Videoüberwachung Bahn installiert 70 neue Kameras in Thüringer Bahnhöfen
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29. April 2023, 11:48 Uhr
Im Vorjahr zählte die Polizei 180 Gewalttaten an Bahnhöfen im Freistaat. Die Bahn baut nun die Videoüberwachung an größeren Thüringer Bahnhöfen aus. Opferschützer bezweifeln jedoch, dass mehr Kameras Täter abschrecken.
Die Deutsche Bahn möchte die Videoüberwachung an mehreren Thüringer Bahnhöfen ausweiten. Noch in diesem Jahr plane die Bahn "die komplette Ausstattung des Hauptbahnhofs Erfurt mit Videotechnik mit rund 60 Kameras", sagte eine Sprecherin des Unternehmens der "Deutschen Presse-Agentur". Dazu, wie viele Kameras dort bislang verbaut sind, machte sie keine Angaben.
Auch Bahnhöfe in Eisenach, Saalfeld, Gera, Jena erhalten Kameras
Bis 2024 sollen auch die Bahnhöfe Eisenach, Saalfeld an der Saale, Gera Hauptbahnhof, Jena-Göschwitz und Jena-West mit moderner Videotechnik ausgerüstet werden. Insgesamt werde die Bahn weitere 70 Kameras an diesen Stationen installieren. "Der Einsatz von Videotechnik an Bahnhöfen ist ein wichtiger Baustein, um die Sicherheit weiter zu erhöhen", sagte die Sprecherin.
Bundesweit sollten aus den bislang verbauten etwa 9.000 Kameras des Unternehmens bis Ende 2024 etwa 11.000 Videokameras an Bahnsteigen und in Bahnhöfen werden, hieß es. Die neuen Kameras sollten klarere Bilder und zusätzliche Blickwinkel liefern. "Zugriff auf gespeicherte Bilder hat dabei nur die Bundespolizei", hieß es.
Grundsätzlich seien Bahnhöfe in Deutschland zwar schon heute sichere Orte, obwohl an den etwa 5.700 Bahnhöfen des Unternehmens täglich rund 21 Millionen Reisende oder Besucher zusammen kämen. Allerdings beobachte auch die Bahn, dass die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt im öffentlichen Raum sinke. Das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagte die Sprecherin. "Mehr Konflikte und Übergriffe gibt es im öffentlichen Verkehr leider genauso, wie bei Polizeien, Feuerwehren und Rettungsdiensten."
Vor wenigen Wochen hatte die Bahn nach vermehrten Überfällen auf Bahnmitarbeiter angekündigt, in einigen Strecken in Deutschland Kundenbetreuer mit sogenannten Bodycams auszustatten.
180 Gewaltdelikte an Thüringer Bahnhöfen im Vorjahr
Auch nach den Daten der Landes- und der Bundespolizei sowie der Opferschutz-Organisation Weißer Ring sind Bahnhöfe in Thüringen keine herausragenden Schwerpunkte von Gewalt - gleichwohl es dort immer wieder zu Übergriffen kommt. Vor allem am Hauptbahnhof Erfurt kämen Gewalttaten immer wieder vor, sagte ein Sprecher der Bundespolizei.
Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass Erfurt ein zentraler Punkt im Bahnverkehr sei. An allen Thüringer Bahnhöfen im Freistaat habe die Bundespolizei 2022 insgesamt 180 Gewaltdelikte wie etwa Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung oder Raub registriert, sagte der Sprecher. Im Vorjahr seien es 131 gewesen.
Die Thüringer Polizei stellte nach Angaben der Landespolizeidirektion im Jahr 2022 etwa 800 Straftaten an Bahnhöfen im Freistaat fest; darunter 23 Fälle von Gewaltkriminalität. Ein Jahr zuvor waren es etwa 890 Fälle insgesamt und darunter 23 Fälle von gewalttätigen Straftaten gewesen.
Zur Einordnung: Insgesamt registrierte die Landespolizei im Jahr 2022 fast 136.000 Straftaten im Freistaat. Das heißt, dass sich nur etwa 0,6 Prozent der erfassten Delikte an Bahnhöfen zugetragen haben.
Warum zählen Bundespolizei und Landespolizei Straftaten an Bahnhöfen?
