Benjamin Netanjahu (2.v.l.), Ministerpräsident von Israel, und Joaw Galant (l), Verteidigungsminister von Israel, besprechen sich.
Bildrechte: picture alliance/dpa/GPO | Amos Ben-Gershom

Nahost-Krieg Netanjahu schließt generelle Feuerpause aus

10. November 2023, 14:04 Uhr

Nachdem die israelische Armee den Gazastreifen in zwei Hälften geteilt hat, gehen die Kämpfe gegen die Hamas dort und auch deren Raketenbeschuss auf Israel weiter. Israels Regierungschef Netanjahu erteilte Forderungen nach Einstellungen der militärischen Tätigkeiten durch die israelischen Streitkräfte eine Absage.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat eine längere Feuerpause im Gazastreifen vorerst ausgeschlossen. "Ohne die Freilassung der Geiseln wird es keine allgemeine Feuerpause im Gazastreifen geben", sagte Netanjahu am Montagabend dem US-Fernsehsender ABC. Kleinere Pausen von ein oder zwei Stunden seien je nach Lage jedoch möglich, um humanitäre Güter herein oder Geiseln herauszubringen. Eine allgemeine Waffenruhe würde nach Einschätzung von Netanjahu jedoch den Kriegszielen Israels entgegenstehen. "Das würde unsere Bemühungen behindern, unsere Geiseln zu befreien, denn das Einzige, was diese Kriminellen der Hamas verstehen, ist der militärische Druck, den wir ausüben", sagte er im ABC-Interview.

UN-Hilfsorganisationen fordern sofortige Waffenruhe

Nach der am Sonntag verkündeten Teilung des Gazastreifens durch die israelische Armee haben die wichtigsten UN-Hilfsorganisationen am Montag eine sofortige humanitäre Waffenruhe im Nahost-Krieg gefordert.

Auf diesem von den israelischen Streitkräften via XinHua veröffentlichten Foto setzen israelische Truppen die Bodenoperationen im Gazastreifen fort.
Israelische Infanterie im Gazastreifen Bildrechte: picture alliance/dpa/Israelische Verteidigungsstreitkräfte/XinHua

Viele der Menschen in dem abgeriegelten, dicht besiedelten und weiter schwer umkämpften Palästinenser-Gebiet bräuchten dringend Lebensmittel, Wasser, Medikamente und Treibstoff, hieß es in einer am Montag in Genf verbreiteten Mitteilung.

Fast einen Monat nach dem vom Gaza-Streifen aus verübten Terror-Überfall der Hamas auf Israel hatte die israelische Armee am Sonntagabend mitgeteilt, Gaza-Stadt im Norden des schmalen Küstenstreifens vollständig eingekreist und vom Süden des Gebiets getrennt zu haben.

Kämpfe gehen weiter – mit kurzen Pausen

Israels Luftwaffe hat demnach seit Sonntag hunderte Ziele der Terror-Organisation Hamas angegriffen. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 200 Menschen getötet, "mehr als 200 Märtyrer", die bei "nächtlichen Massakern" in Gaza und im Norden des Gazastreifens gestorben seien. Die israelische Armee meldete am Montag "bedeutende Angriffe" bei ihrer Bodenoffensive im Gazastreifen.

Nach Angaben eines israelischen Militärsprechers wurde der Beschuss allerdings an zwei aufeinander folgenden Tagen zeitweise für jeweils mehrere Stunden eingestellt, um Zivilisten einen Weg in den Süden zu ermöglichen.

Nach weiteren israelischen Angaben sind am Montag aus dem Gazastreifen aber auch wieder Raketen auf israelische Orte abgefeuert worden. Berichte über Verletzte oder Schäden gab es zunächst aber keine.  

Seit dem Beginn des Hamas-Überfalls auf Israel am 7. Oktober, bei dem Kämpfer der Terror-Organisation etwa 1.400 Menschen getötet haben sollen und mehr als 200 als Geiseln verschleppten, wurden nach israelischen Angaben bislang auch mehr als 8.100 Raketen auf Israel abgefeuert, wobei die meisten von israelischen Abwehrsystemen abgefangen worden seien.

Hinweis der Redaktion Die Berichterstattung aus dem Gazastreifen ist schwierig, da wegen der Kämpfe nur wenige Journalistinnen und Journalisten vor Ort sind. Informationen zu den Kampfhandlungen kommen vor allem von der israelischen Regierung und von der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas, die nur schwer überprüft werden können.

Im Gazastreifen sollen durch den israelischen Militäreinsatz schon mehr als 9.000 Menschen umgekommen sein. Auch diese Zahl beruht auf Angaben von Stellen, die von der Hamas kontrolliert werden und die sich kaum überprüfen lassen.

Jüdische und arabische Menschenrechtler für Waffenruhe

Waffenstillstand im Gazastreifen, Freilassung der von der Hamas entführten israelischen Geiseln und eine politische Lösung des Nahost-Konflikts: Das sind die Forderungen von 35 jüdischen und arabischen Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Israel. In einem Offenen Brief der Organisationen heißt es Berichten der Zeitung "Haaretz" zufolge, es sei offensichtlich, dass es keine militärische Lösung für diesen Konflikt gebe und auch niemals geben könne. Das brutale Massaker der Hamas vom 7. Oktober sei durch weitere Gräueltaten ergänzt worden, bei denen Tausende Menschen durch israelische Bombenangriffe im Gazastreifen getötet wurden und immer noch getötet werden, so der Brief.

