Zellforschung Stress hinterlässt Spuren im Körper
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08. Oktober 2020, 12:53 Uhr
Jeder kennt das: Stress lässt den Puls schneller werden, die Atmung wird intensiver. Der Körper und seine Zellen arbeiten härter und brauchen mehr Sauerstoff. Missbrauch, Misshandlungen oder Vernachlässigung in der Kindheit sind besonderer Stress. Sie hinterlassen auch biologische Spuren in unserem Körper, bis tief in die Zellen hinein.
Professorin Dr. Iris-Tatjana Kolassa, Dr. Alexander Karabatsiakis und Anja Gumpp von der Universität Ulm haben das untersucht. Ihre Hypothese: Hatten Mütter Belastungen in der Kindheit erlitten, steigt der Sauerstoff-Verbrauch ihrer Immunzellen postpartal, also nach der Geburt. Der Sauerstoff-Verbrauch ist ein Maß für die Funktionalität unserer Mitochondrien, der Kraftwerke der Zellen, in denen Energie produziert wird.
Wir haben herausgefunden, dass Mütter, die in ihrer Kindheit Missbrauch und Misshandlungen erlebt haben, tatsächlich postpartal einen höheren Sauerstoffverbrauch haben. Das spricht dafür, dass sie einen höheren Energiebedarf haben und dass es Prozesse im Körper gibt, die mehr Energie brauchen, beispielsweise für zelluläre Reparaturprozesse.
Dieses Ergebnis hatten die Forscher in einer vorangegangen Studie bereits belegt. Jetzt wollten die Forscher wissen: Wenn es bei den Müttern so ist, gilt das auch bei den Kindern? Dazu schauten sie sich Mutter-Kind-Paare an, bei denen die Mütter in ihrer Kindheit Vernachlässigung und Misshandlungen physischer, emotionaler bis hin zu sexueller Art erlebt hatten.
Wie wurde das untersucht?
Die Studienteilnehmer wurden in zwei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe mit negativen Belastungen und eine Gruppe ohne diese Belastungen. Die Blutproben der Mütter wurden innerhalb einer Woche nach einer Geburt getestet und untersucht. Dabei stellten sie erneut fest, dass die Immunzellen eine höhere Verbrauchs-Aktivität zeigten. Nach der Geburt ist der Sauerstoffverbrauch der Zellen bei der Gruppe mit Kindheitsbelastungen höher als bei unbelasteten Frauen. Besonders interessant für Erstautorin Anja Gumpp:
Je mehr negative Kindheitserfahrungen die Mütter in ihrer Kindheit erlebt hatten, desto ausgeprägter waren die biologischen Veränderungen.
Anhand der bereits erhobenen Daten wurden auch die Zellen daraufhin untersucht, ob sich die genetischen Spuren der Belastungen, die bei den Müttern Auswirkungen hinterlassen hatten, auf die Kinder übertrugen. Das Ergebnis war negativ, sowohl auf genetischer als auch auf zellulärer Ebene. Prof. Dr. Iris-Tatjana Kolassa:
Dass wir diesen Effekt nicht gefunden haben, finde ich eigentlich beruhigend. Normalerweise hätte man in der Wissenschaft ja gerne, dass es einen Effekt gibt. Aber dass es den hier nicht gibt, finde ich eine gute Nachricht.
Trotzdem geben sich die die Wissenschaftlerinnen mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden:
Wir müssten auch die Bedeutung dieser Befunde für die Gesundheit belasteter Mütter untersuchen und der Frage nachgehen, ob die Befunde auch während der gesamten Schwangerschaft vorlagen oder nur in der postpartalen Phase, die durch hohe Entzündungsprozesse durch die Geburt gekennzeichnet ist. Aktuell gehen wir davon aus, dass eher letzteres der Fall ist, was ebenfalls eine gute Nachricht wäre.
part am 07.10.2020
In der Epigenetik wird davon ausgegangen das Traumata bei den Müttern sich auch auf nachfolgende Generationen übertragen und nicht nur soziologisch weiter gereicht werden. Einfachstes Bespiel in der Menschwerdung: die angeborene Angst und Abscheu vor Spinnen oder Schlangen oder anderen Kreaturen mit einem entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund, der sich Evolution nennt...