Ein Luftbild des Wasserkraftwerk Echthausen.
Wasserkraft ist nachhaltig, hat aber schwerwiegende Auswirkungen auf die Fischbestände. Bildrechte: IMAGO / Hans Blossey

Tod in der Turbine Saubere Wasserkraft ist tödlich für Millionen Fische

01. Februar 2022, 12:54 Uhr

Wasserkraft gilt als weitgehend sauber, nachhaltig und wichtig für die Energiewende. Doch Wasserkraft kann tödlich sein. Jeder fünfte Fisch, so eine neue deutsche Studie, stirbt bei der Passage von Wasserkraftanlagen. Forscher in Magdeburg wollen das ändern.

Dass große technische Anlagen wie Turbinen in Wasserkraftwerken und kleine Fische sich nur schwer vertragen, klingt logisch. Aber wie groß die Gefahr für die Tiere wirklich ist, war bisher nicht bekannt. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat jetzt erstmals Zahlen vorgelegt, die zeigen, wie groß das Problem weltweit ist. Millionen Tiere streben, jeder fünfte Fisch überlebt seinen Kontakt mit einer Wasserkraftanlage nicht, so die Ergebnisse der globalen Betrachtung, die in der Fachzeitschrift "Conservation Biology" veröffentlicht wurde. Durchschnittlich werden an Wasserkraftanlagen 22,3 Prozent der Fische getötet oder weisen nach der Passage schwere, potenziell tödliche Verletzungen auf.

"Die turbinenbedingte Fischsterblichkeit wird zwar schon länger untersucht, aber meist nur an einzelnen Standorten", erklärt IGB-Forscher Dr. Johannes Radinger, Erstautor der Studie. "Unsere Studie liefert nun erstmals eine globale Betrachtung und berücksichtigt dabei unterschiedlichste Fischarten und Turbinentypen. Das macht diesen Datensatz und dessen Auswertung so einzigartig und aussagekräftig." Dieser Datensatz umfasst mehr als 275.000 einzelne Fische aus 75 Arten. Dafür hat das Team Feldversuche an 122 Wasserkraftstandorten unterschiedlicher Größe in 15 Ländern weltweit unternommen.

Welcher Fische sind betroffen?

Lachse, Störe oder Aale, Fischarten mit ausgeprägtem Wanderverhalten, die im Laufe ihres Lebenszyklus' zwischen Flüssen und Meer hin- und herwandern und dabei Turbinen passieren müssen, sind besonders gefährdet. Darüber hinaus Fische, die innerhalb der Flusssysteme lange Strecken zurücklegen, wie etwa Barben oder Nasen, die zu den Karpfenfischen gehören. Je größer der Fisch, desto höher ist in der Regel sein Sterberisiko, so die Forscher. Auch der Turbinentyp spielt eine sehr große Rolle: Langsam drehende Turbinen und Wasserräder sind im Vergleich zu den meisten konventionellen Turbinenarten weniger schädlich.

Man kann nicht jeden Fisch retten, aber viele

Den Goldstandard bilden nach Angaben der Forscher Turbinen, die aufgrund technischer und betrieblicher Konfigurationen die Fischsterblichkeit reduzieren, am besten mit funktionierenden und modernen Fischauf- und Fischabstiegsanlagen, die verhindern, dass die Tiere überhaupt in die Turbinen gelangen. Noch seien solche Anlagen allerdings die absolute Ausnahme. Die Entwicklung fischschonender bzw. die Anpassung herkömmlicher Turbinen sollte deshalb mit standardisierten, kontrollierten Methoden unter realistischen Feldbedingungen evaluiert werden, empfehlen die Forscher.

Forellen mit Sensoren

Roboterfisch in einem trüben Wasserbecken. Ein Mann beobachtet durch eine Glasscheibe. 6 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Genau diese Forschung ist ein Schwerpunkt der Arbeit eines Teams um Dr. Stefan Hoerner an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die Wissenschaftler entwickeln Roboterfische, mit denen Wasserkraftturbinen auf ihre Gefährlichkeit für Fische untersucht werden. Denn dafür werden bisher Versuchstiere genutzt. In einigen Jahren sollen die Robo-Fische einsatzbereit sein. Aber schon jetzt können die Ingenieure die Anzahl der Versuchstiere verringern, so Hoerner, indem sie sie mit Sensoren ausstatten. "Die Sensoren sind daumengroß", so Hoerner, "die Fische können damit ganz gut schwimmen". Forellen wurden damit schon ausgestattet und selbst bei Aalen funktionierte das System. Die Forscher können dann zum Beispiel Druck und Geschwindigkeit messen, während die Tiere durch die Anlage schwimmen und erhalten damit auch wichtige Hinweise, wie die Anlagen verbessert werden können. "Wir versuchen das zu flankieren mit numerischen Methoden,", erklärt Hoerner", und wenn wir das kombinieren, dann reichen eben fünf Fische aus statt 100."

