Künstlerische Darstellung der Oberfläche von Saturnmond Titan.
Künstlerische Darstellung der Oberfläche von Saturnmond Titan. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech

Sonnensystem Saturnmond Titan: Gibt es Leben in seiner Atmosphäre und seinen Ozeanen?

07. April 2024, 06:59 Uhr

Titan ist der einzige Mond im Sonnensystem mit einer dichten Atmosphäre. Einige neue Forschungsergebnisse entlocken dem Saturnmond ein paar Geheimnisse. Zwar beherbergt der Trabant einen Ozean, doch könnte dort auch Leben entstehen? Und wie ist der Mond überhaupt aufgebaut?

Porträtfoto von Patrick Klapetz
Bildrechte: privat

Der Saturnmond Titan gehört zu den der Erde ähnlichsten Himmelskörpern in unserem Sonnensystem. Seine reiche geologische Zusammensetzung kennzeichnet sich durch Flusstäler und Methanseen. Überall in der Landschaft gibt es imposante Bergketten und Dünen, die aus dunklen, lockeren und harten Sanden bestehen – geformt durch die Fülle an organischen Molekülen in seiner undurchsichtigen und wolkenverhangenen Atmosphäre. Es ist zudem der einzige Mond in unserer Galaxie mit einer dichten Gashülle.

Diese Hülle und das durchgehend flüssige Wasser unter seiner 170 Kilometer dicken Eiskruste, machen Titan zu einem heißen Anwärter für die Suche nach extraterrestrischem Leben. Mit seinen 5.150 Kilometern Durchmesser ist er zudem der größte Mond des Planeten Saturn und der zweitgrößte natürliche Satellit im gesamten Sonnensystem. Neue Forschungsergebnisse enthüllen einige Geheimnisse dieser mysteriösen Welt.

Die Wanderung durch den Eispanzer

Obwohl es in der Titanatmosphäre viele organische Moleküle gibt, müssten diese erst durch das Eis in die unterirdische Flüssigkeitsschicht gelangen, damit dort biologische Prozesse entstehen könnten.

Anhand von Einschlagskratern hat nun eine Forschungsgruppe untersucht, ob Moleküle diesen Weg zurückgelegt haben könnten. Eine These der Wissenschaftler um Catherine Neish von der University of Western Ontario in Kanada: Kometeneinschläge können das Oberflächeneis zum Schmelzen bringen, wodurch ein Pool mit flüssigem Wasser entsteht. Dieser füllt sich mit organischen Molekülen und da flüssiges Wasser dichter als Eis ist, sinkt es ab.

Aufbau der Oberfläche von Saturnmond Titan.
Aufbau der Oberfläche von Saturnmond Titan. Bildrechte: Nasa, Esa

7,5 Tonnen organisches Material in einem gewaltigen Ozean

Bisher ging die Fachwelt davon aus, dass etwa 65 Prozent der Schmelzablagerungen bis zum Titanozean sinken. Durch die Modellierungen konnte Neishs Forschungsteam aber zeigen, dass die Rate der Einschläge nicht hoch genug ist, um genügend organisches Material in den Titanozean zu bringen.

Demnach erreichen pro Jahr nur etwa 7.500 Kilogramm der einfachsten Aminosäure (Glycin) den Ozean – das entspricht gerade einmal der Masse eines männlichen Afrikanischen Elefanten. Und diese Masse verteilt sich auf einen Ozean, dessen Volumen einem dutzendfachen der terrestrischen Weltmeere entspricht.

Jedoch könnten organische Stoffe aus dem Planeteninneren über (rauchende) Schlote in den Ozean gelangen. Laut der Forschungsgruppe müsste es sich überwiegend um aromatische Verbindungen handeln – und aus denen lassen sich nur schwer Biomoleküle wie Aminosäuren bilden. Titan scheint damit eine unfruchtbare Welt zu sein.

