Mikrobiologie Plattwürmer hungern sich jung

26. März 2024, 13:21 Uhr

Plattwürmer sind zwar nicht groß, aber uns Menschen in einigen alten Sehnsüchten voraus: Sie können sich nicht nur regenerieren, sondern bleiben auch ewig jung. Forscher in Jena haben jetzt die Mechanismen dahinter untersucht.

Zwei Fotos von Plattwürmern zu einem Bild montiert: Grün-/Rot-Bräunliche Würmer mit deutlich erkennbaren kleinen Augen, die aussehen, als würden die Tiere schielen. Schwimmend vor unscharfem Hintergrund. 3 min
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Im weitesten Sinne erinnert die kleine Miniwurst an einen Wurm, ja. Denn immerhin lassen sich an einem Ende zwei Pünktchen ausmachen, die dem Planaria genannten Organismus sogar ein richtiges Gesicht geben. Und so tut einem der Anblick schon ein bisschen weh: Links, das wohlgenährte Exemplar und rechts ein etwas ärmlicher Kollege.

Ziemlich gut mit Stammzellen versorgt

Zwei Plattwürmer (grau-braune Würstchen), der eine wohlgenährt, der andere kleiner und dünner. Dazwischen zwei Chromosomen mit eingezeichnenten Telomeren (Schutzkappen auf den Enden der Chromosomen) -- beim wohlgenährten (Normalzustand) mit kürzeren, beim dürren mit längeren Telomeren
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Auch wenn man diesen hungerleidenen Plattwurm fast trösten möchte: Es geht ihm gut. Im Grunde sogar besser als dem dicken Würstchen, zumindest was die Stammzellen betrifft. Von denen haben diese sogenannten Strudelwürmer eine ganze Menge. "Jede fünfte Zelle ist eine Stammzelle, beim Menschen sind das viel weniger", erklärt der Molekularbiologe Daniel Felix vom Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena. Damit besitzen sie Fertigkeiten, die man sonst eher mit der Amphibie Axolotl in Verbindung bringt – ewige Jugend und die Möglichkeit, Körperteile zu regenerieren: "Wenn man von einer Planarie ein Stück abschneidet, regeneriert sich aus dem Stück eine ganze Planarie", sagt Daniel Felix. So etwas wie einen natürlichen Tod gibt es bei Planarien nicht.

Dort, wo die Plattwürmer natürlich verkommen, sind Phasen der Nahrungsknappheit keine Seltenheit. Die Strategie der Würmchen: In Hungerphasen schrumpfen sie, wenn genug Essen da ist, wachsen sie wieder. Die Anzahl an Stammzellen bleibt unverändert. Mehr noch: Der Hungerzustand ist sogar gut für die Stammzellen – er hält sie jung.

Plattwürmer -- mehrere rot-bräunliche Würstchen, die im Wasser schwimmen und beim Bewegen wabern 1 min
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1 min

Tierchen in einem Weiher in München – ein Tier ist etwas länger als 1 cm.

Mo 29.07.2019 16:43Uhr 00:31 min

https://www.mdr.de/wissen/plattwuermer-freie-wildbahn100.html

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Diese Mechanismen hat jetzt ein Forscherteam aus Jena und Madrid unter die Lupe genommen. Um zu verstehen, wie die kleinen Plattwürmer bei ihrer körpereigenen Anti-Aging-Kur vorgehen, muss man sich zunächst den Aufbau eines Chromosomen ansehen. An den Enden befinden sich sogenannte Telomere. Das sind eine Art Schutzkappen, die das Chromosom vor Schädigung schützen oder davor, mit anderen Chromosomen zu verschmelzen. Und auch: "Eine Art Stoppuhr, die der Zelle sagt, wie oft sie sich teilen kann", erklärt Daniel Felix. Wenn sich Zellen teilen, verkürzen sich die Telomere von Chromosomen, die sich in der Zelle befinden. Damit hängen auch Alternsprozesse oder altersbedingte Krankheiten zusammen.

Wenn sich die Würmer im Hungerzustand befinden, reichern sie Stammzellen mit den längsten Telomeren an. Dazu wird ein Signalweg blockiert, der Zellwachstum und Zellteilung kontrolliert. Es lässt sich also feststellen, dass Hungerphasen verjüngend wirken, weil sie sich zum einen positiv auf den Stammzellpool auswirken, zum anderen auf die Länge der Chromosomen-Schutzkappen.

Kann der Mensch ein Plattwurm sein?

Liegt natürlich die Frage nahe, wie das denn so beim Menschen aussieht. "Was man sagen kann ist, dass Fasten eine gute Sache für die Gesundheit ist", sagt Daniel Felix. "Man hat das noch nicht am Menschen untersucht, aber es besteht die Möglichkeit, dass sich beim Menschen durchs Fasten die Stammzellen verjüngen könnten." Auch wiederholte, kurze Hungerperioden könnten förderlich sein.

Eine andere Möglichkeit wäre, die Telomere der Chromosomen künstlich zu verlängern und damit die Stammzellen gewissermaßen frisch zu halten. Eine Methode, wie sie bereits in China erforscht wird. Hierzulande sprechen derzeit aber ethische und gesundheitliche Bedenken dagegen. Bis raus ist, ob Planarien uns den Weg zur ewigen Jugend zeigen werden, können wir zumindest sicher sein: Wenn uns wieder mal ein besonders dürres Geschöpf über den Weg läuft, dann ist's nur grad bei der Verjüngungskur.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 28. Juni 2019 | 12:00 Uhr