Friederike Kaltofen
Bildrechte: Ralf Geißler/MDR

Tschüss Kohle, hallo Zukunft – 2023 Die Pastorin und das gerettete Kohledorf

09. Februar 2023, 05:00 Uhr

In Pödelwitz leben nur 35 Menschen. Und trotzdem ist das kleine Dorf direkt am Tagebau Vereinigtes Schleenhain vielen bekannt. Denn mit dem Kohleausstieg ist der Ort den Kohlebaggern gerade noch von der Schippe gesprungen. Die Mibrag verzichtet auf die Abbaggerung des Dorfes. Nun soll Pödelwitz wieder erblühen. 200.000 Euro an Bundesmitteln konnte Pastorin Friederike Kaltofen auftreiben.

Mit einer historischen Orgel soll sie beginnen, die Wiederauferstehung von Pödelwitz. Friederike Kaltofen sitzt in der Dorfkirche und spielt ein paar Takte auf dem Instrument, das aus dem Jahr 1790 stammt. Es muss restauriert werden. Kaltofen konnte nun 200.000 Euro an Bundesmitteln auftreiben. Eine ordentliche Summe. Im Frühjahr sollen die Arbeiten losgehen.

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Kirche Pödelwitz 12 min
Bildrechte: MDR/Isabel Gruhle

Kaltofen sagt: "Die Orgelfirma Jehmlich aus Dresden wird das übernehmen: Die kommt und baut sich aus, was sie restaurieren muss. Es bleibt nur äußerlich das Gehäuse, das Gerippe stehen. Und das Innere wird quasi wie ausgeweidet, geht dann in die Werkstatt und wird neu gemacht."

Pfarrerin will Pödelwitz wieder aufbauen

Die Restaurierung der Orgel ist ein erster Erfolg für Pödelwitz, in dem jahrelang kaum etwas neu gemacht wurde. Die meisten Häuser stehen leer. Die Mibrag hat sie den Eigentümern einst abgekauft, um an die Kohle zu kommen.

Friederike Kaltofen im Interview
Reporter Ralf Geißler hat Friederike Kaltofen in Pödelwitz getroffen. Bildrechte: MDR / Isabel Gruhle

Nun hofft Kaltofen, dass wieder Leben einzieht. Die Pfarrerin mischt mit im Verein "Pödelwitz hat Zukunft". Der habe viele Ideen. "Solidarische Landwirtschaft ist ein Stichwort. Aber auch, dass Gemeinschaftsdinge etabliert werden wie eine große Werkstatt, wo alle vom Dorf hingehen können.

Energieunabhängig zu sein, ist natürlich auch ein großes Thema. Und auch die Frage, wie man als Dorf zusammenlebt. Ob man hier eine Bäckerei, ein Café, einen Friseur, diese ganzen Geschichten wieder etabliert, dass man nicht nur Wohndorf, Wohnort ist, sondern dass man wieder richtig miteinander lebt als Dorfgemeinschaft."

Ohne Mibrag geht's nicht

Allerdings lässt sich das meiste nur gemeinsam mit der Mibrag umsetzen, weil ihr ja die Häuser gehören. Man könnte sie dem Kohleunternehmen wieder abkaufen. Mit diesem Gedanken haben sich Mitglieder des Vereins "Pödelwitz hat Zukunft" an die Trias-Stiftung gewandt.

Vorstand David Mathée sagt, grundsätzlich fördere die Stiftung solche Ideen: "Wenn Tagebau-Gebiete aufgegeben werden, unterstützen wir  eine zivilgesellschaftliche Entwicklung, in der auch selbstorganisierte gemeinschaftliche Wohnprojekte ihren Platz finden und einen nicht-spekulativen Umgang mit Grund und Boden."

Allerdings, sagt Matthée, kaufe die Stiftung Grundstücke nicht einfach so. Es müsse ein konkretes Konzept geben. Das läge aus Pödelwitz bislang nicht vor. Und dann gibt es noch das Problem, dass die Mibrag gar nicht verkaufen will. Das Unternehmen schreibt dem MDR, die Zukunft von Pödelwitz müsse längerfristig geplant werden. Man strebe ein Gesamtkonzept an.

Matthée erklärt: "Als regional verankertes und verantwortungsbewusstes Unternehmen gehen wir diesen Prozess gemeinsam mit dem Landkreis und den Anrainer-Kommunen an. Da auch Fragen der Raumordnung zu beantworten sind, werden zudem der regionale Planungsverband und die Gebietskörperschaften einbezogen. Es geht hier also nicht um eine kurzfristige und solitäre Entscheidung, die alleine Pödelwitz betrifft."

Friederike Kaltofen mit Audio
2014 trat Friederike Kaltofen (39 Jahre alt) ihre erste Pfarrstelle in der Gemeinde Groitzsch an. Fast genauso lang setzt sie sich für die Zukunft von Pödelwitz ein. Sie träumt von einem ökologisch-sozialen Modelldorf. Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Wie es in Pödelwitz weitergeht

Pfarrerin Kaltofen ärgert diese Antwort. Sie hält sie für Hinhalte-Taktik, befürchtet, dass die Mibrag auf höhere Immobilienpreise spekuliert, um dann ein seelenloses Dorf mit Ferienwohnungen am künftigen Tagebausee daraus zu machen.

Für Kaltofen ist klar: "So kann es nicht sein. Das kann nicht das letzte Wort sein. Die Häuser brauchen hier irgendwann wieder Menschen, die drin wohnen. Die müssen gemacht werden, aufgebarbeitet werden. Je weiter sie stehen, desto weiter verfallen sie auch. Das ist das große Problem."

Die rund 35 verbliebenen Bewohner im Ort sehen das ähnlich. Vorerst bleibt aber nur die Sanierung ihrer Kirche. Nach der Orgel soll es mit dem Kirchenraum weitergehen.

Nachrichten

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 09. Februar 2023 | 06:05 Uhr

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