Renaturierung Ein neues Bett für die Leine - Neue Flussläufe und Korridore im Eichsfeld

04. September 2022, 18:38 Uhr

Der Fluss Leine im Eichsfeld hat strukturelle Defizite - heißt, er ist auch schlichtweg zu gerade. Deshalb soll er in mehreren Abschnitten renaturiert und umgebaut werden. Was konkret geplant ist und warum dieser Umbau notwendig ist.

Ein Großteil der Bäche und Flüsse in Deutschland wurde begradigt oder baulich eingezwängt. Solche Eingriffe in die Natur schaden Pflanzen und Tieren und führen letztlich auch zu Hochwassern. Seit dem Jahr 2000 gibt es die Europäische Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG - und die verpflichtet alle Mitgliedsstaaten, ihre natürlichen Gewässer zu erhalten und den Zustand belasteter Gewässer zu verbessern. Allein in Nordthüringen sollen deshalb in den nächsten Jahrzehnten sieben Flüsse umgebaut werden - darunter auch die Leine. Baustart im Eichsfeld soll noch in diesem Jahr sein.

Mit ihren 33 Kilometer Flusslänge gehört die Leine zu den Flüssen erster Ordnung in Nordthüringen, die von der Sondershäuser Außenstelle des Referats Wasserbau des Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz, betreut werden. Wie andere Flüsse erster Ordnung soll auch die Leine auf dem gesamten Thüringer Gebiet renaturiert werden.

Gewässer 1. Ordnung in Nordthüringen

Insgesamt 262 Kilometer Flusslänge: Davon Zorge ca. 30 km, Helme ca. 42 km, Wipper ca. 75 km, Helbe ca. 9 km, Unstrut ca. 67 km, Leine ca. 33 km, Werra ca. 6 km.

Das aktuelle Projekt betrifft das Gewässer im Bereich von Marth bis Heiligenstadt. Wo Industriegebiete und Ortslagen sind, kann nichts verändert werden, sagt Projektingenieurin Karin Billert. Sie arbeitet seit zehn Jahren an dem Projekt.

Flächenkauf war Hauptproblem

Die Flächen entlang der Leine waren in der Vorbereitungsphase das Hauptproblem - weil Landwirte die Böden teilweise bis zur Oberkante der Flussböschung bearbeiten und diese Uferbereiche auch gern behalten wollten. Um diese Flächen zu erwerben, musste man sich zunächst mit den Eigentümern einigen. Doch das gelang nicht immer. 

Doch bevor die Bagger loslegen können, um zum Beispiel das Flussbett zu erweitern oder Korridore zu schaffen, müssen die einzelnen Gewässerabschnitte mit jeweils etwa einem Kilometer Länge bewertet werden. Ist der Gewässerstrukturwert schlecht, muss viel verändert werden.

Gewässerstrukturwert

Es gibt sogenannte Gewässerstrukturklassen von 1 (die beste) bis 7. Vor einer Renaturierung müssen alle Gewässer bewertet werden - unter anderem nach Linienführung, Windungen, Durchlässigkeit und Umfeld. Ziel am Ende der Renaturierungsbemühungen ist die Note 2 oder 3. Derzeit haben viele Abschnitte der Leine die Note 5. Um die exakte Gewässerstrukturklasse zu ermitteln, wurde der Fluss im Eichsfeld in ein Kilometer große Abschnitte eingeteilt und entsprechend bewertet.

Über Jahrhunderte haben wir Menschen den Fluss immer mehr begradigt, eingedeicht und durch Böschungssicherung gebändigt.

Marco Mann Gebietsreferent vom Referat Wasserbau, Außenstelle Sondershausen

In den begradigten Abschnitten sollen vor allem die Böschungssicherungen entfernt werden, um so die Flussbreite und -tiefe zu verändern. Alle sogenannten Querbauwerke wie zum Beispiel Wehre und Schwellen sollen so verändert werden, dass sie für die im und am Wasser lebenden Tiere durchgängiger werden.

Industriegesellschaft erschwert Renaturierung

Doch ein Zurück zum tatsächlichen Ursprung eines Gewässers ist in einer Industriegesellschaft nicht möglich. Brücken, Radwege, Bahngleise, Gasleitungen und Straßen begrenzen die Flüsse und an diesen Stellen sind die Strukturen kaum noch zu verändern.

Leine wird in sieben Abschnitten verändert

Der Flusslauf der Leine soll abschnittsweise verändert werden. Dabei sollen Gehölzesäume aufgebrochen und teilweise mit Baggern das Profil des Flusses verändert und seine Lauflänge vergrößert werden. Der Aushub soll zum Teil dann direkt ins nicht mehr benötigte Flussbett gebracht oder woanders verwertet werden. Nach Angaben des Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz wurden für die sieben Renaturierungsabschnitte Kosten von etwa vier Millionen Euro veranschlagt.

Ein Wehr an der Mittelmühle Uder wurde bereits umgebaut. Das Wehr in Arenshausen soll im nächsten Jahr verändert und für Fische mittels einer Fischtreppe durchgängig  gemacht werden. Bereits 2008 war die Leine schon mal umgestaltet worden - zwischen Hohengandern und Arenshausen im Zusammenhang mit einem Straßenneubau.

Fluss soll Eigendynamik entwickeln

Die Wasserbauer wollen den neuen Flussverlauf nicht komplett vorgeben. Wie Marco Mann, zuständiger Gebietsreferent erklärt, bekomme der Fluss so viel Raum, dass er sich selbst eigendynamisch weiterentwickeln kann. Deshalb habe die Behörde einen Korridor aus erworbenen Flächen geschaffen, wo sich der Fluss ausbreiten kann. Ohne menschliches Zutun bräuchte er schätzungsweise 200 Jahre dafür.

MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 03. September 2022 | 18:40 Uhr

3 Kommentare

augu am 05.09.2022

Gutes Vorhaben. Ein etwas natürlicherer Flusslauf wertet auch den Radweg daneben auf, auch wenn dieser wohl künftig nicht die neuen Flusswindungen mitmachen wird.

Lyn am 05.09.2022

Viel Erfolg!
@MDR bitte dranbleiben, ich möchte erfahren, wie es weiter geht und sich entwickelt.

_martin_ am 04.09.2022

Super, dass das angegangen wird. Viel Erfolg und gutes Durchhaltevermögen!

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