Mitte-Deutschland-Verbindung Zweigleisig und unter Strom: Bahnpläne zwischen Weimar und Gößnitz
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07. Dezember 2023, 20:25 Uhr
Rund um die Mitte-Deutschland-Verbindung gibt es viele offene Fragen. Am Mittwoch gab die DB bisher interne Informationen zu der Zugstrecke, ihrer Finanzierung und dem Stand der Bauarbeiten bekannt.
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Die Bahn AG hatte eingeladen. Der Treffpunkt für interessierte Bürger: unterhalb des Wasserturms, auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerkes Gera.
Ronald Schlegel ist Projektleiter der DB Netz AG. Er und sein Team haben in einem kleinen Saal eine Leinwand und Monitore aufgebaut, Faltblätter ausgelegt und ein großes Banner aufgespannt. Auf dem ist der gesamte Baubereich mit vielen Einzelbaustellen zu überblicken. Und das ist gut so, denn den Überblick zu behalten, war nie ganz einfach bei diesem Langzeitprojekt - den Bauarbeiten auf der Mitte-Deutschland-Bahnverbindung. Und er weiß: Es gibt viele Fragen aus der Bevölkerung, wie die 115 Kilometer Bahnstrecke von Weimar bis zur Landesgrenze zu Sachsen ausgebaut und modernisiert werden. "Wir fangen am Bahnknoten Gera schon an. Beginnen, Kabel zu verlegen." Das antwortet Schlegel auf die Frage, wann nach den langen Planungen nun mit den Bauarbeiten gestartet wird.
Langer Atmen für kurze Bauabschnitte
Die Bauarbeiten für eine Eisenbahnlinie zwischen Weimar und Gera hatten vor 150 Jahren begonnen. Ganze drei Jahre brauchte man damals, bis die ersten Züge rollen konnten. So ein Tempo bei einem Bahnbauprojekt ist heute unvorstellbar. Ein Beispiel dafür sind zwei kurze Streckenabschnitte der Mitte-Deutschland-Bahn, auf denen bis heute das zweite Gleis fehlt: zwischen Papiermühle und Hermsdorf und bei Gera. Es geht um zwei Mal fünf Kilometer - über die seit Jahrzehnten diskutiert wird.
Viele Berufs- und Studienpendler, die die Bahn heute regelmäßig nutzen, können es sich vermutlich nicht vorstellen: Schon 1993 war der Ausbau der Mitte-Deutschland-Schiene im Bundesverkehrswegeplan eingestuft worden als ein "vordringlicher Bedarf". Dann begann ein Hin und Her um die Finanzen und um die Frage, was wirklich nötig sei.
Erst 2017 konnte Thüringen dem Bundesverkehrsministerium die Zusage abringen, dass die Strecke zwischen Weimar und Gößnitz wirklich elektrifiziert wird. Für die zwei Mal fünf Kilometer, auf denen das zweite Gleis gebraucht wird, übernahm das Land Thüringen alle Kosten, um das notwendige Baurecht vorzubereiten. Ob dann die eigentlichen Bauarbeiten vom Bund finanziell gefördert werden - das ist noch immer offen.
Vorarbeiten bei Gera angelaufen
Ronald Schlegel ist es völlig klar: Vor ihm im Saal sitzen durchaus ungeduldige Menschen. Sie hoffen, dass er endlich mal aus dem Nähkästchen plaudert: Wann wird nun wo gearbeitet? Wie wirken sich die Bauarbeiten für Anlieger, Grundstückseigentümer und Unternehmen an der Strecke aus? Was hat sich überhaupt getan, seit der letzten Info-Veranstaltung vor einem Jahr?
Schlegel berichtet über die Vorbereitungen für die Bahnstromversorgung, ohne die eine elektrischer Zugbetrieb nicht möglich ist. Da sei im vergangenen Jahr die Variante gefunden worden, wo dieser Energieanschluss entlangführen soll. Der Standort für das sogenannte Bahnstrom-Unterwerk in Gera-Tinz sei festgelegt. Bis dorthin nutze man auf sechs Kilometer Länge auch eine schon bestehende Leitungstrasse und zum Teil vorhandene Masten des Energienetzbetreibers TEN.
"Wir müssen so weniger Flächen in Anspruch nehmen. Und wir umgehen zwei geschützte Gebiete im Norden von Gera", sagt Schlegel. Für dieses Vorhaben werden nun alle Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren eingereicht, das 2024 beginnen soll. Was heißt: Ab 2027 kann für die Bahnstromversorgung gebaut werden…
Bauzeit bringt Streckensperrungen
24 Monate dauere so ein Planfeststellungsverfahren, erklärt Schlegel. Und daran können die Planer der Bahn auch nichts ändern. Umso wichtiger, dass sie die Unterlagen für den ersten Strecken-Bauabschnitt von Weimar bis Jena inzwischen auch beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht haben.
Die Zielsetzung: Auf diesem Streckenabschnitt soll der Verkehr ab Dezember 2028 unter Strom rollen. Deshalb werde es 2027 eine zehn Monate lange Totalsperre für den Zugverkehr geben. Denn die Gleisanlagen sind dann auch Bautransportwege. Unter anderem, um auf der Ilm-Brücke bei Weimar arbeiten zu können. Dort bleibt die alte Brückenkonstruktion mit ihren sechs Bögen erhalten.
Auf dem über 37 Meter hohen Viadukt werde aber die Fahrbahnplatte für beide Gleise komplett erneuert. Wegen der unvermeidbaren Vollsperrung müsse für die Reisenden ein anderes Fahrangebot erarbeitet werden: Der Schienenersatzverkehr werde bis Mitte nächsten Jahres ausgearbeitet. Dazu habe inzwischen ein Arbeitskreis von Bahn und Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr seine Arbeit begonnen.
