Kanada-Reise Papst nennt Umgang der Kirche mit indigenen Kindern "Völkermord"

30. Juli 2022, 21:07 Uhr

Papst Franziskus hat den früheren Umgang mit indigenen Kindern und Jugendlichen in katholischen Internaten in Kanada als "Völkermord" bezeichnet. Auf seinem Rückflug aus Kanada sagte er, er habe bei seinem Besuch um Vergebung gebeten. Bei den Indigenen selbst waren die Reaktionen gespalten.

Auf dem Rückweg von einer Kanada-Reise hat Papst Franziskus den früheren Umgang mit Indigenen in katholischen Internaten des Landes als "Völkermord" bezeichnet. Bei einem Interview im Flugzeug sagte er, er habe um Vergebung für dieses Unrecht gebeten, "das ein Völkermord war".

Kanada-Reise als "Pilgerfahrt der Buße"

Ihm sei das Wort "Völkermord" in Kanada nicht in den Sinn gekommen, doch dabei handle es sich um einen klar definierten Begriff - und was er gerade beschrieben habe, sei "sehr wohl Völkermord", sagte Franziskus. Während seiner sechstägigen selbsterklärten "Pilgerfahrt der Buße" in Kanada hatte das Kirchenoberhaupt die indigene Bevölkerung wiederholt um Vergebung gebeten. Bei seinen Besuchen verschiedener indigener Gemeinschaften hatte der Papst "kulturelle Zerstörung" und "physischen, verbalen, psychologischen und geistigen Missbrauch" durch Kirchenvertreter angeprangert und bedauert.

Ureinwohner mit weiteren Forderungen an den Papst

Das Echo war zwiegespalten: Während einige Indigenen-Vetreter von "Worten der Befreiung" sprachen, beklagten andere, sie hätten von dem 85-jährigen Kirchenoberhaupt mehr erwartet, zum Beispiel die Rückgabe von Kunstgegenständen der Ureinwohner, die seit Jahrzehnten im Vatikan aufbewahrt werden, oder Zugang zu den Archiven der Internatsschulen.

Kilikvak Kabloona, Vorsitzender der Organisation Nunavut Tunngavik, die die Inuit im nördlichen Territorium Nunavut vertritt, war "die Entschuldigung des Papstes nicht vollständig". Er habe den "sexuellen Missbrauch", den viele Ureinwohner erlitten haben, nicht direkt angesprochen.

Tausende Kinder starben in Internaten

Zwischen Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1990er-Jahre hatte die kanadische Regierung etwa 150.000 indigene Kinder und Jugendliche in Internate geschickt, die zum großen Teil von der katholischen Kirche betrieben wurden. Die Kinder wurden von ihren Familien getrennt, durften ihre Sprache nicht mehr sprechen und mussten ihre gesamte Kultur aufgeben. Viele von ihnen wurden körperlich und sexuell misshandelt.

Offiziell kamen mehr als 4.000 Kinder infolge von Unterernährung, Krankheiten und Vernachlässigung ums Leben. Die Dunkelziffer wird aber auf mehr als 6.000 geschätzt. Eine nationale Untersuchungskommission hatte von einem "kulturellen Völkermord" gesprochen. Die Entdeckung von 1.300 anonymen Gräbern auf den Gebieten der früheren Schulen hatte im vergangenen Jahr eine Schockwelle ausgelöst.

 Quelle: AFP (agr)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. Juli 2022 | 16:50 Uhr

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