sachsen-Anhalt, am 15. Oktober 2004 ist bis auf den letzten Platz voll. Ordner müssen zusätzliche Stühle besorgen. Die NPD ist mit der Sozialagitation im Erfolgstaumel, der Parteivorsitzende Udo Voigt wird fast wie ein Star empfangen. In seiner Rede fällt die Wahlkampffassade einer sozialverträglichen Kümmerer-Partei. Offen präsentiert Voigt seine NPD als systemfeindliche Alternative zum bestehenden politischen System. Und auch szeneintern spart er nicht an Deutlichkeit. Gegner des neuen NPD-Kurses gehören "ausgemerzt", so die Drohung eines Parteichefs, der Klartext spricht.

Literaturtipp: Richard Stöss: Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, hrsg. Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2000, S. 68