Asylsuchende warten vor einer gelben Markierung im Warteraum auf ihre Wartenummer in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung des Landes Berlin fuer Asylbewerber, ZAA, in Berlin Tiergarten. -
Asylbewerber erhalten bislang Bargeld, um sich mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Bildrechte: IMAGO / IPON

Vorstoß Sachsen will Chipkarten für Asylbewerber einführen

11. Oktober 2023, 18:30 Uhr

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen sucht Sachsen Wege, die Zuwanderung zu begrenzen. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz in dieser Woche will sich der Freistaat für die Einführung von Chipkarten stark machen. Damit sollen Anreize für Flüchtlinge wegfallen, nach Deutschland zu kommen. Notfalls will Sachsen die Einführung der bargeldlosen Zahlungen allein angehen.

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Sachsen will kein Bargeld mehr an Asylbewerber auszahlen. Die Staatskanzlei teilte mit, sie wolle sich auf der Ministerpräsidentenkonferenz in dieser Woche für eine bundesweit einheitliche Regel stark machen, Chipkarten für Asylbewerber einzuführen. Mit der Karte könnte nur in bestimmten Geschäften eingekauft werden, sagte der Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU) in Dresden. Abgedeckt würden Waren des täglichen Bedarfs.

Staatskanzleichef Schenk: Notfalls Alleingang von Sachsen

Vertreter der Kommunen hätten sich am Dienstag in einem Gespräch für eine Umstellung des Systems ausgesprochen, so Schenk. Auch mit den Sparkassen würden schon Gespräche geführt. Man gehe davon aus, dass die bisherige Auszahlung von Bargeld ein Anreiz sei, nach Deutschland zu kommen. Sachsen setze sich für eine bundeseinheitliche Lösung ein, sagte Schenk. Falls diese nicht zustande kommt, würde der Freistaat die Chipkarten landesweit einführen.

Kretschmer: "Jedes Instrument nutzen"

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bekräftigte bei einem Besuch der Bundespolizei am Mittwoch in Görlitz die Forderung nach einer bargeldlosen Zahlung. "Man kann über Sachleistung reden und über Chipkarten reden. Wir müssen es nur tun." Sachsen und andere Bundesländer hätten seit mehr als einem halben Jahr in intensiven Gesprächen mit der Bundesregierung versucht, dieses Thema zu adressieren - allerdings ohne Erfolg. Insgesamt müsse es darum gehen, die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, zu reduzieren. "Jedes Instrument, was wir dafür haben, müssen wir nutzen." Die Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber ist mit den Koalitionspartnern von SPD und Grünen bisher nicht abgesprochen.

Sozialministerin Köpping: "Kein Flickenteppich bei Asylleistungen"

Sozialministerin Petra Köpping (SPD) äußerte sich zurückhaltend zu dem Vorstoß des Koalitionspartner. "In der Migrationspolitik brauchen wir neue Ansätze. Stückwerk hilft nicht", teilte die Ministerin auf Anfrage von MDR SACHSEN mit. Sie stehe konstruktiven Gesprächen offen gegenüber. "Wir müssen aber auch prüfen, ob die Einführung einer Chipkarte überhaupt sinnvoll ist und sich dafür eignet, die Zahl der Geflüchteten zu reduzieren."

Wichtig sei auch, dass die Sicht der Kommunen auf die Umsetzung berücksichtigt werde. "Es dürfen keine neuen Kosten und neue Belastungen in den Verwaltungen entstehen," so Köpping. Wenn eine solche Chipkarte für Asylbewerber eingeführt werden solle, dann nur bundesweit. "Es darf keinen Flickenteppich bei Asylleistungen geben."

Sachleistungen und "Taschengeld" in Sachsen für Asylbewerber

Sachsen unterscheidet wie andere Bundesländer zwischen Leistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf (Verkehr, Telekommunikation, Freizeit), auch "Taschengeld" genannt, und dem notwendigen Bedarf für Verpflegung, Kleidung, Gesundheitspflege etc.. Ist ein alleinstehender erwachsener Asylsuchender in einer Aufnahmeeinrichtung des Freistaats untergebracht, erhält er nach Angaben des Sozialministeriums Sachsen seit 1.1. dieses Jahres als "Taschengeld" 182 Euro im Monat, ein Jugendlicher 124 Euro, für kleinere Kinder bis fünf Jahre werden 117 Euro gezahlt. Der notwendige Bedarf wird hier vollständig durch Sachleistungen gewährt.

Leben erwachsene Asylbewerber in einem gemeinsamen Haushalt, erhalten sie jeweils 164 Euro "Taschengeld" sowie 205 Euro für Essen, Verbrauchsgüter und Gesundheitspflege, also insgesamt 369 Euro im Monat. Für ein Kind zwischen 6 und 13 Jahren werden insgesamt 304 Euro gezahlt.

Versorgung von Migranten in Deutschland (zum Aufklappen)

In Deutschland haben Asylbewerber und unter anderem Menschen mit einer befristeten Duldung Anspruch auf ein Dach über dem Kopf sowie Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern. Statt solcher Sachleistungen sind teils auch Wertgutscheine oder Geldleistungen vorgesehen. Die Sätze liegen dabei zwischen 278 Euro für Kinder bis 5 Jahren und 410 Euro für erwachsende Alleinstehende oder Alleinerziehende. Nach 18 Monaten steigen die Sätze ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe. (Quelle: dpa)

Bundesländer können selbst entscheiden

Auch andere Bundesländer hatten sich für eine Umstellung von Bargeldzahlungen auf Chipkarten ausgesprochen, darunter Sachsen-Anhalt. Kommunen und Landkreise drängen seit längerer Zeit auf eine Lösung. Mit der Umstellung von Bargeld auf eine Bezahlkarte soll auch verhindert werden, dass Geld ins Ausland abfließt. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte vergangenen Monat, er habe nichts dagegen, Asylbewerbern Gutscheine anstelle von Bargeld zu geben. "Wir haben die gesetzliche Möglichkeit dazu geschaffen", sagte der SPD-Politiker dem SWR. Die Bundesländer könnten dies ausprobieren, hätten es bislang aber nicht getan. Die Ministerpräsidenten der Länder tagen von Mittwoch bis Freitag in Frankfurt am Main.

MDR (kbe/kah)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 11. Oktober 2023 | 10:00 Uhr

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