Ein Mann in schwarzer Kleidung steht in einer dunklen Tiefgarage und blickt in die Kamera. Im Hintergrund drei Lampen.
Hält Lo-Fi-Rap ein Gefühl einer Generation fest? Für den Leipziger Rapper Softboy Ivo gibt es das nicht, eine homogene Generation. Bildrechte: Softboy Ivo/Arvid Wünsch

Lo-Fi Rap Rap aus Leipzig: Softboy Ivo verarbeitet Verlust und Sucht auf neuem Album

26. Mai 2023, 04:00 Uhr

Der Leipziger Musiker Softboy Ivo veröffentlicht am 26. Mai sein erstes Soloalbum "Kids auf Nix". Gemeinsam mit dem Produzenten b&dbbb widmet er sich den Themen Trauer, Sucht und "Soft-sein". Beim Studiobesuch erzählt Ivo, für wen er Musik macht, Texte schreibt und rappt – und was ihn antreibt.

Nastassja von der Weiden
Bildrechte: MDR/Markus Geuther

Das Studio im Leipziger Osten ist klein, dunkel; das einzige Fenster ist mit Molton verhangen. Ein trübes, gelblich-künstliches Licht zeigt, mit was der längliche Raum gefüllt ist: Ein ausladender Studio-Schreibtisch bildet das Zentrum, auf dem ein Bildschirm steht; ein Keyboard ist zum Herausziehen unter der Arbeitsplatte verborgen und Kopfhörer liegen und hängen bereit – bereit Tracks abzuhören.

In diesem doch sehr dunklen Raum kann man die Zeit verlieren, sich wirklich auf das Musikmachen konzentrieren – oder an einem kleinen klavierlack-schwarzen Tisch unter einer Lampe seitenweise Texte schreiben.

Ivo dreht seinen Stuhl zur Mitte des Raumes, das Aufnahmegerät blinkt erst hektisch und leuchtet dann rot; es kann losgehen. Wir sitzen dort, wo der 32-Jährige viel Zeit verbringt, selbst bei schönstem Sonnenschein und Seewetter zieht es ihn ins Studio. Beste Voraussetzungen für ein Künstler*innengespräch.

Metallica, Rap-Anfänge und Dorfleben

Die Anfänge: Schon als Kind begreift Ivo, dass Musik für ihn wichtig ist. Plattensammlungen und das Zelebrieren von Musik faszinieren ihn. Ivo spricht dabei von seinem Vater, der abends eine Stunde Metallica hört und zwar ganz bewusst, auf Platte, mit Hingabe, nicht nebenbei.

Dass er das Schreiben und Rappen für sich entdeckte, habe aber auch mit einer "lokalbedingten Langeweile" zu tun, also dem Aufwachsen in einem Dorf, erzählt er. Denn selbst im Dorf gab es Vorbilder, die ihre 16-zeiligen Texte über Musik und Beats rappten und sich damit ausdrückten: "Ein paar ältere Jungs, die sehr cool waren, haben Rap-Musik gemacht. Das wollte ich dann auch machen – auch wenn ich nicht annähernd so cool war wie die", sagt Ivo und lacht.

Zugänglichkeit spielte ebenfalls eine Rolle: "Im Rap ist es relativ niedrigschwellig möglich, ins Schaffen, ins Erschaffen zu kommen. DIY-mäßig funktioniert es, ohne ein Instrument spielen zu können. Ich habe mich dann gefragt: Wohin führt es mich, wenn ich schreibe?", erinnert er sich.

Softboy Ivo spricht offen über seine Sucht nach Alkohol und Drogen

Einige Solo- und Feature-Projekte später steht das neue Album "Kids auf Nix" in den Startlöchern. Dazwischen befand sich Ivo in einer Findungsphase, bezeichnet seine Solo-Releases rückblickend als "kreativ verkrampft": "Ich wollte damals jemand sein, der ich nicht bin. Ich musste dann erstmal herausfinden, ob ich überhaupt noch Musik machen möchte."

