Speisekarte
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Der Redakteur | 14.02.2024 Warum stehen Getränke immer hinten in der Speisekarte?

14. Februar 2024, 18:33 Uhr

MDR THÜRINGEN-Hörer Lutz Ruschke aus Eisfeld möchte wissen: Wenn ich im Restaurant esse, dann will der Kellner als erstes die Bestellung für Getränke. Warum stehen dann aber die Getränke auf den letzten Seiten der Speisekarte? Bei der Suche nach einer Antwort tun sich auch Experten schwer.

Die Speisekarte heißt so, weil sie uns über die angebotenen Speisen informiert. Wenn es eine separate Getränkekarte gibt, dann ist das Problem eigentlich keins. Bei einer Mischkarte, die gewöhnlich auch "Speisekarte" heißt, können sich die Wirte durchaus die Frage stellen, ob es nicht klüger ist, die Reihenfolge zu verändern, sagt Speisekarten-Experte Manfred Bertele aus Eriskirch am Bodensee.

Eine aufgeschlagene Speisekarte 13 min
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Er bringt als gelernter Koch und jahrelanger Hotelmanager, Museums-Initiator und Speisekartensammler die Erfahrung von mehr als 2.000 Speisekarten aus aller Welt mit. Einen echten Grund dafür, die Getränke auf die hinteren Seiten zu verbannen, sieht er nicht.

Gründe nicht mehr nachvollziehbar

Auch Dirk Ellinger vom Hotel- und Gaststättenverband Thüringen bestätigt, dass die Speisekarte dem Namen nach für Speisen gedacht ist und deshalb die Getränke an dieser Stelle in den Hintergrund treten. Letztlich habe es sich so entwickelt, ohne dass es dafür wirklich nachvollziehbare Gründe gibt.

Solche schleichenden Prozesse führen auch dazu, dass einige Speisekarten heutzutage ziemlich ausufern. Gerade in asiatischen Restaurants ist der Gast mitunter ziemlich überfordert, zwischen den vielen Gerichten das Richtige auszuwählen. Hier wäre weniger manchmal mehr, so Ellinger.

Experten regen neue Speisekarten an

Dirk Ellinger und Manfred Bertele sind sich auch einig in dem Vorschlag, dass Gastwirte einmal grundsätzlich über die Struktur ihrer Speisekarte nachdenken sollten. Auch, um vom gewohnten Schema "vorne Schnitzel, hinten Bier" und einer reinen Liste wegzukommen.

Ein Argument laut Bertele: Man habe festgestellt, dass der Gast beim Lesen einer Speisekarte häufig die Augen von links oben nach rechts unten wandern lässt. Bedeutet: Man könnte den so entstehenden Platz in den anderen Ecken auch für Getränke nutzen. Also für die passenden Weine oder Biere.

Man sollte also das, was man wirklich verkaufen will, in dieser Linie von links oben nach rechts unten platzieren.

Speisekarten-Experte Manfred Bertele

Oder noch weiter gedacht: Auf der Vorspeisenkarte stünde vielleicht auch ein Aperitif, bei den Hauptspeisen eben der Wein oder das Bier und bei den Nachspeisen ein Schnäpschen. Getränke sind ein wichtiger Umsatzbringer und die Speisekarte soll auch inspirieren.

Du isst, wo du bist

Manfred Bertele hat wirklich alles in seiner Sammlung, Karten aus den edelsten Restaurants der Welt, von historischen Hotels, von Hochzeiten und Politik-Gipfeln. Am Boden oder auch im Flugzeug.

Ich habe die Flugzeug-Menüs vom G7-Gipfel in Halifax mit Helmut Kohl und eine Speisekarte von Papst Johannes Paul II. auf seiner Amerika-Reise.

Speisekarten-Experte Manfred Bertele

Auch das Hochzeitsmenü der Trauung von Kate und William befindet sich in der Sammlung. Die Karten werden übrigens oft von den geladenen Gästen mitgebracht. Manfred Bertele ist mit seinen 85 Jahren sehr gut vernetzt in der Welt. Und manchmal ist es auch das Material, das eine Speisekarte einzigartig macht. Eine Granitspeiseplatte hatte sicher auch noch nicht jeder in der Hand.

Speisekarte
Getränke im einen Abschnitt, Essen im anderen. So sieht die übliche Speisekarte aus. Bildrechte: MDR/Thomas Becker

Wo sind die Speisekarten aus dem Osten?

Viele Karten sind Zeugen der Zeitgeschichte. Die älteste Karte in der Sammlung ist von 1843, damals waren die Karten noch auf Französisch gehalten, man reichte "Sauce" zum Essen. Mit dem späteren deutsch-französischen Zerwürfnis wurde die Sauce erst eingedeutscht (schreib: Soße) oder in der Endkonsequenz gar zur Tunke.

Was Manfred Bertele aber noch fehlt in der Sammlung, ist die deutsche Wirtshauskultur und vor allem die aus dem Osten. Die Jahreszahl von 1843 darf hier durchaus Ansporn sein. Vielleicht findet sich das eine oder andere Thüringer Traditionsgasthaus, das seine Speisekarten nicht weggeworfen, sondern aufgehoben hat, auch die aus dem 19. Jahrhundert.

Gern direkt ein Exemplar schicken an: MDR THÜRINGEN Hörerservice, Gothaer Straße 36, 99084 Erfurt. Wir leiten die Karten weiter an Manfred Bertele und das Speisekartenmuseum in Eriskirch am Bodensee, wo man jeden Samstag Führungen buchen kann.

MDR (dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 14. Februar 2024 | 16:40 Uhr

1 Kommentar

Pattel vor 10 Wochen

Andere Sorgen haben wir nicht........?

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