Wiktor Janukowitsch taucht wieder auf

29. November 2016, 12:30 Uhr

Seit dem 25. 11. 2016 sagt der einstige ukrainische Präsident Janukowitsch per Videokonferenz vor einem Kiewer Gericht zum "Fall Maidan" aus. Der 2014 nach Russland geflohene Janukowitsch ist nur als Zeuge geladen.

Lange war es ruhig um den ukrainischen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowitsch gewesen. Gleich nach seiner Flucht nach Russland im Februar 2014, mitten in der entscheidenden Phase der Maidan-Revolution, gab er noch eine große Pressekonferenz im russischen Rostow am Don. Seitdem war Janukowitsch quasi abgetaucht: Während sein Ex-Verbündeter, der ehemalige Ministerpräsident Mykola Asarow, in Moskau das "Komitee zur Rettung der Ukraine" gründete und sich ständig der Öffentlichkeit präsentierte, war über das Leben des mittlerweile 66-jährigen Janukowitsch nur wenig bekannt. Nur so viel: Janukowitsch lebt in Südrussland, sein Sohn Wiktor ertrank im Frühjahr 2015 unter ungeklärten Umständen im Baikalsee. In all den Jahren gab der Ex-Präsident lediglich ein einziges großes Interview, gegenüber der britischen BBC.

Janukowitsch soll vor Gericht aussagen

Doch seit dem 25. November 2016 macht Janukowitsch wieder von sich reden – sowohl in der Ukraine als auch im Ausland. Denn an diesem Tag sollte er per Videokonferenz vor einem Kiewer Stadtbezirksgericht aussagen. Bereits seit anderthalb Jahren wird der so genannte "Fall Maidan" verhandelt: Angeklagt sind fünf Ex-Mitarbeiter der ukrainischen Spezialeinheit Berkut, die laut Staatsanwaltschaft zusammen mit ihren Kollegen und auf direkte Anweisung Janukowitschs hin am 20. Februar 2014 im Kiewer Stadtzentrum 48 Menschen erschossen und weitere 80 Menschen verletzt haben sollen. "Den verbrecherischen Befehl an die Berkut-Mitarbeiter, die Feuerwaffen einzusetzen, gab Janukowitsch höchstpersönlich gegenüber dem damaligen Innenminister Witalij Sachartschenko", heißt es in der Anklageschrift.

Janukowitsch ist nicht Angeklagter, sondern Zeuge

Allerdings soll Janukowitsch, der aus einem Gerichtssaal im russischen Rostow zugeschaltet ist, nicht als Angeklagter, sondern als Zeuge aussagen. Dies hat vor allem mit rechtlichen Besonderheiten des Falls zu tun. Von Anfang an wurde Janukowitsch zusammen mit sechs anderen Ex-Staatsbeamten und 18 weiteren Ex-Mitarbeitern von Berkut als Verdächtiger eingestuft und gesucht. Aus diesem Teil des Falls, der sich um gesuchte Verdächtige dreht, entstand allerdings ein formell separates Verfahren – und so darf Janukowitsch in dem konkreten Fall aus rechtlicher Sicht eben nur als Zeuge auftreten. Bereits im April 2016 haben die Anwälte der angeklagten Berkut-Mitarbeiter das Kiewer Gericht darum gebeten, den Ex-Präsidenten anzuhören. Zu dem Zeitpunkt war das jedoch unmöglich, weil die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft den aktuellen Wohnsitz von Janukowitsch nicht bestätigen konnte.

PR-Veranstaltung für Janukowitsch?

Zwei Jahre lang weigerte sich die russische Generalstaatsanwaltschaft konsequent, auf die Auslieferungsanfragen der ukrainischen Seite zu antworten. Erst auf den sechsten Antrag reagierten die Russen im Juni 2016 mit einer offiziellen Absage wegen des politischen Charakters des Falls, womit Moskau auch den Wohnsitz Janukowitschs bestätigte. Erst dadurch wurde sein Verhör rechtlich möglich, das offizielle Kiew sah jedoch keinen Sinn in einer Schalte per Videokonferenz. "Das wäre eine PR-Veranstaltung", sagte Jurij Luzenko, Generalstaatsanwalt der Ukraine. In Zeiten der Präsidentschaft von Janukowitsch verbrachte Luzenko mehr als zwei Jahre wegen angeblichen Amtsmissbrauchs als Ex-Innenminister im Knast.

"Ich werde alles erzählen, was ich weiß"

Dennoch entschied sich das Gericht in Kiew für die Aussage Janukowitschs, die am 25. November 2016 stattfinden sollte. "Dieses Verhör war meine eigene Idee – und ich werde vor Gericht alles erzählen, was ich weiß", kündigte der ukrainische Ex-Präsident vor dem Termin großspurig an. Doch obwohl die Schalte aus dem russischen Rostow nahezu perfekt funktionierte, musste die Gerichtssitzung trotzdem abgebrochen werden - Aktivisten des ukrainischen nationalistischen "Rechten Sektors" hatten den Transport der Angeklagten in den Kiewer Gerichtssaal blockiert, die Polizei wollte sich in die Ereignisse nicht einmischen. "Wir werden nicht einen Konflikt mit den Demonstranten beginnen, zumal wir ihre Position teilweise teilen", schrieb Innenminister Arsen Awakow auf seiner Facebook-Seite. "Sobald es möglich ist, werden wir die Angeklagten in den Gerichtssaal bringen." Laut ukrainischer Gesetzgebung ist eine Gerichtssitzung ohne die Anwesenheit der Angeklagten nicht zulässig.

Große Bühne für Janukowitsch

Trotz des Scheiterns der Gerichtssitzung bekam Janukowitsch am Freitagabend freilich immer noch eine große Bühne: In Rostow veranstaltete er eine Pressekonferenz, die von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS organisiert wurde.

Janukowitsch weigerte sich dort, wegen des schwebenden Gerichtsverfahrens allzu sehr in die Details zu gehen. Das "könnte der Anklage zusätzliche Vorteile verschaffen", meinte er. Dennoch machte der ukrainische Ex-Präsident einige bemerkenswerte Aussagen. "Mein einziger Fehler war damals gewesen, das ich das Kriegsrecht nicht eingeführt habe, um die Exzesse durch die Radikalen zu beenden“, sagte Janukowitsch. "Das würde ich allerdings aus heutiger Sicht auch nicht tun, weil ich strikt gegen Blutvergießen bin." Außerdem betonte er, die Position des russischen Präsidenten Wladimir Putin verdiene aus seiner Sicht Respekt. "Es ist nicht gut, dass die Krim sich von der Ukraine abspaltete. Jedoch ist es egal, ob ich Putins Position unterstütze – das war seine Entscheidung als Präsident und Patriot."

Zweite Anhörung von Rostow aus

Auch bei seiner erneuten Anhörung am 28. November 2016 beteuerte Janukowitsch von Rostow aus, er habe Blutvergießen um jeden Preis vermeiden wollen. Er sei gegen die Anwendung von Waffen gewesen und habe dafür auch keine Befehle gegeben. Dem ukrainischen Ex-Präsidenten droht weiterhin eine Anklage in dem Fall.