Ein jugendliches Mädchen schaut betroffen von ihrem Smartphone auf. Im Hintergrund sind zwei Mädchen lachend über ein Handy gebeugt. 11 min
Mobbing findet längst auch im Netz statt. Das sogenannte Cybermobbing kann dadurch überall und rund um die Uhr geschehen. Täter und Täterinnen agieren häufig aus der Anonymität heraus. Bildrechte: MDR MEDIEN360G & iStock
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(K)ein Entkommen möglich? Cybermobbing

Cybermobbing

Jederzeit, überall, anonym. Mobbing gibt es schon immer, aber durch digitale Medien sind Opfer den Angriffen ständig ausgesetzt und können kaum entfliehen. Doch auch Cybermobbing kann zur Anzeige gebracht werden.

MEDIEN360G Sa 01.07.2023 12:00Uhr 10:57 min

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Web 2.0 Was ist Cybermobbing?

30. Juni 2023, 15:19 Uhr

Wer verstehen will, welche Ausmaße Cybermobbing für Opfer, aber auch für Täter und Täterinnen annehmen kann, der findet Antworten in dem Extremfall "Drachenlord" um den Ex-Youtuber Rainer Winkler. Jahrelang schikanierten ihn seine Peiniger – erst virtuell, dann in der realen Welt. Bis heute wird er verfolgt.

Mobbing gab es schon immer. Durch das Web und die Sozialen Medien aber hat es längst schon eine erweiterte Dimension erreicht – das sogenannte Cybermobbing. Dabei wird eine Person über einen längeren Zeitraum hinweg beleidigt, bedroht, bloßgestellt oder belästigt. Oft schließen sich dazu mehrere Täter und Täterinnen zusammen. Bei Winkler waren es Tausende. Sie bestellten Pizzen zu seiner Hausadresse oder ließen sogar die Feuerwehr bei ihm anrücken. Die meisten Cybermobbing-Angriffe ereignen sich über Instant-Messenger-Dienste wie WhatsApp und soziale Netzwerke im engeren Sinne, zum Beispiel Facebook. Auch in Chaträumen, Foren und via E-Mail kommt es zu Vorfällen.

Cybermobbing ist ein Phänomen, das sich vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen abspielt. Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing zeigt, dass Schülerinnen und Schüler besonders häufig von Mobbingattacken betroffen sind – 38,1 Prozent. 2020 waren es noch 37,6 Prozent. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.

Eine Tastatur mit einer blauen Taste, auf der eine stilisierte Waage als Gesetzessymbol abgebildet ist.
Mobbing im Internet oder in Sozialen Medien kann zur Anzeige gebracht werden. Im Zusammenhang mit Cybermobbing begehen Täterinnen und Täter teilweise gleich mehrere Straftaten. Bildrechte: PantherMedia /ArtemSam

Nicht zu verwechseln sind Cybermobbing und Hate Speech, zu Deutsch: Hassrede. Obwohl die Grenzen fließend sind, Hatespeech typische Elemente von Cybermobbing enthält, sind davon vor allem Minderheiten oder marginalisierte Menschengruppen betroffen. Das Ziel ist, sie herabzusetzen, sozial zu unterdrücken und zum Schweigen zu bringen, sie aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen. Hate Speech fußt also auf der Intoleranz gegenüber Andersaussehenden und Andersdenkenden. Es geht um Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus oder Homophobie.

"In der realen Welt kann ich davor flüchten."

Dass sich Mobbing zunehmend in die virtuelle Welt verlagert, liegt in der Anonymität des Internets, finden die für die Studie befragten Eltern. Polizeikommissarin Tracy Hering von der Dienststelle Magdeburg bestätigt das. "Man fühlt sich im Internet freier, man kann dort eher Dinge sagen, die man sich in einer Schule oder in einem Verein nicht trauen würde zu sagen", erklärt sie. Den größten Unterschied, den sie zwischen Mobbing in der tatsächlichen Realität und im Internet sieht? "In der realen Welt kann ich davor flüchten." Menschen würden aus verschiedenen Gründen Opfer, so Hering weiter. Religion, Hautfarbe, Status oder einfach, weil man anders aussehe als die große breite Masse – das könnten Gründe sein. Den typischen Cybermobber oder die typische Cybermobberin gebe es nicht. "Je nachdem, was der Anhaltspunkt des Mobbings ist, danach klassifiziert sich auch der Täter", sagt sie.

