Techniker benutzen ein Laptop während ein Elektrofahrzeug geladen wird.
Ladestationen für E-Autos erzeugen elektromagnetische Felder. Ist das riskant für Menschen mit implantierten Herzschrittmachern oder Defibrillatoren, die sich in der Nähe aufhalten? Bildrechte: IMAGO / Westend61

Elektromobilität Können Hochleistungsladegeräte für E-Autos gefährlich für Herzschrittmacher sein?

19. April 2023, 10:32 Uhr

Neue Ladegeräte für Elektroautos haben bis zu 350 kW Leistung. Ob dadurch Träger von Herzschrittmachern und implantierten Defibrillatoren in Gefahr sind, wurde in einer Studie untersucht. Das Ergebnis klingt beruhigend.

Die Zahl der Menschen mit Herzschrittmachern weltweit wird auf acht bis zwölf Millionen geschätzt. Darüber hinaus erhalten jedes Jahr etwa 150.000 bis 200.000 Patienten einen sogenannten implantierbaren Kardioverter-Defibrillator. Für beide Gruppen von Menschen ist es lebenswichtig, dass die Geräte keine Fehlfunktion haben.

Eine Frau läd ein Elektrofahrzeug in einer Tiefgarage.
Es gibt verschiedene Ladestationen für Elektro-Autos. Neue Hochleistungsstationen nutzen Gleichstrom. Durch Heimladegeräte hingegen fließt Wechselstrom. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Ladegeräte für Elektro-Autos werden aber immer leistungsfähiger. Mittlerweile ist man, um die Ladezeit zu verkürzen, schon bei 350 Kilowatt Leistung angekommen. Und je höher die Leistung, desto stärker ist auch das dadurch entstehende elektromagnetische Feld. Was wiederum zur berechtigten Frage führt, ob Menschen mit einem implantierten Herzgerät dadurch in Gefahr sind.
Aus einer Studie, die heute (17. April) auf dem wissenschaftlichen Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt wurde, geht nun hervor, dass die neuen Hochleistungsladegeräte auch in dieser Hinsicht sicher sind.

Die Studie umfasste 130 Patienten mit einem Herzschrittmacher oder Defibrillator. Das Durchschnittsalter betrug 59 Jahre, 21 Prozent der Probanden waren Frauen. Für die Studie wurden vier öffentlich verfügbare, vollelektrische Autos verwendet, die mit hoher Leistung aufgeladen werden können. Diese Autos können jedoch noch nicht ganz die maximale Ladung von 350 kW aufnehmen. Da es sehr wahrscheinlich ist, dass künftige Elektroautos das aber können, verwendete die Forschungsgruppe auch ein Testfahrzeug, das 350 kW von den Hochleistungsladegeräten abrufen konnte.

Worst-Case-Szenario

Die Herzgeräte der Probanden waren so programmiert, dass die Erkennung elektromagnetischer Störungen optimiert wurde. Die Teilnehmer wurden dann gebeten, jedes Auto anzuschließen und aufzuladen, wobei das Ladekabel direkt über ihrem Herzgerät platziert wurde. "Diese Studie wurde als Worst-Case-Szenario konzipiert, um die Wahrscheinlichkeit elektromagnetischer Störungen zu maximieren", erklärt Studienautor Dr. Carsten Lennerz vom Deutschen Herzzentrum München.

Herzschrittmacher liegen auf einem blauen Untergrund.
Keiner der in der Studie verwendeten Herzschrittmacher und implantierbaren Defibrillatoren hatte in der Nähe von Hochleistungsladegeräten für E-Autos eine Fehlfunktion. Bildrechte: IMAGO / Karsten Eggert

Die implantierten Geräte wurden dann auf etwaige Fehlfunktionen überwacht, zum Beispiel auf das Ausbleiben der Stimulationstherapie oder die fehlerhafte Erkennung von abnormal schnellen Herzrhythmen. Außerdem wurden die Herzgeräte nach dem Aufladen der Autos auf Veränderungen in ihrer Programmierung oder auf Schäden überprüft.
Insgesamt wurden auf diese Art 561 Ladevorgänge durchgeführt, bei denen keinerlei durch elektromagnetische Störungen verursachte unerwünschte Ereignisse beobachtet werden konnten. Es kam weder zu einer Hemmung der Stimulation bei Herzschrittmachern, noch zu einer unangemessenen Erkennung von schnellen Arrhythmien, die bei Patienten mit Defibrillatoren zu einer schmerzhaften Schocktherapie führen könnten.

Keinerlei Störungen

Trotz des Worst-Case-Aufbaus der Studie "fanden wir keine klinisch relevanten elektromagnetischen Störungen und keine Gerätefehlfunktionen bei der Verwendung von Hochleistungsladegeräten", sagt Carsten Lennerz, "was darauf hindeutet, dass ihre Verwendung bei Patienten mit kardiologischen Geräten nicht eingeschränkt werden sollte".

Eine genähte Wunde auf einer Brust.
130 Menschen mit implantiertem Herzschrittmacher oder Defibrillator nahmen an der Studie teil. Bei keinem traten bei den Tests Probleme auf. Bildrechte: IMAGO / Design Pics

Lennerz wies aber auch darauf hin, dass sich die Studie auf neue Ladetechnologien bezog und nicht auf bisher verfügbare Heim-Ladegeräte. Der Unterschied liegt in der Art des Stroms. Die neuen Geräte nutzen Gleichstrom, um eine höhere Leistung erreichen zu können. Heimgeräte funktionieren mit Wechselstrom, der ein anderes Magnetfeld erzeugen kann. Dennoch sagt der Münchner Kardiologe, auch das Aufladen zu Hause sei wahrscheinlich sicher, "wenn man vernünftige Vorsichtsmaßnahmen ergreift, z. B. sich nicht über längere Zeit neben dem Ladekabel aufhält."

Abschließend gibt der Studienautor Entwarnung: "Patienten mit Herzgeräten können beruhigt sein, dass das Laden von Elektroautos mit Hochleistungsladegeräten sicher ist. Das Risiko einer Fehlfunktion von Herzschrittmachern und Defibrillatoren ist in dieser Situation äußerst gering. Auch das Sitzen im Auto oder das Stehen neben dem Ladekabel oder Ladegerät ist sicher."
Zwei Empfehlungen für noch größere Sicherheit lässt er dennoch folgen: Das Ladekabel nicht direkt über dem Herzgerät zu platzieren und, so gut es geht, Abstand zu den Ladeelementen zu wahren.

(rr)

Illustration - Herzschrittmacher 3 min
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3 min

Ein US-Forschungsteam hat einen Herzschrittmacher erfunden, der sich nach einer gewissen Zeit im Körper auflöst und nicht wieder entfernt werden muss. Wie geht das? MDR WISSEN Reporterin Annegret Faber hat nachgefragt.

MDR KULTUR - Das Radio Di 29.06.2021 11:33Uhr 03:00 min

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„Herzpflaster“ in verschiedenen Darreichungsformen 1 min
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Wenn man so was hört, hat man wahrscheinlich so etwas vor Augen:

Do 11.02.2021 10:34Uhr 00:10 min

https://www.mdr.de/wissen/herzpflaster100.html

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Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 21. März 2022 | 17:15 Uhr