Titan: Die langen Streifen in den oberen Breiten

Der Mond gibt noch weitere Rätsel auf. Eine andere Forschungsgruppe hat die seltsamen, hundertfach vorhandenen Linien an den Polen von Titan untersucht. Es könnte sich entweder um Sanddünen oder Yardangs (Erhebungen, bei denen Erosionen weichen Boden abgetragen haben) handeln.

Beide Phänomene präsentieren sich als lange, gerade Systeme von Kämmen und Tälern. Man kann sie nur schwer voneinander unterscheiden. Dünen entstehen durch die Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre und der Oberfläche, da der Wind die Bewegung loser Körner zu regelmäßigen Formen antreibt. Bei ihnen türmt sich der Sand zu parallelen Hügeln auf, bei Yardangs entstehen die Hügel aus dem Boden heraus.

Yardangs auf der Erde und anderen Planeten sind meist geradliniger als Dünen und erscheinen auf Radarbildern heller. Alle hellen linearen Merkmale auf Titan waren gerader und heller als bekannte Dünen – wonach es sich bei den Titanlinien an den Polen höchstwahrscheinlich um Yardangs handelt. "Vielleicht gibt es auf Titan in den hohen Breitengraden einfach keinen Sand, oder es gibt dort Material, das leichter erodiert", so Jani Radebaugh (Brigham Young University in Utah) bereits 2015.

Die Dünen und Berge auf Titan

Anders sieht es jedoch in der Äquatorgegend aus, erklärt die Forschungsgruppe um Radebaugh auf der 55. Konferenz für Mond- und Planetenforschung (Lunar and Planetary Science Conference) im März 2024. Mit dem Synthetic Aperture Radar (SAR) der Cassini-Raumsonde wurden etwa 60 Prozent der Titanoberfläche am Äquator kartiert und dabei hat man 30.437 einzelne Sanddünen entdeckt – was zehn Prozent der Oberfläche und circa 55 Prozent der Sandmeere auf Titan ausmacht.

Die genaue Zusammensetzung der Dünen bleibt ungeklärt. Dasselbe gilt für die Gebirge, die es überall auf Titan als isolierte Blöcke oder Bergrücken gibt. Welche Auswirkungen sie auf die Dünen, Flüsse und andere geologische Merkmale haben, ist ebenfalls ein Rätsel.

Titans höchster Berg ist 3.121 Meter hoch

Eine weitere Forschungsgruppe (der Jani Radebaugh ebenfalls angehört) hat sich auf die Gebirgsregionen auf dem östlichen zerklüfteten Gelände (Xanadu) und den westlichen Gebirgsgürteln (Mountain Ridge Belts) in der Äquatorialregion konzentriert. Diese Regionen weisen unterschiedliche Merkmale auf, beherbergen dafür aber die höchsten Berggipfel – auch wenn das Grundniveau von Xanadu für Titan-Verhältnisse eher niedrig ist.

Die Höhe der 225 Berggipfeln wurde ebenfalls durch die SAR-Bilder von Cassini bestimmt. Die durchschnittliche Höhe der Berggipfel beträgt etwa 590 Meter, der höchste Gipfel ist 3.121 Meter hoch. Trotz dieser Gebirge ist die Topografie des Titan insgesamt sehr gering. Das Forschungsteam schätzt, dass dies an der Lithosphäre (Erdkruste und der oberste Teil des Erdmantels) aus Wassereis und einem unterirdischen Flüssigwasserozean liegt.

Die schwimmenden Inseln: Titan-Schnee auf Methangewässern

Ein weiteres Phänomen auf Titan sind seine schwimmenden Inseln. Die merkwürdigen glatten Flecke waren immer wieder auf den flüssigen Methan- und Ethan-Ozeanen des Mondes zu sehen – verschwanden aber auch wieder. Ein Forschungsteam hat herausgefunden, dass es sich um Teile poröser, gefrorener organischer Feststoffe handeln muss – welche die Konsistenz von Honigwaben oder Schweizer Käse haben.