Brücken, Bahnsteige und Bahnhofshalle im Blick der Planer
Vorbereitet würden mit Geld vom Land Thüringen derzeit Bahnsteigverlängerungen, unter anderem an den Ostthüringer Haltepunkten in Töppeln und in Kraftsdorf.
Für Liebhaber des historischen Bahnhofgebäudes in Gera hat Ronald Schlegel eine gute Nachricht: Die denkmalgeschützte Bahnsteighalle wird nicht verändert. Es werden zwei Oberleitungsmasten dort geplant - aber ohne gestalterische Veränderungen am Bauwerk.
Nur zwei, drei Bahnfahrminuten entfernt ist noch nicht so klar, wie mit der Eisenbahnbrücke über die Weiße Elster umgegangen werden kann. Auch dort ist nach dem Zweiten Weltkrieg als Reparationsleistung für die Sowjetunion das zweite Gleis entfernt worden. Die leeren Brückenpfeiler stehen noch im Flussbett. Ob sie wieder überbaut werden können, das ist noch nicht endgültig geklärt.
Außerdem ist im Brückenbereich die Thüringer Landgesellschaft als Planer tätig, um den Hochwasserschutz zu verbessern. Ronald Schlegel sagt, wie bei allen alten Bauten im Streckenbereich fänden umfangreiche Untersuchungen statt, damit Statik, Standsicherheit und Lebensdauer gesichert werden können.
Nadelöhr Richtung Sachsen wird beseitigt
Die gesamte Strecke von Jena bis nach Gößnitz soll im Dezember 2030 für Elektroloks befahrbar sein. Dabei wird es aber östlich von Gera in Richtung Sachsen bei einem Gleis bleiben. Die Fahrgastzahlen und die Streckenbelegung reichen dort nicht aus, um die Finanzierung für ein zweites Gleis zu rechtfertigen, heißt es. Trotzdem wird es in diesem Bereich eine bauliche Herausforderung geben: Bei Ronneburg muss ein Tunnel verschwinden, durch den die Züge seit 1968 rollen.
Die Röhre ist relativ kurz, aber sie ist für die Elektrifizierung ein Nadelöhr. Denn für eine Überspannung des Schienenweges mit einer Oberleitung ist kein Platz im Tunnel. Über ihn führt bisher die Kreisstraße 115. Für sie muss nun ein neuer Verlauf gefunden werden. Und für die künftige Böschung im jetzigen Tunnelbereich sind noch Erkundungsbohrungen fällig, um die Stabilität zu gewährleisten.
Kostenrahmen noch nicht überschritten
Natürlich kommt dann aus der öffentlichen Runde noch eine Frage: Wie steht es eigentlich um die Kosten für das Projekt Mitte-Deutschland-Bahn? Schlegel räumt ein, dass natürlich niemand sagen kann, ob die derzeit auf höchster Ebene laufenden Gespräche über den Bundeshaushalt auf das Bahnbauprojekt Auswirkungen haben werden. Er sagt aber auch: Wir bewegen uns im bisher vorgesehenen Rahmen. Das sind ungefähr 600 Millionen Euro.
MDR (ost, mar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 07. Dezember 2023 | 19:30 Uhr
Uwe.Ruediger vor 46 Wochen
ja, die Kosten-Nutzen-Analyse hat klar eine sehr positive Auswirkung ergeben. Durch das Nadelöhr bei Gera und Hermsdorf müssen Zugkreuzungen abgewartet werden, das kostet Zeit. Ist ein Zug verspätet, wirkt sich das auch aktuell auf Gegenzüge aus. Zwischen Gera und Eisenach gibt es mittlerweile ein sehr hohes Fahrgastaufkommen, selbst in Hermsdorf gibt es mittlerweile zweistellige Passagierzahlen je Ein- und Ausstieg. In Jena sind die Bahnsteige auch enorm gut gefüllt, daher müssten hier de Takte verdichtet werden, bzw es werden größere und längere Züge eingesetzt. Daher auch der Ausbau einiger Bahnsteige ;-) . Ich freue mich, dass die MDV so gut angenommen wird. Im übrigen sollen hier auch mehr Güterzüge rollen, das geht aber meist nur mit einer Oberleitung damit hier nicht umgespannt werden muss, auch dafür braucht es eine Zweigleisigkeit
mensrea vor 46 Wochen
Das ist ja das berühmte Henne-Ei-Problem. Man wird nie vorher zu 100% wissen, welche Fahrgastzahlen man nach einem (Aus-)Bau haben wird. Ich kenne viele Menschen, die häufiger mit der Bahn fahren würden, wenn denn das Netz/die Anbindung besser wäre. Die erreicht man damit sicher. Und bei staatlicher Infrastruktur kann man nicht immer argumentieren, dass man das nur macht, wenn es sich rechnet. Mit dieser Argumentation hätte man nie das Autobahnnetz ausgebaut, denn anfänglich konnte sich nur ein Bruchteil der Menschen ein Auto leisten. Das hat sich dann aber gegenseitig "hochgeschaukelt". Man hatte Straßen, deswegen konnte man Autos verkaufen, deswegen baute man Straßen usw.
Harka2 vor 46 Wochen
Zwischen Weimar und Jena war die Trasse erst vor kurzem komplett wegen der Oberbauerneuerung gesperrt. Warum hat da keiner die Vorarbeiten für den Fahrdraht mit erledigt und mit welchen geheimen Methoden hat die Deutsche Reichsbahn in den 1970er und 1980er Jahren die Streckenelektrifizierung hinbekommen ohne die ganzen Trassen zu sperren?