Frau sitzt alleine auf einem Stein im Wald
Wenn wir krank sind, sinkt unser Mitgefühl für andere. Bildrechte: Colourbox.de

Krankheit und Verhalten Wer sich schlecht fühlt, fühlt auch schlecht mit anderen

22. Mai 2024, 10:33 Uhr

Wenn wir krank sind, leidet auch unsere Laune darunter und wir wollen vor allem eins: unsere Ruhe. Dass unser Mitgefühl für andere ebenso sinkt, zeigt jetzt eine neue Studie der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Duisburg-Essen. Die Forschenden haben auch eine mögliche Erklärung dafür, warum das so ist.

Porträtfoto einer Frau mit einer rosa Bluse.
Bildrechte: Stefan Huhn

Schlechte Laune bei Grippe hat einen Namen: Sickness Behaviour. Der Fachbegriff umfasst unser Verhalten, das sich ändert, sobald wir an einer Infektionskrankheit oder an Entzündungen leiden. Wir neigen dann dazu, uns zurückzuziehen und uns von anderen zu entfremden.

Seit 30 Jahren untersuchen Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen Immunreaktion und Verhaltensänderung. Sie fanden heraus, dass sich Immunbotenstoffe wie proinflammatorische Zytokine auf unser zentrales Nervensystem auswirken und so für ein Schonverhalten sorgen, das unserer Erkrankung angemessen ist.

Versuchspersonen bekamen künstliches Krankheitsgefühl

Wie es um unser Mitgefühl für andere steht, wenn wir uns körperlich schlecht fühlen sind, das haben Forschende jetzt in einer neuen Studie genauer betrachtet. Dazu erklärten sich 52 weibliche Probanden für eine Untersuchung bereit.

Einige von Ihnen wurden künstlich in einen Krankheitszustand versetzt. Sie erhielten dafür ein bakterielles Endotoxin, also Bestandteile von Lipopolysacchariden (LPS) der äußeren Zellmembran von Bakterien. Diese lösen eine Reaktion des Immunsystems aus, wie bei einer Infektion. Eine Kontrollgruppe hingegen bekam Kochsalzlösung als Placebo.

Anschließend sollten alle Teilnehmerinnen Bilder betrachten, die Frauen in verschiedenen Situationen zeigten: unter körperlichen oder seelischen Schmerzen oder neutral im Gespräch mit einem Mann.

Vermutlich dient die verringerte Empathie dazu, im Krankheitsfall Energie im Hinblick auf soziales Engagement zu sparen.

Martin Brüne, LWL-Universitätsklinikum Bochum

Wer sich krank fühlt, fühlt seltener mit Schmerzen anderer mit

Das Ergebnis der Untersuchung habe sie überrascht, so Neurologin und Erstautorin der Studie Vera Flasbeck. Während das Mitgefühl für körperlichen Schmerz bei der Gruppe mit Krankheitszeichen und der Placebogruppe weitgehend gleich war, zeigte sich beim Einfühlungsvermögen für psychischen Schmerz ein deutlicher Unterschied. Dieses sank bei den Probandinnen mit künstlich ausgelöster Entzündung deutlich.

"Vermutlich dient die verringerte Empathie dazu, im Krankheitsfall Energie im Hinblick auf soziales Engagement zu sparen", erklärt Martin Brüne von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin am Universitätsklinikum Bochum.

Entzündungen beeinflussen zwischenmenschliche Beziehungen

Die Forschenden sehen in den Ergebnissen ihrer Studie auch eine gesellschaftspolitische Relevanz. Wenn Entzündungen, wie sie bei Infekten vorkommen, nicht nur unsere körperliche Gesundheit beeinflussen, sondern auch unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, stellt sich die Frage: Wie wirkt sich ein allgemeines Krankheitsgefühl beispielsweise auf die Entscheidungsfindung aus, etwa auch in Bezug auf politische Entscheidungen, auch in der Rückschau auf die Pandemie?

Welche Rolle spielen Vertrautheit und Bindung?

Darüber hinaus interessieren sich die Forschenden dafür, wie Bindung und Vertrautheit die Empathie beeinflussen. Sie beziehen sich dabei auf Studien, die zeigen, dass Menschen mit ansteckenden Krankheiten einerseits von anderen gemieden, andererseits aber auch umsorgt würden. "Interessant wäre zu untersuchen, wie Bindung und Vertrautheit die Empathie für Schmerzen beeinflussen."

Links/Studien

Die Studie erschien im Fachmagazin "Brain, Behaviour & Immunity".
Sozialverhalten im Bann des Immunsystems: Diese Studie an Mäusen weist darauf hin, dass sozialer Rückzug mit einer Störung des Immunsystems zusammen hängt.
Wenn dauerhafter Schmerz unser Verhalten beeinflusst: Diese Studie zeigt, wie wichtig Aufklärung der Patienten ist.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 06. Mai 2024 | 17:15 Uhr

5 Kommentare

DER Beobachter vor 1 Wochen

Ausländische Begriffe in Ihrem Kommentar: zelebriert, empathisch, egal, ironisch, Semester, ... Psychologie/Sozialpsychologie ist nun mal auch stark englisch dominiert, weil ohnehin dieses nun die Wissenschaftssprache gerade auch dort: übrigens ureigene historische Ursache unseres Statusverlusts in Wissenschaft und v.a. den Sozialwissenschaften ist die Flucht, Vertreibung resp. Vernichtung unserer herausragenden Köpfe, die eben nach GB und USA gegangen sind. Inhaltlich, wozu Sie sich interessanterweise kaum äußern, bestätigen genau Sie übrigens den Artikel...

D.L. vor 1 Wochen

Das ist nun mal im der Wissenschaft so, dass Studien international publiziert auf Englisch sind - so auch die Einschränkungen.
Zitat:"Die Studie erschien im Fachmagazin "Brain, Behaviour & Immunity"
Isso eben.

Eddi58 vor 1 Wochen

@Maria A.
Verstehendes Lesen ist nicht Ihre Stärke?🤔
Nicht um den Begriff geht es, sondern um die Ursache! Möglicherweise ist Ihr Immunsystem gerade anderweitig beschäftigt…

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