Holzernte im Thüringer Wald
Bildrechte: imago/VIADATA

Der Redakteur | 18.12.2023 Wieso werden die Wanderwege nach Forstarbeiten nicht wieder repariert?

03. Mai 2024, 05:00 Uhr

Der Borkenkäfer vernichtet ganze Waldstücke. Das Käferholz muss raus, um zu retten, was noch zu retten ist. Auf der Strecke bleiben Waldwege, die dann keine mehr sind.

Es ist ein Riesenproblem. Aus dem Thüringer Wald muss derzeit so viel Holz geholt werden, wie wohl noch nie in der Geschichte. Zumindest gibt es in unseren Statistiken nichts Vergleichbares. Die Waldbesitzer müssen das durch den Borkenkäfer beschädigte Holz aus dem Wald schaffen, erklärt Horst Sproßmann, Sprecher von ThüringenForst.

Sie sind gesetzlich verpflichtet, die von Schadinsekten Bestände zu sanieren.

Horst Sproßmann, Sprecher von ThüringenForst

Zum Wiederherrichten der Wege eigentlich auch. Leider gibt es nicht nur einen Waldbesitzer, sondern viele verschiedene: Neben ThüringenForst sind das kommunale und auch private Waldbesitzer, die dann Betriebe beauftragen, das Holz aus dem Wald zu holen. Die kommen aus ganz Europa und haben verständlicherweise aktuell viel zu tun. Termintreue ist auch nicht jedem gegeben und am Ende rollen die Fahrzeuge mitunter überraschend an und das auch nicht immer auf den Wegen, die eigentlich dafür vorgesehen sind. Es wird zwar abgesperrt, aber selten ausgeschildert und wenn großflächig der Wald leergeräumt wird, gibt’s auch kein Vorbeikommen für Wanderer oder Mountainbiker. Wenigstens eine Information hätte hier schon einigen Ärger erspart, deshalb wird hier aktuell angesetzt.

Waldlandschaft mit hohen und dünnen Bäumen mit wenig Nadeln. Der Boden ist uneben und mit Gras, Moos und einigen umgefallenen Baustämmen bedeckt. Die Erde ist zerfahren - vermutlich von einem großen Arbeitsgerät oder Traktor. Am Bildrand ist ein Fahrrad zu sehen.
Mountainbikerin Caro aus Zella-Mehlis hat bei einem Fahrradausflug zum "ausgebrannten Stein" den Wald so vorgefunden. Bildrechte: Caro aus Zella-Mehlis

Warum werden die Sperrungen nicht kommuniziert?

Da es keine zentrale Stelle gibt, wo die Arbeiten angemeldet und koordiniert werden, wollen Thüringens Wanderwege-Koordinator Simon Büttner und seine Kollegen die einzelnen Forstämter und Waldbesitzer sensibilisieren. Sie sollen in die Lage versetzt werden, die Sperrungen und Einschlagstellen direkt online zu melden. Über das Tourenportal Thüringer Wald und ähnliche Portale würden dann automatisch die Routen als gesperrt gekennzeichnet, die diese Waldabschnitte durchqueren. Damit können nicht nur die Wanderer selbst arbeiten, sondern auch die Hotels und Pensionen.

Wir schulen derzeit nicht nur die Touristiker, sondern auch die Förster, damit diese solche Meldungen dort einstellen können.

Simon Büttner Wanderwege-Koordinator Thüringen

Warum wird der Weg nicht einfach wieder geglättet?

Eigentlich müssen die Waldwege nach den Arbeiten wieder in den Originalzustand versetzt werden. Das kostet natürlich Geld und wenn drei Abzweigungen weiter hinten in den nächsten Wochen der nächste Holzeinschlag ansteht, wird die Sanierung mit guten Argumenten nach hinten geschoben. Nur leider verschieben sich oft auch die Termine für diesen nächsten Holzeinschlag und schon haben wir über Monate eine Situation, die eigentlich nicht zu ertragen ist. Hinzu kommt, dass es mit dem einfachen Abziehen nicht getan ist, weil der Boden oft viel zu nass ist oder gefroren.

Und es gibt noch ein Problem: Es sind eben selten einheimische Firmen, die dort unterwegs sind. Sprachschwierigkeiten oder fehlende Ortskenntnis und sicher auch fehlendes Verständnis für unseren Wald führen dazu, dass andere Wege benutzt werden als vereinbart oder grundsätzlich rücksichtsloser vorgegangen wird, als gedacht. Holzeinschlag ist nichts für die Feinsäge. Und die Arbeiter sind mitunter sehr tief im Wald unterwegs und das Holz wird auch nachts abgefahren, so Horst Sproßmann. Wenn das Dilemma dann entdeckt wird, sind die schweren Fahrzeuge längst über alle Berge und zurück bleiben zumeist ehrenamtliche Wegewarte, die es alleine nicht schaffen können.

