Eine Autokamera hängt in einem Auto.
Dashcams sind in anderen Ländern längst erlaubt. Hierzulande gibt es Datenschutzbedenken. Bildrechte: IMAGO / localpic

Der Redakteur | 11.05.2023 Darf ich mit der Dashcam die Landschaft filmen?

11. Mai 2023, 19:19 Uhr

Im Internet kursieren Videos mit spektakulären Szenen aus dem Straßenverkehr. Gemacht wurden sie mit sogenannten Dashcams. Das sind Minikameras, die durch die Windschutzscheibe alles filmen, was ihnen vor die Linse kommt. Aber darf man das als Autofahrer überhaupt?

Zunächst ist die Rechtslage eindeutig: Es darf in Deutschland niemand gegen seinen Willen gefilmt oder fotografiert werden. Und schon gar nicht dürfen diese Aufnahmen oder zum Beispiel die von Autokennzeichen ungefragt ins Internet gestellt werden. Es geht hier um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das bedeutet im Klartext: Eigentlich dürften Dashcams nicht einfach mitlaufen, auch, wenn man "nur" die Landschaft filmen möchte. Das ist aber nicht auf Dashcams begrenzt, auch in Innenstädten oder am Strand sind der Videofilmerei durchaus Grenzen gesetzt. Es könnten sich Betroffene dagegen wehren, gefilmt zu werden.

ADAC Sprecher Alexander Schnaars 10 min
Bildrechte: ADAC
10 min

Alexander Schnaars ist Sprecher des ADAC. Er erklärt, wie die Rechtslage zu Dashcams in Deutschland und anderen europäischen Ländern aussieht.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Do 11.05.2023 16:40Uhr 10:13 min

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Den Dashcams wird hier sozusagen eine kleine Lücke gelassen, dass unter dem Datenschutzaspekt nur kurz und anlassbezogen gefilmt werden darf. Das bedeutet, dass Daten eben nur dann gespeichert werden, wenn es zum Beispiel zu einem Unfall oder zu einer starken Verzögerung kommt. Das klingt etwas schräg, weil natürlich ein Unfall ein unvorhersehbares Ereignis ist. Deshalb bewegen sich Dashcams - vor allem in E-Autos fest installierte Kameras - funktional in einer Dauerschleife. Sie filmen zwar permanent, gespeichert werden aber zum Beispiel nur die letzten 30 Sekunden. Das reicht, um im Ernstfall genügend Vorlauf zu haben, um für einen eventuellen Prozess genügend Beweismaterial zu sammeln.

"Dieser Bereich wird videoüberwacht."

Wenn es an Gebäuden oder auf Plätzen eine Videoüberwachung gibt, dann müssen Schilder gut lesbar darauf hinweisen. Das ist natürlich im fließenden Verkehr unmöglich. Der ADAC weist darauf hin, dass Datenschutzaufsichtsbehörden Bußgelder verhängen können. Und - um der Sache noch eins drauf zu setzen - Bayern habe auch direkt angekündigt, besonders streng sein zu wollen.

Das Bayerische Landesamt für Datenaufsicht hat angekündigt, bei Kenntnis der Weitergabe der mit einer Dashcam aufgenommenen Videofilme an Polizei, Versicherung oder Internet zu prüfen, ob im konkreten Fall ein Bußgeld fällig wird.

Website ADAC

Das heißt: Es geht am Ende darum, ob es berechtigte Interessen gibt, zu filmen und diese schwerer wiegen als die schutzwürdige Interessen anderer. Auch die Gerichte wägen hier ab, ob das Beweismittel Video über den recht der informellen Selbstbestimmung des Aufgezeichneten steht und somit das Video als beweis verwertbar ist. Das deutsche Strafprozessrecht kennt Beweiserhebungsverbote und Beweisverwertungsverbote.

Dashcam an der Windschutscheibe eines Autos
Bei unzulässiger Verwendung können Datenschutzaufsichtsbehörden in Deutschland Bußgelder verhängen. Bildrechte: imago/Jochen Tack

Zu den Beweiserhebungsverboten gehört das Beweisthemenverbot und das kann zum Beispiel dann greifen, wenn das Beweismittel (hier also das Video) Informationen über die Privat- oder gar Intimsphäre des Angeklagten enthält. Beispiel: Das Pärchen verlustiert sich im Halteverbot und das Verkehrsvergehen zeigt ein selbsternannter Sittenwächter mittels "Beweisvideo" an.

Am Ende kann es vor Gericht immer so oder auch anders ausgehen. Denn es gibt auch bereits ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH), dass im Einzelfall permanente anlasslose Aufzeichnungen einer Dashcam in einem Unfallhaftpflichtprozess als Beweismittel verwertbar sein können - da sind wir wieder bei der Abwägung (Az.VI ZR 233/17). Eine solche anlasslose Aufzeichnung wäre eine Kamera, die "nur" die Landschaft filmt. Datenschutzrechtlich kann es für den Kameramann aber trotzdem haben.

Wie sieht es im Ausland aus?

Es ist sehr ratsam, sich vor einer Biker-Tour durch Europa genauestens zu informieren, wie die einzelnen Gastgeberländer die Dashcams bewerten. Auch steht über der vom ADAC zusammengetragenen Übersicht der Hinweis, dass die Diskussion in vielen Ländern erst Fahrt aufgenommen hat und sich auch kurzfristig Änderungen ergeben könnten. Auch hier sollte man beachten, dass sich die Regeln zu den Dashcams häufig auf ihre eigentlichen Nutzungsbestimmungen beziehen. Nämlich im Zweifelsfall bei Unfällen zur Aufklärung beizutragen. 

In Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Finnland oder Frankreich gilt die Nutzung als grundsätzlich unproblematisch. Sollte eine Aufnahme doch als Beweismittel dienen, müssen Unfallbeteiligte sofort informiert werden. In Polen oder Schweden müssen Aufnahmen regelmäßig überschrieben werden.

Ein Autofahrer nutzt eine Dashcam zum Aufzeichnen des Verkehrs.
In anderen Ländern ist die Nutzung von Dashcams weniger problematisch. In Serbien, Spanien, Tschechien oder Ungarn sollte die Kamera beispielweise eine "geringe Auflösung" haben. Bildrechte: Imago

In Serbien, Spanien, Tschechien oder Ungarn sollte die Kamera eine "geringe Auflösung" haben. Auch müssen nicht benötigte Daten nach fünf Tagen gelöscht werden und vor Zugriff Unbefugter geschützt werden. Schon die "geringe Auflösung" unterstellt, dass schöne Landschaftsaufnahmen kaum möglich sein dürften. In Belgien, Portugal, Luxemburg oder in der Schweiz sollten Dashcams besser gar nicht verwendet werden und in Österreich braucht man dafür sogar eine Genehmigung.

 Das führt dazu, dass beim Aufzeichnen ohne vorherige Genehmigung in Österreich ein Bußgeld von 10.000 Euro auferlegt werden kann, im Wiederholungsfall bis 25.000 Euro.

Alexander Schnaars, Sprecher ADAC 

MDR (mw/thk)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 11. Mai 2023 | 16:40 Uhr

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