Gewalt unter Jugendlichen Nach Prügelattacke auf 15-Jährigen in Flöha: Racheakt gegen mutmaßlichen Täter?
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07. Oktober 2023, 09:00 Uhr
In der kleinen Gemeinde Niederwiesa bei Chemnitz herrscht Unruhe und Aufregung. Es geht um einen Fall von Gewalt - und um mutmaßliche Selbstjustiz. Auslöser soll ein Streit unter Jugendlichen gewesen sein. Passiert ist das Ganze im Bahnhof in Flöha.
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- Nachdem ein Jugendlicher einen Gleichaltrigen in Flöha blutig geschlagen hat, ist wohl ein Racheakt gegen den mutmaßlichen Täter verübt worden.
- Die Schule schwänzt der 14-Jährige seit mehreren Monaten und zeigte sich zuvor im Unterricht verhaltensauffällig.
- Obwohl der jugendliche Tatverdächtige wegen mehrerer Vergehen bekannt ist, reicht das laut Polizei für eine Untersuchungshaft nicht aus.
Im Vergleich zur Großstadt Chemnitz wirkt das nur wenige Kilometer entfernte Niederwiesa mit seinen 4.700 Einwohnern beschaulich. Doch in der Gemeinde herrscht Aufregung und Unruhe wegen eines Gewaltdelikts. Ein 15 Jahre alter Jugendlicher war am Montag vergangener Woche von einem Trio Gleichaltriger am Bahnhof Flöha bedroht und blutig geschlagen worden.
Das Ganze wurde gefilmt. Das Video landete im Netz. Als mutmaßlichen Haupttäter hat die Polizei einen 14 Jahre alten Jungen irakischer Abstammung ermittelt.
Gegen diesen wurde nun möglicherweise ein Racheakt verübt. Wie die Polizei der "Freien Presse" mitteilte, sollen Unbekannte in der Nacht zum Sonntag eine Eisenstange durch ein Fenster des Hauses geschlagen haben, in dem der junge Iraker lebt.
In Bahnunterführung zusammengeschlagen
Der Polizei zufolge soll der 14-Jährige zusammen mit zwei weiteren Jugendlichen vor anderthalb Wochen den 15-Jährigen aufgefordert haben, ihnen in eine Bahnunterführung am Bahnhof Flöha zu folgen. Dort habe der 14-Jährige den 15-Jährigen mehrfach geschlagen und - wie im Video zu sehen - seinen Kopf ins Gesicht des Opfers gedrückt.
Einer der mutmaßlichen Mittäter soll dem Schüler mit einer glimmenden Zigarette Brandwunden zugefügt haben. Das Trio habe flüchten können. Der 14 Jahre alte Hauptverdächtige wurde später gefasst. Die beiden Mittäter werden noch gesucht.
Zweiter Tatverdächtiger ermittelt
Inzwischen ist es den Beamten gelungen, einen zweiten Tatverdächtigen zu ermitteln. Wie die "Freie Presse" schreibt, gibt die Polizei jedoch keine weiteren Informationen zum Stand der Ermittlungen preis und beruft sich auf laufende Untersuchungen. Demnach betrifft das auch Informationen zu einer möglichen Vorgeschichte der gefährlichen Körperverletzung.
14-Jähriger ist polizeibekannt
Der mutmaßliche Haupttäter ist bei Polizei und Staatsanwaltschaft schon durch andere Vorfälle bekannt. Er lebe seit 2016 mit seiner Mutter und drei Geschwistern in Niederwiesa, sagte der Bürgermeister der Gemeinde, Raik Schubert, auf Anfrage von MDR SACHSEN. Der Vater habe sich von der Mutter getrennt.
Der Jugendliche ist aufgefallen, insbesondere auch durch Hinweise durch die Oberschule, wo er verhaltensauffällig gewesen ist.
In Niederwiesa besuche der Jugendliche die Oberschule. Doch seit Mai dieses Jahres schwänzt der 14-Jährige Schubert zufolge die Schule. "Der Jugendliche ist aufgefallen, insbesondere auch durch Hinweise durch die Oberschule, wo er verhaltensauffällig gewesen ist", erklärte der Bürgermeister. Dabei habe es jedoch keine Regelverstöße gegeben, die ein Einschreiten veranlasst hätten, so Schubert.
Andererseits: "Es war abzusehen, dass ohne externe Hilfe durch das Jugendamt oder andere Institutionen es für die Mutter sehr schwer wird, den Jugendlichen in unsere Gesellschaft so zu integrieren, wie es notwendig ist", betonte Schubert. Zugleich hebt er hervor, dass der 14-Jährige nicht die Norm sei.
Schubert nennt das Beispiel einer anderen ausländischen Familie, die sich gut integriert hätte. Deren Kinder gingen zur Schule und Kita, der Vater arbeite als Busfahrer.
Bürgermeister verurteilen mutmaßlichen Racheakt
Raik Schubert verurteilte die Gewalttat am Flöhaer Bahnhof, aber ebenso den mutmaßlichen Racheakt auf den 14 Jahre alten Iraker. "Das ist nicht zu akzeptieren. Es darf keine Selbstjustiz geben."
Ähnlich äußerte sich auch Flöhas Oberbürgermeister Volker Holuscha (Linke). "Wenn die Tat in Niederwiesa sich als Racheakt herausstellt, ist dieser als Form der Selbstjustiz ebenso zu verurteilen wie die Straftat in der Bahnunterführung."
Das ist nicht zu akzeptieren. Es darf keine Selbstjustiz geben.
Untersuchungshaft aktuell nicht möglich
Obwohl der mutmaßliche Angreifer bei der Polizei kein Unbekannter ist, ist der Handlungsspielraum der Behörden begrenzt. Die Polizei teilte MDR SACHSEN mit, dass die Vergehen des 14-Jährigen nicht ausreichten, ihn strenger zu bestrafen. Bei früheren Vorfällen sei er zudem erst 13 Jahre und jünger, also nicht straffähig gewesen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist die Gewalttat des 14-Jährigen von vergangener Woche schlimm. Aber sie sei für eine Untersuchungshaft nicht ausreichend. Aktuell stimmten sich Staatsanwaltschaft und Polizei ab. Die Tatverdächtigen müssten angehört werden.
Nach Abschluss der Polizeiarbeit gehe die Akte an die Staatsanwaltschaft. Diese entscheide zusammen mit einem Jugendstrafrichter über mögliche Strafen für den mutmaßlichen Täter.
Strafverteidiger über mögliche Strafen
Wie die Chancen für eine Bestrafung aussehen, hat Strafverteidiger Reinhard Röthig eingeschätzt. Die möglichen Strafen reichten von Trainings- und sozialen Arbeitsstunden bis bin zu Strafzahlungen an gemeinnützige Einrichtungen. "Es gibt auch noch den Arrest, der in unterschiedlicher Länge vollzogen werden kann", erklärte Röthig.
MDR (phb/Studio Chemnitz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Der Nachmittag | 05. Oktober 2023 | 16:20 Uhr