Dass es für Straftaten an Bahnhöfen unterschiedliche Daten der Polizei gibt, hat mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bundes- und Landespolizei zu tun. Grundsätzlich obliegt der Schutz der öffentlichen Ordnung dort der Bundespolizei. Immer wieder kommen allerdings auch Landespolizisten an Bahnhöfen zum Einsatz, wenn es zu Straftaten kommt.
Opferschützer bezweifeln Wirkung von Videoüberwachung
Die Opferschutzorganisation Ezra äußerte Zweifel daran, dass mehr Videoüberwachung zu weniger Gewaltkriminalität führt - jedenfalls dann, wenn die Übergriffe aus rechtsextremen Tatmotiven erfolgen. Bei den Ezra bekannt gewordenen Übergriffen aus den vergangenen Jahren an Bahnhöfen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln hätten sich Täter nicht von Videoüberwachungssystemen abschrecken lassen, sagt Ezra-Projektkoordinator Franz Zobel und ergänzt: "Menschen wurden geschlagen, getreten oder auf die Gleise geschubst."
Oft fänden solche Angriffe durch Gruppen statt. Das Verhalten der Angreifer trotz Videoüberwachung zeige, dass diese sich einigermaßen sicher vor einer Strafverfolgung wähnten.
Zobel forderte, dass die Strafverfolgung von rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt daher konsequenter werden müsste. Zudem müssten die Verkehrsunternehmen konkrete Handlungsabläufe entwickeln, wenn es zu entsprechenden Übergriffen käme. Viele Menschen, die bei ezra Hilfe suchten, schilderten, dass sie Angst hätten mit Bus und Bahn unterwegs zu sein, "da es Orte erlebter rassistischer Diskriminierung sind", so Zobel.
MDR (rom)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 29. April 2023 | 10:00 Uhr
MDR-Team vor 51 Wochen
Wir danken für den Ausblick nach Großbritannien und möchten noch etwas ergänzen: Die Situation wurde 2016 vom deutschlandfunk zusammengefasst. Dies können Sie hier nachlesen: https://www.deutschlandfunk.de/videoueberwachung-in-grossbritannien-millionen-kameras-und-100.html
Dort wird angegeben, dass sich die Schätzung der Überwachungskameras 2013 auf vier bis sechs Millionen belief und dass im Jahr 2008 drei Prozent der Straftaten durch "CCTV" (Videoüberwachung) aufgeklärt wurden.
Die aktuellen Daten weichen vermutlich ab. Dennoch möchten wir Sie bitten, den Fokus der Diskussion wieder auf Thüringen zu legen.
geradeaus vor 51 Wochen
London ist hier ein gutes Beispiel. Als dort die Kriminalität vor Jahrzehnten auf den Straßen enorm zunahm, reagierte die Politik. Es wurde begonnen Kameras großflächig zu installieren. Diese sind umstritten, jedoch kann hin und wieder ein Verbrechen dadurch aufgeklärt werden. Laut Schätzungen mehrerer Polizeichefs sind es nur ~5%.
Jedoch meiner Meinung nach besser als nichts. Die Hemmschwelle steigt schon bei Kriminellen, das steht fest.
Nachteil ist halt der finanzielle Aufwand. Alleine die Wartung und Auswertung ist enorm. Und Datenschützer ruft das natürlich auch auf den Plan. Nach 31 Tagen werden die Aufnahmen gelöscht.
Niemand kann genau sagen wieviel3 Kameras es in London gibt da keine Registrierungspflicht existiert. Man schätzte 2013 waren es ~7Mio in ganz GB. London etwa 1.
Das kann auch gerne bei uns in DE kommen. Ich habe nichts dagegen wenn ich auf Schritt und Tritt von Kameras "beobachtet" werde. Es erhöht die Sicherheit unserer Kinder, ja von allen. Also !!!!!!!!
Tschingis1 vor 51 Wochen
@Ralf G
Das Lesen nur sie und die beiden Befürworter heraus.
"Die Opferschutzorganisation Ezra äußerte Zweifel daran, dass mehr Videoüberwachung zu weniger Gewaltkriminalität führt - jedenfalls dann, wenn die Übergriffe aus rechtsextremen Tatmotiven erfolgen. Bei den Ezra bekannt gewordenen Übergriffen aus den vergangenen Jahren an Bahnhöfen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln hätten sich Täter nicht von Videoüberwachungssystemen abschrecken lassen,..."