MDRfragt Corona-Proteste: Mehrheit bereitet Spaltung der Gesellschaft Sorgen

17. Januar 2022, 05:00 Uhr

Die Diskussionen um die Impfpflicht und die Proteste dagegen polarisieren - und bereiten vielen Menschen in Mitteldeutschland Sorgen: Ein Großteil befürchtet, dass die aktuellen Entwicklungen negative Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben haben könnten. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen MDRfragt-Befragung, an der sich mehr als 32.500 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligt haben. Die allgemeine Impfpflicht wird von knapp der Hälfte von ihnen befürwortet.

Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, 2Gplus in der Gastronomie: Auch fast zwei Jahre nach Beginn der Pandemie dauern die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus an, denn in Anbetracht der neuen Omikron-Variante werden stark steigende Infektionszahlen befürchtet. Zudem soll in diesem Jahr im Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht diskutiert werden. Viele Menschen drücken ihren Unmut dagegen durch Spaziergänge und Demonstrationen aus. Corona polarisiert - fast zwei Jahre nach Beginn der Pandemie mehr denn je. Dem Großteil der mehr als 32.500 MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, bereitet die aktuelle Entwicklung Sorgen mit Blick auf unser gesellschaftliches Zusammenleben. 84 Prozent fürchten negative Folgen. Lediglich 15 Prozent geht das nicht so.

Sorge vor negativen Auswirkungen
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Jeder Zweite glaubt, Corona spaltet unsere Gesellschaft dauerhaft

Dass Corona unsere Gesellschaft aktuell spaltet, das glaubt die deutliche Mehrheit der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Gut die Hälfte (51 %) geht davon aus, dass dieser Effekt länger oder gar dauerhaft fortbestehen wird. Mehr als ein Drittel (36 %) ist der Meinung, die Spaltung ist nur vorübergehend.

Gesellschaftsspaltung
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Zu diesem Thema haben uns viele Kommentare aus der MDRfragt-Gemeinschaft erreicht:

Die Spaltung ist überall präsent, man traut sich aber auch teilweise nicht darüber zu reden, weil man nicht weiß, wie der Gegenüber dazu steht…

55-jähriger Teilnehmer aus dem Landkreis Sächsische Schweiz - Osterzgebirge

Die Spaltung war schon vorher da. Sie manifestiert sich jetzt am Ereignis Corona.

37-jähriger Teilnehmer aus dem Erzgebirgskreis

Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse gesetzt wird. Sei es nun die Impfung oder z. B. der Klimawandel. Meiner Meinung nach spaltet sich unsere Gesellschaft gerade an einer Achse, bei der Wissenschaft auf der einen Seite steht und unwissenschaftlicher Populismus auf der anderen Seite.

37-jähriger Teilnehmer aus dem Erzgebirgskreis

40 Prozent haben Verständnis für Proteste gegen die Corona-Politik...

40 Prozent, und damit deutlich mehr als ein Drittel der MDRfragt-Teilnehmer, haben angegeben, dass sie Verständnis für die Menschen haben, die derzeit gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. 59 Prozent haben kein Verständnis.

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...obwohl sich kaum jemand selbst an den Protesten beteiligt

Dabei beteiligt sich kaum jemand aus der MDRfragt-Community selbst an den Protesten: 9 von 10 Mitgliedern (89 %) haben angegeben, dass sie bislang selbst noch nie teilgenommen haben. 8 Prozent waren mindestens einmal dabei.

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Die Proteste beschäftigen viele MDRfragt-Mitglieder derzeit. Einige haben uns in ihren Kommentaren geschrieben, warum sie den Demonstrationen in gewisser Weise Verständnis entgegen bringen:

Ohne die Demos werden die Ängste der Menschen nicht wahrgenommen.

65-jährige Teilnehmerin aus Mittelsachsen

Solange friedlich demonstriert wird, habe ich Verständnis. Gewalt, Hass und Aufruhr ist völlig inakzeptabel.