Die obere Atmosphäre des Titans enthält viele organische Moleküle, die sich verklumpen, gefrieren und dann auf die Mondoberfläche und in die ruhigen Flüsse und Seen aus Methan und Ethan schneien können. Doch die meisten gefrorenen Feststoffe könnten auf den Seen und Flüssen kaum schwimmen – selbst die, von denen man es eigentlich annehmen würde.

Aufnahmen von dem Saturnmond Titan zwischen 2009 und 2010.
Aufnahmen von dem Saturnmond Titan zwischen 2009 und 2010. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/University of Arizona/University Paris Diderot/IPGP

Eisschollen versinken letztlich doch

Während Wassermoleküle dazu neigen, sich aneinander zu klammern und andere Materialien wegzudrücken, hält sich Methan leicht an anderen Molekülen fest. Die Oberflächenspannung ist auf den Methan-Gewässern entsprechend niedrig. Da der Titan-Schnee bereits mit organischen Molekülen gesättigt sein muss, müsste er untergehen.

Damit die Eisklumpen für eine Weile an der Oberfläche schwimmen, müssen sie groß genug sein und das richtige Verhältnis von Poren und Kapillaren aufweisen. Während der Zeit nimmt das Material Umgebungsbestandteile auf, gewinnt an Dichte und versinkt letztendlich doch. Wenn sich genügend Klumpen in Küstennähe ansammeln, könnten größere Stücke abbrechen und wegschwimmen – ähnlich wie bei Gletschern auf der Erde. 

Nasa plant Erforschung von Saturnmond Titan

Letztendlich lässt sich der Saturnmond Titan nur bedingt mit Teleskopen erforschen. Für die Erforschung müssen Raumsonden und andere -fahrzeuge entsandt werden. Tatsächlich plant die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa für das Jahr 2028 eine solche Mission. Nach seiner mehrjährigen Reise soll die Dragonfly-Raumsonde auf dem Saturnmond landen und die Region Shangri-La mit dem Libellen-artigen Hubschrauber erkunden.

Auch die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA plant mit dem Shensuo-Programm (vormals Interstellar Express gennant) die Erforschung der Heliosphäre und des interstellaren Raums. Dazu gehört eine Raumsonde, die auf unterschiedlichen Flugbahnen an Jupiter vorbeifliegen soll. Sun Zezhou, ein Wissenschaftler der CAST (China Academy of Space Science and Technology), erwähnte jedoch im chinesischen Staatsfernsehen CCTV, dass bei einer der Mission auch Saturn erforscht werden könnte.

Links/Studien

Die nachfolgenden Studien sind chronologisch nach ihrer Erwähnung im Artikel sortiert.

Studie vom 2. Februar 2024 aus der Fachzeitschrift Astrobiology: Organic Input to Titan's Subsurface Ocean Through Impact Cratering (Organischer Beitrag in den unterirdischen Ozean des Titan durch Einschlagskrater).

Morphologies, Morphometries and SAR Brightnesses of Yardangs and Dunes on Earth and Titan (Morphologien, Morphometrien und SAR-Helligkeiten von Yardangs und Dünen auf Erde und Titan).

Global dune lengths and orientations on Titan reveal regional trends between sand seas (Globale Dünenlängen und -ausrichtungen auf Titan lassen regionale Trends zwischen Sandmeeren erkennen).

Distribution and height above base level of mountains on Saturn's moon Titan (Verteilung und Höhe über dem Basisniveau von Bergen auf dem Saturnmond Titan).

Studie vom 4. Januar 2024 aus der Fachzeitschrift Advancing Earth and Space Science – Geophysical Research Letters: The Fate of Simple Organics on Titan's Surface: A Theoretical Perspective (Das Schicksal einfacher organischer Stoffe auf der Titan-Oberfläche: Eine theoretische Perspektive)

Die Nasa-Seite zur Dragonfly-Mission und das Interview zur chinesischen Shensuo-Mission.

Dieses Thema im Programm:
MDR HÖRFUNK | Report 4 | 13. Juni 2023 | 14:54 Uhr

Dieses Thema im Programm: SWR Wissen Technik Fail | 24. Februar 2023 | 15:07 Uhr

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