Sanktionen gegen Russland "Kein Problem für die EU-Wirtschaft"

18. Oktober 2016, 11:46 Uhr

"Es wäre gut, wenn wir einen Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen hinbekämen." Wolfgang Büchele, der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, formuliert seine Forderung vorsichtig, doch die Botschaft ist klar: Die deutsche Wirtschaft leide massiv unter den europäischen Sanktionen gegen Russland. Die deutschen Exporte nach Russland seien seit 2012 um mehr als 40 Prozent geschrumpft.

Auch Italien reiht sich ein in die Riege der Sanktions-Kritiker. Den staatlich kontrollierten Energie-Konzern ENI etwa trifft es hart, dass er seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise keine Geschäfte mehr mit Russland machen darf.

Russlands Wirtschaft schwächelt schon lange

Osteuropa

Andreas Umland 4 min
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Die Einigkeit unter den EU-Staaten bröckelt also, wenn es um die Verlängerung der Strafmaßnahmen geht. "Das sind alles politische Argumente", hält Andreas Umland dagegen. Er arbeitet am Kiewer Institut für Euro-Atlantische Kooperation und sagt: "Aus ökonomischer Sicht schaden die Sanktionen Europa nur geringfügig, denn so wichtig ist der russische Markt schon lange nicht mehr." Zahlen sollen Umlands These unterfüttern: Die russische Wirtschaft schwächelt schon seit einigen Jahren. Um 3,7 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt 2015 eingebrochen, denn die russische Wirtschaft hat einen Pferdefuß: Sie ist massiv auf einen hohen Öl-Preis angewiesen. Fällt der wie in den vergangenen Jahren, reißt er Russlands Ökonomie mit in den Abgrund. Und so sei Russland schon lange kein Top-Handelspartner mehr für Europa, argumentiert Umland. Nur etwa vier Prozent der EU-Exporte gehen mittlerweile nach Russland. Andere Länder seien dafür wichtiger geworden. Die USA oder die Schweiz etwa. Die EU habe die Verluste aus dem weggebrochenen Russland-Geschäft also ganz gut wettmachen können, meint Umland und fordert: Die Sanktionen müssen bestehen bleiben, damit kein unverantwortliches Signal an Politiker rund um die Welt gesendet werde, Abspaltungsbewegungen, wie etwa die Annexion der Krim, zu unterstützen.

Ostdeutschen Maschinenbau trifft es hart

Doch Umland gibt zu, dass es einzelne Wirtschaftszweige natürlich unverhältnismäßig hart treffe. Der Maschinenbau in Ostdeutschland etwa ist traditionell sehr eng mit Russland verbunden. Allein der sächsische Maschinenbau ist seit der Verhängung der Sanktionen um 35 Prozent eingebrochen. Eine Zahl, die Firmen wie zum Beispiel "Mikromat" in Dresden vor große Probleme stellt. Fräs- und Schleifmaschinen für Präzisionswerkstücke, das ist das Kerngeschäft von Mikromat. Und weil die theoretisch auch in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden können, stehen Mikromat-Erzeugnisse auf der Sanktionsliste. Sechs Maschinen habe der Betrieb nach eigenen Angaben vor der Ukraine-Krise nach Russland verkauft, heute gerade noch eine. Das Schlimmste, findet Hans-Günter Piegert, Vertriebsleiter bei Mikromat, sei die Tatsache, dass "die aktuell gegenüber Russland verhängten Sanktionen politische keine großartige Wirkung haben. Sie haben eine Wirkung in ganz andere Richtung, nämlich die, dass man sich jetzt in Russland bemüht, die eigene Werkzeugmaschinen-Industrie wieder in Bewegung zu setzen und auf ein neues Niveau zu heben, und damit natürlich unsere Bemühungen, nach Russland zu exportieren, konterkariert."

Russisch-deutscher Handel

GrafikRussisches Bruttoinlandsprodukt 2015 - gesunken um -3,7 %
Der Einbruch des russischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist vor allem auf den gesunkenen Ölpreis zurückzuführen, sagen Ökonomen. Die Sanktionen des Westens machen nur einen kleinen Teil davon aus. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
GrafikRussisches Bruttoinlandsprodukt 2015 - gesunken um -3,7 %
Der Einbruch des russischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist vor allem auf den gesunkenen Ölpreis zurückzuführen, sagen Ökonomen. Die Sanktionen des Westens machen nur einen kleinen Teil davon aus. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Grafik Eu-Warenexporte nach Russland
2012 befanden sich die Warenexporte der EU nach Russland auf einem Höhepunkt, da die russische Wirtschaft florierte.  Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Grafik Eu-Warenexporte
Der Anteil der Warenexporte nach Russland macht nur einen kleinen Teil der EU-Wirtschaft aus. Deswegen seien die Sanktionen für die meisten europäischen Länder verkraftbar, sagen Ökonomen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Grafik Deutsche Warenexporte
Auch der deutsch-russische Handel ist seit 2012 eingebrochen. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft führt das eindeutig auf die Sanktionen zurück. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Grafik Deutsche Warenexporte in die USA
Andere Stimmen sagen, der Handel habe sich nur auf andere Länder verlagert. Die Warenexporte in die USA, dem wichtigsten deutschen Handelspartner, sind zum Beispiel deutlich angestiegen.  Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Sanktionen verlängert

Wirkung hin oder her: Der ostdeutsche Maschinenbau muss wohl trotzdem noch eine Weile durchhalten. Die Sanktionen wurden gerade bis Mitte 2017 verlängert. Und es sind neue im Gespräch.

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Andreas Umland 4 min
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