58-jährige Teilnehmerin aus dem Erzgebirgskreis

Andere haben aber auch geschrieben, weshalb sie die Proteste bedenklich finden:

Die Veranstaltungen werden leider derart von Querdenkern und Rechten instrumentalisiert, dass man denen, die berechtigte Einwände und Argumente haben, kein Gehör mehr schenkt.

41-jährige Teilnehmerin aus dem Landkreis Sächsische Schweiz - Osterzgebirge

Der größte Teil der Demonstrierenden geht doch nur auf die Straße, um krakeelen oder randalieren zu können. Wenn es Corona nicht mehr gibt, suchen die sich andere Gründe.

73-jährige Teilnehmerin aus Mittelsachsen

Ich finde diese Demonstration unmöglich und sie machen mir Angst. Das hat nichts mehr mit Demokratie zu tun. Das ist Aufwiegelung der Bevölkerung und gefährlich.

44-jährige Teilnehmerin aus Halle

Knapp die Hälfte für allgemeine Impfpflicht

Nachdem bereits die Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal beschlossen wurde, soll demnächst im Bundestag auch über eine ausgeweitete Impfpflicht diskutiert werden. Für eine allgemeine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren sprechen sich 48 Prozent der MDRfragt-Mitglieder aus, die sich an der Befragung beteiligt haben. Weitere 13 Prozent sind dafür, die Impfpflicht auf zusätzliche Gruppen auszuweiten, also beispielsweise ältere Menschen, Risikopatienten oder weitere Gruppen. 38 Prozent sprechen sich jedoch generell gegen eine ausgeweitete Impfpflicht aus.

Impfpflicht
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In den Kommentaren haben viele geschrieben, weshalb sie die Impfpflicht befürworten:

Impfen ist ein solidarischer Akt. Wer sich impfen lässt tut sich und der Gesellschaft etwas Gutes.

37-jährige Teilnehmerin aus Leipzig

Die oberste staatliche Aufgabe besteht im Schutz der Schwächsten. Im Coronazusammenhang sind dies die Risikogruppen. Der hohe Anteil Ungeimpfter zwingt den Staat zum Ergreifen von Maßnahmen, die große Bevölkerungsgruppen einschränken. So auch mich. Nur durch eine Impfpflicht ist dieses Dilemma aufzulösen.

46-jähriger Teilnehmer aus dem Ilm-Kreis

Kommt man mit einer Freiwilligkeit nicht weiter, muss eine Pflicht her.

47-jähriger Teilnehmer aus dem Landkreis Leipzig

Diejenigen MDRfragt-Mitglieder, die eine ausgeweitete Impfpflicht generell ablehnen, haben wir nach ihren Gründen gefragt. Fast drei Viertel (73 %) haben angegeben, dass sie es als Eingriff in die körperliche Selbstbestimmung sehen und deshalb dagegen sind. Mehr als zwei Drittel (69 %) sind generell für mehr Eigenverantwortung und geringe staatliche Reglementierung. Zudem gaben 60 Prozent an, dass ihrer Meinung nach die Corona-Impfstoffe zu wenig erforscht seien.

Viele MDRfragt-Mitglieder, die eine ausgeweitete Impfpflicht ablehnen, haben uns ebenfalls ihre Meinung geschrieben:

Ich denke nicht, dass hartgesottene Impfgegner sich bei einer Impfplicht impfen lassen. Ich befürchte eher, dass sie sich weiter radikalisieren.

58-jähriger Teilnehmer aus dem Saale-Holzland-Kreis

Eine Impfpflicht ist eine Verletzung der Grundrechte eines jeden Bürgers.

49-jähriger Teilnehmer aus Görlitz

Das ist die individuelle Freiheit eines jeden Menschen, auch, wenn er dadurch andere Personen gefährden könnte. Impfen kann man nicht erzwingen.

58-jähriger Teilnehmer aus Leipzig

Mehr als die Hälfte glaubt nicht, dass wir Corona ohne Impfpflicht in den Griff bekommen

56 Prozent der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer glauben nicht, dass wir Corona auch ohne erweiterete Impfpflicht in den Griff bekommen. 42 Prozent können sich das dagegen schon vorstellen.