Wann hört der Albtraum auf?

Bei allem Ärger dürfen wir die Ursache nicht vergessen. Hätten wir nicht seit 2018 diese klimawandelbedingte Trockenperiode gehabt, dann hätten sich die Fichten gegen den Borkenkäfer wehren können. Denn die Monokultur ist nun einmal gewachsen. Nun gilt es, der Natur wieder Raum zu geben und Horst Sproßmann ist durchaus optimistisch, dass das gelingen wird und dass am Ende ein stabiler Mischwald entsteht, der dem Borgenkäfer auch widersteht. Aktuell haben wir 110.000 Hektar Schadfläche im Thüringer Wald, auf der Hälfte dieser Fläche wächst bereits wieder neuer Wald heran, der gepflegt werden muss. Und die andere Hälfte muss durch aktives Pflanzen begrünt werden, sagen die einen – lass die Natur mal machen, sagen die anderen.

Die Arbeit wird im Thüringer Wald jedenfalls nicht ausgehen in den nächsten Jahren, eher die Arbeiter. Und dass bei den zerstörten Wanderwegen auch solche dabei sind, die wenige Wochen zuvor medienwirksam bei Sekt und Schnittchen eingeweiht wurden, macht die Menschen in den betroffenen Regionen besonders wütend. Doch bei allem Verständnis für die Interessen und Zwänge des jeweils anderen: Von außen sieht es so aus, als ob hier alle mal an einen Tisch sollten und dass dort nicht nur darüber geredet wird, wie man die zerstörten Wege besser kennzeichnen könnte.

Quelle: MDR (lou)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 18. Dezember 2023 | 13:25 Uhr

9 Kommentare

rianna vor 19 Wochen

An die Wanderer. Hier wird vergessen dass es Land und forstwirtschaftliche Wege sind, die denen dienen und keine Wege für Wanderer, ihr dürft sie nur mitbenutzen. Es soll kein Holz genutzt werden, aber jeder möchte am Holztisch sitzen, der das co2 bindet. Wenn wir diesen nachwachsenden Rohstoff nicht nutzen, werden wir Holz importieren müssen. Jetzt muss bereits importiert werden, da Deutschland mehr Holz verbraucht als aus unseren Wäldern nachwächst, oder einfach auf Plastik umsteigen...(scherz)

Foerster vor 19 Wochen

Nun, 200 km weiter südlich musste der Wald auch nicht unter den Reparationshieben der Russen nach dem zweiten Weltkrieg leiden.
Damals wurden gigantische Flächen von den russischen Besatzern kahlgeschlagen.
Diese Flächen wurden dann zu DDR-Zeiten mit Fichtenmonokulturen wieder aufgeforstet, da man möglichst schnell wieder neues Holz brauchte. Mit Laubholz wäre das nicht zu erreichen gewesen, die Fichte wächst deutlich schneller.
Es gibt zwar schnell wachsende Laubbaumarten, die wachsen aber eben nicht auf den sauren, nährstoffarmen Böden des Thüringer Waldes oder des Harzes. Schon gar nicht unter den rauen klimatischen Bedingungen der Höhenlagen.
Die Monokulturen waren also eine aus der Not geborene Lösung. Man war sich sicher auch damals bewusst, dass dieses Vorgehen ökologische und wirtschaftliche Risiken birgt, es fehlt jedoch eine praktikable Lösung.
Genau diese damals gepflanzten Fichten (heute ca. 75 Jahre alt) fallen heute dem Borkenkäfer zum Opfer.

wokl vor 19 Wochen

Für mich als Wanderer und Waldliebhaber ein guter Artikel, der ein wichtiges Anliegen aufgreift. Die Industrialisierung der Forstwirtschaft mit Harvestern, die in langer Zeit gewachsene Bäume in Minuten fällen, entlasten, entrinden, in stapelgerechte Stücke zersägen und damit die anderen Pflanzen und Tiere, die eine Lebensgemeinschaft mit den nun nicht mehr vorhandenen Bäumen aufgebaut hatten, obdachlos machen. Bei dieser Arbeit wird der Boden und vorher intakte Wege dauerhaft schwer verletzt. Man entnimmt dem Wald unnötig Biomasse, zurück bleibt eine Mondlandschaft und die toten, kranken Bäume werden für Ramschpreise verkauft. Der Wert und die Würde des Waldes wird bei dieser Kahlschlag-Wirtschaftsform mit Füßen getreten...