70 Prozent der Gaza-Bevölkerung vertrieben

Im Gaza-Streifen sind seit Kriegsbeginn 70 Prozent der Bevölkerung vertrieben worden. Das teilte das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen mit. Demnach sind die Notunterkünfte teils mit dem Vierfachen ihrer Kapazität überbelegt. Mindestens 600 Menschen müssten sich eine Toilette teilen. Es gebe Tausende Fälle von Infektions- und Durchfallerkrankungen. Nach UN-Angaben verschlechtern sich die Zustände mit jedem Tag.

Deutschland nimmt Zusammenarbeit mit UN-Palästinenserhilfswerk wieder auf

Deutschland wird nach Angaben von Entwicklungshilfe-Ministerin Svenja Schulze seine Entwicklungszusammenarbeit mit dem UN-Palästinenser-Hilfswerk wieder aufnehmen. Die Bundesregierung hatte die Gelder für Entwicklungsprojekte und Palästina-Flüchtlinge nach dem Terror-Angriff der Hamas am 7. Oktober gestoppt. Laut Schulze wurde geprüft, dass die Hilfen weder der Verbreitung antisemitischer Denkmuster, noch den Anhängern der Hamas zugutekommen.

Bemühungen um Hilfe für die Palästinenser

Die EU stellt für humanitäre Hilfe zugunsten der Zivilisten im Gazastreifen weitere 25 Millionen Euro bereit. Insgesamt erhöhen sich die Zusagen damit auf 100 Millionen Euro, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in Brüssel mit. Zudem werde daran gearbeitet, die Zahl der Hilfskonvois nach Gaza zu erhöhen und auch noch Transporte per Schiff zu ermöglichen, über einen Seekorridor von Zypern aus.

Unterdessen plant Frankreich die Einrichtung eines Feldlazaretts für Verletzte aus dem Gazastreifen. Gespräche würden darüber mit Ägypten geführt, sagte Verteidigungsminister Sebastien Lecornu der libanesischen Zeitung "L'Orient le Jour". Ägypten hat bereits ein Lazarett an der Grenze zum Gazastreifen.

Die jordanische Luftwaffe hat derweil medizinische Hilfsgüter für ein jordanisches Feldlazarett über dem Gazastreifen abgeworfen. Das teilte der jordanische König Abdullah II. mit. Nach Angaben der israelischen Armee erfolgte der Abwurf in Abstimmung mit ihr.

Am Freitag war auch der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, General-Leutnant Ingo Gerhartz, in Jordanien, wo er den Chef der jordanischen Luftwaffe traf. Vor dem Abwurf der Hilfsgüter soll es Telefonate der beiden Offiziere mit dem israelischen Luftwaffenchef gegeben haben.

Zuvor hatte die deutsche Luftwaffe eine Militärübung in Jordanien beendet. Sechs Eurofighter sollten am Mittwoch zurück nach Laage bei Rostock fliegen, wie ein Sprecher am Montag sagte. Sie waren am 10. Oktober in das arabische Land geflogen, um mit der jordanischen und der US-Luftwaffe an der Übung "Desert Air" teilzunehmen.

USA schicken U-Boot und Außenminister

Das US-Militär ist nach eigenen Angaben inzwischen auch mit einem U-Boot in der Region präsent. Am Sonntag sei das Boot der "Ohio"-Klasse angekommen, teilte das US-Regionalkommando mit, ohne Angaben zu Ort oder Bewaffnung. Bei der "Ohio"-Klasse handelt es sich um atomwaffenfähige U-Boote, die auch konventionelle Waffen tragen können. Das U-Boot und ein US-Flugzeugträger im Mittelmeer dürften der Abschreckung dienen, um etwa auch die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon von Angriffen auf Israel abzuhalten.

Antony Blinken und Mahmoud Abbas
Antony Blinken und Mahmoud Abbas Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jonathan Ernst

US-Außenminister Antony Blinken hat während seiner mehrtägigen Nahost-Reise am Montag nun auch seinen türkischen Amtskollegen Hakan Fidan in Ankara besucht. Das Gespräch fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und ohne ein anschließendes Statement.

Der Besuch von Blinken im Nato-Land Türkei war der erste dort seit dem Beginn des Gaza-Kriegs. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die israelische Reaktion auf den Angriff der Hamas kritisiert und in der Türkei entlud sich Wut gegen Israel und den Westen. Erst am Sonntag löste die türkische Polizei eine pro-palästinensische Kundgebung am US-Luftwaffenstützpunkt Incirlik auf, unter anderem mit Tränengas.

Ein Treffen Blinkens mit Erdogan gab es jedoch nicht. Der US-Außenminister hatte zuvor unter anderem auch in Israel, in Jordanien und im Irak Gespräche geführt und war zudem im Westjordanland, um dort mit dem Präsidenten der palästinensischen Autononmiebehörde, Mahmoud Abbas zu sprechen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. November 2023 | 06:00 Uhr

Mehr aus Politik

Donald Trump-Foto mit Schlagzeile in der "New York Times" auf der steht: "Schuldig!" 1 min
Bildrechte: Reuters
1 min 31.05.2024 | 10:23 Uhr

Im Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine frühere Pornodarstellerin ist Ex-US-Präsident Donald Trump in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. Das teilte die Jury in New York mit.

Fr 31.05.2024 08:54Uhr 00:43 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/politik/video-usa-new-york-donald-trump-prozess-schweigegeld-pornodarstellerin-verschleierung-gericht100.html

Rechte: Reuters

Video

Mehr aus der Welt

Herzogin Kate 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK