NÄCHSTE GENERATION Mit Burka Cola trinken: Künstlerin spielt mit islamischen Symbolen

01. Juli 2023, 04:00 Uhr

Ob Kopftuch, Hidschab oder Burka – die muslimische Kultur ist für manchen in Deutschland fremd und sorgt immer wieder für öffentliche Debatten. Die Künstlerin Shaima Dief setzt sich künstlerisch damit auseinander und provoziert mit ihrer Neuinterpretation von Symbolen. So will sie zum Austausch anregen.

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Shaima Dief 5 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Über das Format "Nächste Generation"

In unserem Youtube-Format MDR KULTUR – NÄCHSTE GENERATION stellen wir junge Künstlerinnen und Künstler vor, die unsere Gesellschaft kritisch in den Blick nehmen, Debatten anregen und gleichzeitig Ideen für die Zukunft entwerfen wollen. Jeden zweiten Montag, stellen wir diese Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor – die Themen reichen von der Frage, ob es okay ist, das Elternsein zu bereuen, ob die 40-Stunden-Woche noch angemessen ist, bishin zu Klimaschutzfragen oder Patriotismuskritik.

Eine vollkommen verhüllte Frau hebt ihr Koptuch, um Cola aus einem Strohhalmbecher zu schlürfen, dahinter prangt das gelbe Symbol einer weltweit bekannten Fastfoodkette. Ein weiteres Bild zeigt eine Frau, die ebenso verschleiert in einen Hamburger beißt. Alles gemalt in kräftigen Farben im Popart-Stil.

Diese Serie nennt die 37-jährige Künstlerin Shaima Dief "Daily Life" ("Alltagsleben"). Für sie seien das ganz normale Szenen, die sie in Kairo beobachtet hat. "Aber die Sache ist die: Solche Bilder in Deutschland zu malen und zeigen – ich bin vor allem interessiert, wie die Leute es hier interpretieren und verstehen. Eine Galerie ist da vielleicht ein stabiles Umfeld, um solche Fragen aufzuwerfen. Was vielleicht außerhalb der Galerie, im Alltagsleben, schwieriger zu diskutieren ist."

Superhelden verbergen auch einen Teil ihrer Idendität

Ihrer Ansicht nach ist es merkwürdig, dass Superhelden, die ebenfalls ihre Identität verbergen, indem sie Masken tragen, in der westlichen Kultur gefeiert werden. Wenn eine muslimische Frau sich aber entscheide, sich zu verhüllen, sei das oft inakzeptabel. Denn – zumindest die Frauen, die sich bewusst selbst dafür entscheiden – würden damit auch ihre Persönlichkeit ausdrücken.

Jeder will eine Identität erschaffen und sie (diese Frauen, Anm. d. Red.) zeigen einen Teil ihrer Identität, indem sie das (die Hidschab, Anm. d. Red.) tragen. Das ist wichtig.

Shaima Dief, Künstlerin

"Es ist nur ein Stoff"

"Ich möchte es in einer Weise zeigen, in der darüber gesprochen werden kann und dass es dann vielleicht auch akzeptiert werden kann. Ich kritisiere sie nicht, ich zeige sie in meinen Bildern, weil sie schon jetzt sind wie jede andere Frau. Sie haben ihre eigenen Probleme und Kämpfe, aber auch ein fröhliches, normales Leben. Was uns zum wichtigsten Punkt führt: Es ist nur ein Stoff."

Ich bin interessiert an einer künstlerischen Auseinandersetzung – ich will anfangen zu diskutieren und die (kulturellen, Anm. d. Red.) Lücken schließen.

Shaima Dief, Künstlerin

Dief wurde 1984 in Dubai geboren und ist mit ihrer Familie im Alter von 18 Jahren nach Kairo gezogen – für die junge Frau ein Kulturschock: Die Stadt war voll, laut, emotional aufgeladen. Mit ihrer Kunst begann sie, sich damit auseinanderzusetzen. Was sie besonders faszinierte: Die verschiedenen Seiten der Menschen – beispielsweise die öffentliche Seite der Frauen mit ihren Hidschab und ihre private Seite, ungezwungen, offen im Freundeskreis, wo über Gefühle und Erfahrungen in einem sicheren Umfeld gesprochen werden könne.

Über das Format "Nächste Generation"

Das dokumentarische Format "MDR KULTUR – Nächste Generation" nimmt die Arbeit junger Kulturschaffender aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in den Blick. Die Werke der Künstlerinnen und Künstler wollen Debatten anregen, verschiedene Aspekte unserer Gesellschaft, wie Gleichberechtigung oder Klimakrise, kommentieren und gleichzeitig Ideen für die Zukunft entwerfen.

Feminismus: Altes Ägypten war heutiger Gesellschaft voraus

Auf einem großformatigen Bild, das deutlich größer ist als die Künstlerin selbst, ist eine Gruppe von nackten Frauen zu sehen, die auf einem Bett liegen, manche tragen Masken. Mit diesem Bild reflektiere sie die ägyptische Gesellschaft, sagt sie. Es sei eine Konstellation zwischen engen Freundinnen.

Die Bettkanten sind mit Kühen verziert – ein altes, ägyptisches Symbol für Fruchtbarkeit und die Fähigkeit, neues Leben zur Welt zu bringen und dafür, sich als Mütter untereinander zu bestärken. "Ich glaube, das war ein wichtiges Konzept aus der alten ägyptischen Gesellschaft. Und ich finde es sehr interessant, wie Menschen solche wichtigen Konzepte vergessen können. Heute versuchen Frauen im Namen des Feminismus für diese Rechte zu kämpfen – oder welche modernen Labels sie auch immer dafür wählen, die Idee ist alt und wurde in der alten Kultur sehr geschätzt."

Für ihre Promotion an der Bauhaus-Universität in Weimar kam Shaima Dief nach Deutschland. Ursprünglich wollte sie nur für ein Jahr bleiben, aber dann wurden ihr so viele Möglichkeiten eröffnet: Von Art Residencys bis hin zu Ausstellungen in Galerien, dass sie beschloss, hier zu bleiben. Sie zog schließlich nach Leipzig-Lindenau: "Für mich als Malerin ist das Leben hier sehr erschwinglich. Ich genieße es, mein eigenes Studio zu haben und malen zu können, wann immer ich möchte. Und ich mag auch die Umgebung mit den vielen Galerien. An fast jeder Ecke finde man hier eine Galerie.

Künstlerin wünscht sich offeneren Umgang mit anderen Kulturen

Kunst kann ein Bote sein und die Konversation zwischen Kulturen öffnen.

Shaima Dief, Künstlerin

"Aber ich sage nicht, dass es hier perfekt ist: Der Wille, verschiedene Kulturen zu akzeptieren, fehlt hier. Ich hoffe, meine Bilder können Teil davon sein, eine neue Perspektive zu geben." Sie sei aber dagegen, Dinge zu labeln: "Ich teile ägyptische und islamische Symbole. Sie sind Teil meiner Vergangenheit, aber das heißt nicht, dass ich irgendjemanden dazu zwinge, sie als gegeben hinzunehmen. Ich teile sie mit einem sehr nützlichen, friedvollen Medium: Kunst kann ein Bote sein und die Konversation zwischen Kulturen öffnen."

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