Sepsis und Covid-19 Was hat eine "Blutvergiftung" mit Corona zu tun?
Hauptinhalt
21. Januar 2021, 11:28 Uhr
Sepsis ist in Deutschland die dritthäufigste Todesursache. Wer sie überlebt, muss sein Leben oft mit dauerhaften Folgeschäden meistern. Ob die auch als Blutvergiftung bekannte Superinfektion auch für Covid-19-Patienten eine Rolle spielt, wird gerade überprüft.
Der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm war seit einer Sepsis 2019 von den Schultern abwärts gelähmt. Nur ein Jahr später, am 23. April 2020, starb der Politiker. Seine Geschichte rückte den Blick auf eine Infektion, an der in Deutschland alle sechs bis sieben Minuten ein Mensch stirbt. Sie ist damit nach Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Doch was macht die Sepsis so gefährlich?
Bei einer Sepsis, läuft eine Infektion aus dem Ruder. Dann ist der gesamte Körper betroffen und es kommt zum Organversagen.
Professor Michael Bauer ist Leiter der Klinik für Intensivmedizin des Uniklinikums Jena. Er relativiert den Begriff "Blutvergiftung". Denn eine Sepsis ist keineswegs eine Vergiftung, sondern eine Überreaktion des Immunsystems.
Ist die körpereigenen Abwehr mit den Keimen überfordert, werden immer mehr Antikörper gebildet, die dann auch die eigenen Zellen und Organe attackieren. Entscheidend für die Heilungschancen ist eine möglichst schnelle Diagnose.
Kinder und ältere Menschen besonders betroffen
Vor allem kleine Kinder unter fünf Jahren und ältere Menschen ab 65 Jahren sind gefährdet, damit passt Norbert Blüm (84) ins Risikoschema. Frank Martin Brunkhorst ist Professor für Klinische Sepsisforschung ebenfalls am Universitätsklinkum in Jena. Er erklärt, dass die Reaktion auf eine lokale Infektion ganz unterschiedlich sein kann:
Bei älteren Menschen ist die Reaktion deutlich ausgeprägter. Sie werden mit der Abwehr der Keime nicht so gut fertig, wie jüngere Patienten. Das trifft auch für das Coronavirus zu. Auch da reagieren Ältere weitaus empfindlicher.
Das Immunsystem ist also in bestimmten Altersgruppen nur eingeschränkt in der Lage, Bakterien und Viren abzuwehren.
Welche Rolle spielt die Sepsis bei Covid-19-Erkrankten?
Covid-19 Patienten sterben unter anderem, weil sie eine Sepsis erleiden. Neben Lungenentzündung und Atemnot wird das als Sterbegrund angeführt. Der Vorsitzende der Deutschen Sepsis-Stifung Konrad Reinhardt sagte dem RND, eine bessere Früherkennung und eine angepasste Behandlung könne den tödlichen Verlauf bei diesem Fällen verhindern. Der starke Bedarf an Intensivbetten und die hohe Sterblichkeitsrate von Covid-Patienten sei vor allem durch Blutvergiftungen bedingt.
Reinhardt beklagte eine weitverbreitete Unwissenheit zum Thema in der Bevölkerung aber auch beim medizinischen Personal. Ein großes Problem sei es, wenn Patienten eine unkomplizierte Covid-19-Erkrankung zuhause auskurieren wollten, und den Übergang der Krankheit in eine Blutvergiftung nicht bemerken würden. Wer Anzeichen wie plötzliches extremes Krankheitsgefühl, Fieber, hohen Puls, Verwirrtheit oder Schüttelfrost bemerke, "sollte auf keinen Fall abwarten und sofort ein Krankenhaus aufsuchen oder den Notarzt rufen", warnte der Experte.