Impfpflicht notwendig
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Vor allem diejenigen, die für eine generelle Impfpflicht sind, glauben nicht, dass wir Corona ohne dieses Mittel in den Griff bekommen (93 %). Dagegen sind 91 Prozent derer, die gegen eine ausgeweitete Impfpflicht sind, der Meinung, die Pandemie findet auch ohne generelle Impfpflicht ein Ende.

Richtungsänderung hat bei jedem Zweiten Vertrauen in Politik geschwächt

Lange Zeit hieß es aus der Politik, eine allgemeine Impfpflicht werde es nicht geben. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen könnte sie nun doch kommen. Diese Meinungsänderung in der Politik hat bei mehr als der Hälfte das Vertrauen in die Politik geschwächt (53 %). Bei 46 Prozent ist dies jedoch nicht der Fall.

Vertrauen in Politik geschwächt
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Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal: Ein Viertel will sich trotzdem nicht impfen

Ab dem 15. März gilt bereits für Gesundheits- und Pflegepersonal eine Impfpflicht. Wir haben diejenigen MDRfragt-Mitglieder, die nach eigenen Angaben selbst im medizinischen bzw. pflegerischen Bereich tätig sind oder im vergangenen Jahr waren (das sind rund 4.000 Menschen), danach gefragt, welche Auswirkungen die Impfpflicht auf ihren Job hat:

Beschäftigte im Gesundheitsbereich
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  • Rund ein Viertel (24 %) will sich trotz Impfpflicht in ihrem Berufszweig nicht impfen lassen: Sie gaben an, angesichts der Impfpflicht einen anderen Job suchen zu wollen (9 %) oder es auch ohne Impfung drauf ankommen zu lassen und zu versuchen, in ihrem Beruf zu bleiben (15 %).

  • Allerdings haben rund zwei Drittel (64 %) angegeben, auch ohne Impfpflicht bereits geimpft zu sein.

  • Weitere 6 Prozent wollen sich nun, da es die Impfpflicht gibt, noch impfen lassen.

Einige MDRfragt-Mitglieder, die im Gesundheits- und Pflegepersonal arbeiten, haben uns geschrieben, wie sie über die Impfpflicht in ihrem Berufszweig denken:

Ich betrachte es als absoluten Hohn und als verlogenen gegenüber unserem Berufsstand, wenn man die absolut systemrelevanten Berufe so mit Füßen tritt und ihnen ihre Selbstbestimmung aberkennt!

45-jähriger Teilnehmer aus dem Harz

Es wird wegen der Impfpflicht zu einem ernsten Problem im Gesundheitswesen kommen. Ich stehe deshalb vor dem Ruin, da fast alle meine Mitarbeiterinnen sich nicht impfen lassen werden.

51-jähriger Teilnehmer aus dem Landkreis Sächsische Schweiz - Osterzgebirge

Ich denke, in dem Berufsstand hat man die Pflicht, soziales Gewissen, sich impfen zu lassen. Als Eigenschutz um die Arbeitsleistung zu erhalten und um die anvertrauten Patienten zu schützen.

56-jährige Teilnehmerin aus Görlitz

Über diese Befragung Die Befragung vom 11.01.- 14.01.2022 stand unter der Überschrift:

Impfplicht und Proteste - schreitet die Gesellschaftsspaltung durch Corona voran?

Insgesamt sind bei MDRfragt 49.867 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 14.01.2022, 10 Uhr).

32.559 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen, darunter 3.945 aus dem Gesundheitsbereich.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 651 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 6.243 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 12.665 Teilnehmende
65+: 13.000 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 17.137 (53 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.686 (24 Prozent)
Thüringen: 7.736 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 15.461 (48 Prozent)
Männlich: 17.033 (52 Prozent)
Divers: 65 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 17. Januar 2022 | 22:10 Uhr