Glas
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Tschechien Die böhmische Glasbläserei

04. Dezember 2015, 13:39 Uhr

Nichts hat Böhmen so berühmt gemacht wie sein Glas. Gemeint ist dabei vor allem das böhmische Kristallglas – hochwertiges Glas mit einem hohen Anteil von Blei. Seit dem 16. Jahrhundert wurde es vor allem in Nord- und Westböhmen in zahlreichen Manufakturen hergestellt. Seither schmücken böhmische Lüster, Pokale, Vasen und Gläser Paläste und Villen weltweit, ebenso wie Schrankwände und Vitrinen.

Weltweit das Maß aller Dinge

Seit der Zeit des ausgehenden Barock war die böhmische Glaskunst das Maß aller Dinge. "A la facon de Boheme" sagte man etwa im venezianischen Glasbläser-Städtchen Murano, wo man die böhmischen Kunstwerke aus Kristall zu kopieren versuchte. Und Anfang des 19. Jahrhunderts avancierte eine kleine nordböhmische Stadt zu einer Berühmtheit in der Modewelt: Jablonec (zu deutsch: Gablonz.) Die hier gefertigten Glaskristalle waren außerordentlich begehrt. "Gablonz schmückt die Frauen der Welt", stand damals auf den Werbebannern. Die Stadt wurde reich – Jugendstilvillen wurden gebaut, eine Kopie des Wiener Rathauses in der Stadtmitte und ein stattliches Opernhaus. Und dort liegt auch der Modeschmuck-Firma "Swarovski". 1892 erfand der Glasschleifer Swarovski in seiner kleinen Manufaktur eine Technik, mit der sich relativ zügig Glaskristalle veredeln ließen.

Ein Schleifer bei der Arbeit. 1000 Grad sind nötig, damit Sand und Bleiersatz zu Bleikristal verschmelzen. Kristalle aus dem tschechischen Hacharov sind  Handarbeit. Vom Blasen bis zum Schleifen. 2 min
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"Bohemia Glass"

Der Zauber des böhmischen Bleikristalls verblasste auch in den Jahrzehnten der sozialistischen Herrschaft nicht. Zwar gingen die meisten Glasbläsereien nach dem Zweiten Weltkrieg in Staatseigentum über, böhmisches Glas aber blieb unverändert ein weltweit gefragtes Luxusgut. Allein – die Kunstwerke wurden nun in der Regel nicht mehr unter dem Namen der Manufakturen vertrieben, in denen sie gefertigt worden waren, sondern untern dem Label: Bohemia Glass. Eine Blütezeit erlebte die böhmische Glasbläserei in den 1950er bis 1970er Jahren. Damals drängten junge Künstler und Glasbläser in die traditionsreichen Manufakturen und schufen ganz neue kristalline Gebilde. Abnehmer fanden sich nicht nur im Westen – auch in den sozialistischen Bruderländern war böhmisches Kristall sehr gefragt, eignete es sich doch hervorragend als gefragtes Tauschobjekt. "Tausche Fliesen gegen böhmisches Glas", stand so oder so ähnlich in etlichen Annoncen.  

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Niedergang der böhmischen Glasbläserei 

Nach 1990 wurden auch Böhmens Manufakturen privatisiert und erlebten eine kurze Renaissance: In den nachrevolutionären Zeiten war das böhmische Kristall noch einmal sehr gefragt. Um die Jahrtausendwende dann aber der Einbruch: Kaum noch einer wollte das relativ teure böhmische Kristall haben - maschinell gefertigte Ware aus Fernost überschwemmte den Markt. Und überhaupt schien die Zeit des kunstvoll gefertigten Kristalls abgelaufen. Etliche traditionsreiche Manufakturen in Böhmen mussten schließen. Die, die überlebten, fertigen in der Regel nur noch exklusive Stücke - Lüster, Vasen oder Figuren in limitierten Auflagen.

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