Corona-Abstandsregeln Abstand halten, aber richtig
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26. August 2020, 14:44 Uhr
Wie viel Abstand halten zum Schutz vor Covid-19? Während manche Geschäfte 1,5 Meter fordern, heißt es anderswo, zwei Meter seien nötig. Eine neue Studie plädiert für eine differenzierte Betrachtung des Risikos.
Die Abstandsregeln sind eine Erfindung der Corona-Zeit? Völlig falsch: Schon 1897 experimentierte der Leipziger Forscher Carl Flügge, wie sich körperliche Distanz auf die Übertragung von Krankheitserregern auswirkt. Nach weiteren Forschungen setzte sich die Empfehlung von ein bis zwei Metern Abstand durch und wird auch in Zeiten von Sars-CoV-2 wieder eingesetzt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von verschiedenen britischen Forschungseinrichtungen sowie des US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) halten den Ansatz jetzt allerdings für überholt. Sie plädieren dafür, den Abstand an die Begebenheiten des Ortes, also an das Ortsrisiko, anzupassen. Beispiellose Corona-Ausbrüche, wie im Schweinemastbetrieb Tönnies im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück, hätten das gezeigt. Hier seien selbst zwei Meter Abstand zu wenig.
Abstand an den Kontext anpassen
Die Autorinnen und Autoren empfehlen, die Größe des Abstands an den jeweiligen Kontext anzupassen. Ist das Risiko klein, darf der Abstand also auch kleiner sein. Beispiel: Befinden sich Menschen im Windschatten, fliegen die Aerosole nur etwa zwei Meter weit, bevor sie zu Boden gehen. Ist es windig, fliegen die winzigen Partikel aber deutlich weiter. Dann ist mehr Abstand gefragt.
Keuchen und Singen sorgen für weit fliegende Aerosole. Sie können so bis zu acht Meter zurücklegen. Ausbrüche bei Chören, die in geschlossenen Räumen proben, werden darauf zurückgeführt. Wenn Menschen zum Beispiel in Fitnessstudios und beim Sport aus der Puste sind, atmen sie besonders intensiv. Aerosole fliegen dann weiter und das Ansteckungsrisiko steigt.
Wer schreit, muss mehr Abstand halten
Wer spricht, erhöht damit automatisch seinen Aerosol-Ausstoß: Schweigen ist Gold, Schreien ist Corona. Das muss aber nicht bedeuten, dass wir nicht mehr miteinander sprechen sollten. Gründliches Lüften sowie das Tragen einer Maske werden dann einfach noch wichtiger. Auch der direkte physische Kontakt muss eingeschränkt werden.
In Fabriken ist genau das ein Problem: wenig Abstand und gleichzeitig sehr laute Maschinen, sodass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur mit großer Lautstärke unterhalten können.
Draußen und an gut belüfteten Orten ist das Risiko hingegen geringer. Allerdings schränken die Forschenden ein: Ein einfacher Ventilator kann die Aerosole in eine Richtung treiben, sodass sie fast fünf Meter weit fliegen. Auch der Nachbartisch wird dann schnell zur Gefahrenzone.
Abstand ist nicht alles
Auf Distanz zu bleiben reicht häufig nicht aus. Genauso wichtig beurteilen die Forscherinnen und Forscher eine generell hohe Hygiene sowie regelmäßiges Händewaschen. Auch die Auslastung von Räumen sollte nicht zu hoch sein, sodass Abstand gehalten werden kann. Geschlossene Räumlichkeiten brauchen eine ausreichende Belüftung, andernfalls können die ansteckenden Aerosole nicht entweichen.
Entscheidend: Das Tragen einer Maske - ganz egal aus welchem Material - kann wenigstens einige Aerosole zurückhalten. Sie schützt Trägerin oder Träger damit zwar nicht direkt, aber die Mitmenschen. Denn durch die Dunkelziffer der symptomlosen Infizierten ist nicht allen bekannt, dass sie Sars-CoV-2 haben und infektiös sind. Zur Sicherheit also lieber Maske tragen und damit sich selbst und andere Menschen schützen.
Link zur Studie
Die Studie ist unter dem Titel "Two metres or one: what is the evidence for physical distancing in covid-19" erschienen. Neben Forscherinnen und Forschern von verschiedenen britischen Universitäten hat auch eine Wissenschaftlerin des US-amerikanischen MIT mitgearbeitet.