Zieht man die Studie zurate, gehen die Mobbingmotive überwiegend auf persönliche Differenzen und Konflikte mit den Betroffenen zurück. Es einer bestimmten Person heimzuzahlen, weil man von ihr einst selbst schikaniert wurde, zählt ebenfalls dazu. Das ist eng mit jenem erlernten Verhalten verbunden, wonach Opfer später zu Tätern werden können. Zumindest gaben fast 20 Prozent der Cybermobbing-Tyrannen und -Tyranninnen an, früher einmal Opfer gewesen zu sein. Daraus kann ein Leid entstehen, das sich durch die Gesellschaft zieht.

Oft geht es beim Mobben um Anerkennung, Machtausübung und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, wie die Medienpädagogin Marie-Kristin Hess von der Thüringer Landesmedienanstalt berichtet. Die Opfer litten sehr darunter und zeigten "ganz verschiedene Symptome", reagierten etwa mit Appetit- und Antriebslosigkeit oder Rückzug aus dem sozialen Umfeld. Viele würden außerdem die Freude an angenehmen Erlebnissen verlieren.

Medienfachleute lehren Schutzstrategien

Damit es gar nicht erst so weit kommt, ist Hess mit ihrem Team unterwegs an Schulen und Kitas und arbeitet dort mit Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern an Medienbildungsprojekten. Den Schülerinnen und Schülern zeigt sie drei Wege auf, um mit Mobbing im Netz umzugehen: sich wehren, davor davonlaufen und den Kopf in den Sand stecken. Danach wird zusammen diskutiert, welche Strategie die richtige ist. "Eigentlich ist das eine Mischung aus allen dreien", bemerkt die Pädagogin. Wann immer Workshops und Projekte zum Thema Cybermobbing stattfinden, geht es ganz viel um das Thema Empathie. "In jemand anderen hineinfühlen und darüber nachdenken, was es mit mir machen würde, wenn mir das passiert, kann schon ganz viel bewirken."

Nahaufnahme eines Smartphone-Bildschirms, auf dem ein Chatverlauf zu sehen, in dem ein weinender Emoji verschickt wurde.
JUUUPORT ist eine Beratungsstelle für Jugendliche, die Probleme im Netz haben, zum Beispiel auch bei Cybermobbing. Das Besondere dabei: Die 13- bis 18-jährigen Hilfesuchenden werden hauptsächlich von anderen Jugendlichen beraten. Bildrechte: MDR MEDIEN360G & iStock

Kindern und Jugendlichen sagen wir immer: Überlege, ob du möchtest, dass deine Großeltern sehen können, was du postest.

Marie-Kristin Hess, Thüringer Landesmedienanstalt

Die Polizei hat zwei Lösungen anzubieten: Den präventiven Weg, wo mit dem Opfer gesprochen wird, und den repressiven Weg, der die Tat zur Anzeige bringt. Tracy Hering mahnt zur Vorsicht, nicht zu viele Informationen über sich in den sozialen Medien preiszugeben. "Wenn ich das bedenke, dann habe ich da schon mal einen Vorteil und kann ein bisschen anonym bleiben", meint sie. Selbstreflexion als Mittel der Prävention also. Hess setzt dazu in ihren Seminaren auf die Omas und Opas der Schützlinge: "Kindern und Jugendlichen sagen wir immer: Überlege, ob du möchtest, dass deine Großeltern sehen können, was du postest."

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Mobbing findet längst auch im Netz statt. Das sogenannte Cybermobbing kann dadurch überall und rund um die Uhr geschehen. Täter und Täterinnen agieren häufig aus der Anonymität heraus. Bildrechte: MDR MEDIEN360G & iStock
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Jederzeit, überall, anonym. Mobbing gibt es schon immer, aber durch digitale Medien sind Opfer den Angriffen ständig ausgesetzt und können kaum entfliehen. Doch auch Cybermobbing kann zur Anzeige gebracht werden.

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Nahaufnahme eines Smartphone-Bildschirms, auf dem ein Chatverlauf zu sehen, in dem ein weinender Emoji verschickt wurde.
JUUUPORT ist eine Beratungsstelle für Jugendliche, die Probleme im Netz haben, zum Beispiel auch bei Cybermobbing. Das Besondere dabei: Die 13- bis 18-jährigen Hilfesuchenden werden hauptsächlich von anderen Jugendlichen beraten. Bildrechte: MDR MEDIEN360G & iStock
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