Softboy Ivo
Soft-sein, Rap-Texte als Tagebuch, Gefühle fühlen: Softboy Ivo schreibt gegen die eigene Härte an. Bildrechte: Italomisto/Softboy Ivo

Die Lust auf Musik, aufs Schreiben und auf Rap kam im vergangenen Jahr wieder: In einer Phase von Selbstisolation sei die Musik eine Möglichkeit für ihn gewesen, einen Teil von sich sichtbar zu machen, der sonst unausgesprochen geblieben wäre.

2022 entschied Ivo sich, mit dem Alkohol trinken und Drogen konsumieren aufzuhören. Sein "babysobermixtape" erzählt davon, genauer von Trennung, Trauer und Nicht-Konsumieren. Das 23-minütige Mixtape ist in wenigen Tagen in seinem Studio entstanden – und berührt auf eine subtile, softe, aber auch rohe Art und Weise.

Lo-Fi-Hip-Hop und Rap Low Fidelity, auch Lo-Fi oder Lofi, bezeichnet Musik, die mit simplem technischen Equipment aufgenommen wurde oder so klingt, als wäre die Aufnahme mit solchem gemacht worden. Das Antonym dazu ist High Fidelity bzw. Hi-Fi. Lo-Fi-Hip-Hop oder Rap ist ein Subgenre, das um die 2010er-Jahre aufkam.

Neues Album von Leipziger Musiker: "Kids auf Nix"

Sein Lo-Fi-Rap-Album "Kids auf Nix" entstand mit dem Producer Jonny alias b&dbbb aka Ali Whales. Beide sind nicht nur im Rap verbunden, sondern ganz greifbar, konkret inhaltlich: Beide leben abstinent, haben sich viel über Alkohol und Nicht-mehr-Trinken unterhalten. Neben Sucht ist auch Trauer eines der Themen des Albums.

Vor allem die Songs "Winterblues" und "Isegrim" beschäftigen sich mit der Schwere von Verlust und dem Kopfschütteln gegenüber der Absurdität des Lebens: "Menschen, die uns viel bedeuten, sind plötzlich nicht mehr da" – für Ivo ist "Isegrim" noch dazu mit einem besonderen Videodreh verbunden, an den er sich gerne erinnert.

Ein Mann sitzt an einem offenen Autofenster und fährt durch die nächtliche Stadt.
Menschen mit Musik zu berühren, könne man nicht einkalkulieren, sagt der Leipziger Musiker Softboy Ivo über die Wirkmacht seiner Songs. Bildrechte: Softboy Ivo/Arvid Wünsch

Ein Gefühl von Generation wolle er mit seinen Texten jedoch nicht abbilden, das Schreiben und Rappen sei für ihn mehr wie ein Tagebuch führen: "Für mich gibt es keine homogene Generation. Beim Musik-machen geht es in erster Linie um mich und um meine Gefühle, auch wenn das jetzt vielleicht egozentrisch klingt", sagt er.

Wettbewerb um Aufmerksamkeit

Trotzdem, oder gerade deshalb, entstehen gemeinsame Momente mit anderen, mit einem Publikum, mit Hörerinnen und Hörern, die sich gesehen und verstanden fühlen. Die sich anlehnen und einfühlen in das, was Ivo und Jonny transportieren, kreieren und komponieren. Das sei berührend, aber nichts, was man einberechnen könne, sagt Softboy Ivo.

Der Prozess sei viel eher intuitiv, nicht konzeptionell. Im Kampf um Aufmerksamkeit stellt sich Ivo deshalb immer wieder die Frage, ob das, was er tut, überhaupt spannend genug sei, um Menschen zu erreichen.

Dieser Zweifel, diese ungespielte Bescheidenheit passt auch zu seinem Künstlernamen: Softboy. Dieser Begriff, der einen "weichen Jungen" beschreibt, werde oft abwertend benutzt. Ivo möchte "Soft-sein" für sich umdeuten. Er arbeite daran, weicher und nicht mehr so hart zu sich zu sein. Und hiervon erzählt auch seine Musik, sein Flow und "Kids auf Nix".

Infos zum Album Softboy Ivo: "Kids auf Nix"
Erscheint am 26. Mai 2023

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. Mai 2023 | 06:00 Uhr