Tierversuche verringern

Es sind aber nicht nur die Schaufelräder, so Hoerner, auch große Fallhöhen oder schnelle Druckveränderungen in den Turbinen sind lebensgefährlich für die Fische. "Diesen Druck nutzen wir aber in den Turbinen, um Energie zu erzeugen", sagt Hoerner. "Das heißt, das ist ein grundsätzliches Problem." Sogenannte Laufwasseranlagen, die mehrere Meter große Durchmesser besitzen und geringe Fallhöhen haben, bieten den Fischen dagegen "sehr gute Chancen, da durchzukommen", so der Ingenieur. Das größte seiner Art in Deutschland ist das Rheinkraftwerk Iffezheim.

Zahlen und Daten zur Wasserkraft Im Jahr 2021 wurden rund 3,4 Prozent des in Deutschland erzeugten Bruttostroms aus Wasserkraft gewonnen – das entspricht 19,7 Terawattstunden Strom. Wasserkraftwerke befinden sich hierzulande überwiegend in Süddeutschland. Bayern ist mit Abstand das Bundesland mit den meist gezählten Wasserkraftwerken. Allein in Europa sind bereits 21.000 Anlagen in Betrieb, 8.500 weitere sind geplant. Im europäischen Vergleich ist Russland, gemessen an der installierten Leistung der Wasserkraftanlagen, das wichtigste Land. Es folgen Norwegen und die Türkei. Quelle: Statista

Hoerner und sein Team untersuchen aber nicht nur bestehende Anlagen, sondern arbeiten schon im Vorfeld mit Herstellern von Pumpen und Turbinen zusammen, um mögliche Gefahren für die Fische zu verringern und vielleicht sogar spätere Tierversuche ganz unnötig zu machen. Dass keine Fische mehr durch Wasserkraft gefährdet werden, das sei allerdings eine Illusion. Denn es kann bei der Interessenabwägung nicht um das individuelle Tierwohl gehen, so Hoerner, auch wenn Tierschutzverbände das sicher anders sehen. "Es geht darum, Artenschutz zu betreiben," erklärt der Forscher. "Es geht um die Frage, wie viele Schäden können wir zulassen, so dass die Fische die Möglichkeit haben, sich zu reproduzieren und zu überleben". Und das ist das Ziel der Magdeburger Forscher: Methoden zu entwickeln, um zu zeigen, wann Arten gefährdet sind. Für die Entwicklung der Roboter-Fische hat das Team gerade neue Forschungsgelder bekommen. Wann die Robos einsetzbar sind, ist aber derzeit noch nicht zu sagen.

Link zur Studie

Radinger, J., van Treeck, R., & Wolter, C. (2022). Evident but context-dependent mortality of fish passing hydroelectric turbines. Conservation Biology

gp

19 Kommentare

part am 01.02.2022

Erinnern möchte ich auch an die vielen Fluss- und Meeresbewohner, die schon kurz hinter den städtischen Kläranlagen ihre Dröhnung an Micro-Plastik verabreicht bekommen, weil eben Rad- Fahren in Plastik-Bekleidung schick ist, der Bekleidungsmarkt sich weltweit von Wolle und Baumwolle sowie Leinen entfernt hat und die großen Handelsketten das einkaufen, was ihnen aus den Billiglohnländern angeboten wird an Chemiefasern. Mit jedem Wasch- und Trockenergang der Bekleidung aus Chemiefasern nimmt der Anteil der Fasern zu die fast ein halbes Jahrhundert brauchen, um sich weiter zu zersetzen. >>Wohl kein Wunder, wenn dann viele Fische den Freitod wählen<<

part am 01.02.2022

Leider wurde das Thema wieder mal nicht richtig verstanden, mit dem Versuch des Kleinredens, denn die Subventionen aus EU und National sind es, die den Atomstrom gegenüber den erneuerbaren Energien alimentieren. Bau, Betrieb, Abbau von Uran, Entsorgung des AKW mitsamt Beton und Metall und der Brennstäbe verursachen mehr Unwirtschaftlichkeit als der kurzfristige Einsatz von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Erneuerbare Energien sind eben nicht nur Solarelemente oder WKA, sondern auch Wasserkraftwerke, die bisher zu wenig zum Einsatz kommen. Der Tidenhub an der Nordsee oder am Atlantik würde ausreichen, um einen großen Bedarf an Energie über 24 h zu decken per Gezeitenkraftwerk. Es liegt also an der Förderung durch die Politik, wer mit Wirkungsgrad und Umweltbelastung zukünftig den Zuschlag bekommt.

goffman am 01.02.2022

Die Grünen wollen die Energiegewinnungsform mit dem geringsten Schaden für Mensch, Umwelt, Tierwelt und Nachwelt. Atomstrom kommt da definitiv nicht infrage (mal ganz abgesehen von den gigantischen Kosten - es ist die teuerste Energieform, die wir haben).