Björn Höcke
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AfD-Umfragehoch Was würde passieren, wenn die AfD regiert?

24. September 2023, 10:15 Uhr

In Ostdeutschland ist die AfD besonders erfolgreich. In einigen Ländern kann sich jeder Dritte vorstellen, die AfD zu wählen. Die Partei stellt mittlerweile Ämter wie den Landrat in Sonneberg oder den Bürgermeister in Raguhn-Jeßnitz. Was, wenn sie die Landtagswahlen in Thüringen oder Sachsen 2024 gewinnt? In welchen Politikbereichen könnte sie Einfluss nehmen und das Land verändern? Recap macht das Gedankenexperiment.

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Die AfD ist in Sonneberg und Raguhn-Jeßnitz schon in der Veranwortung. In Nordhausen steht ein AfD-Kandidat in der Stichwahl. Hier könnte es am Sonntag den ersten AfD-Oberbürgermeister geben. Aber auch in anderen Kommunen bröckelt die viel beschworene "Brandmauer" und es wird mit der AfD zusammengearbeitet.

Die "Brandmauer" bröckelt

Zum Beispiel in Bautzen: Dort stimmte eine Mehrheit der CDU-Kreistagsmitglieder für einen AfD-Antrag. Es ging darum, Integrationsleistungen für abgelehnte und ausreisepflichtige Ausländer zu streichen. In Hildburghausen setzten SPD- und AfD-Stadträte gemeinsam die Abwahl des Bürgermeisters in Gang. Und in Forst in Brandenburg haben sich Linke und AfD gemeinsam für den Neubau eines Jugendclubs ausgesprochen. Mit gemeinsamer Pressekonferenz. Und das sind längst nicht alle Beispiele.

Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Uni Münster sagt, sowas macht die AfD salonfähig: "Jedes auf die AfD Zubewegen, ob das was Kommunikatives ist oder eine Kooperation im Parlament, nützt am Ende der AfD und, ich vermute, mehr als der CDU. Weil man damit sagt, sie ist ein Partner, den man braucht, um eigene politische Vorstellungen durchzusetzen."

Jedes auf die AfD Zubewegen, ob das was Kommunikatives ist oder eine Kooperation im Parlament, nützt am Ende der AfD.

Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler Uni Münster

Deshalb mal ein Gedankenexperiment: Was ist, wenn die AfD in Thüringen – dort vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft – 2024 die Landtagswahl gewinnt und Björn Höcke Ministerpräsident wird?

Repressive Asylpolitik

Vor allem Geflüchtete hätten es dann schwerer. Denn die Partei will möglichst viele abschieben. Das schreibt die AfD Thüringen in ihrem Wahlprogramm von 2019 – und spricht dort auch von einer "Abschiebungsinitiative". Politikwissenschaflter Höhne bestätigt das: "Sie werden versuchen, eine repressivere Migrations- und Asylpolitik durchzusetzen, dort wo sie die Macht übernommen haben."

Allerdings ist die Asylpolitik eher Bundes- als Ländersache. Anders ist das bei der Bildung. Hier kann eine Landesregierung viel ausrichten.

Bildung: Familienbild und Geschichte

Politikwissenschaftler Höhne nimmt an, dass die AfD versuchen würde, Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen. Zum Beispiel, um ihr traditionelles Familienbild – Vater, Mutter, Kinder – verstärkt zu vermitteln.

Die AfD würde versuchen, Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen.

Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler Uni Münster

Das hätte wohl auch zur Folge, dass es Rückschritte gäbe bei der Gleichstellung von Frauen – und dass Minderheiten diskriminiert würden, vor allem aus der LGBTIAQ+-Community.

In Schulen könnte Geschichte anders erzählt bzw. bewertet werden – vor allem mit Blick auf den Nationalsozialismus. Denn die AfD will laut Grundsatzprogramm, dass die "positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte" eine größere Rolle in unserer Erinnerungspolitik spielen.

Einfluss auf die Justiz

Die AfD könnte Juristen zufolge auch versuchen Einfluss auf Gerichte zu nehmen. Beispielsweise indem am Thüringer Verfassungsgerichtshof die Zahl der Richter erhöht oder eine neue Kammer geschaffen wird – und diese Stellen dann mit AfD-nahen Personen besetzt werden. Oder indem die Aufgaben des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz umstrukturiert werden und der jetzige Chef Stephan Kramer entlassen wird.

Entzaubert oder normalisiert sich die AfD?

Welche Folgen hätte eine Regierungsverantwortung der AfD? Einige erwarten, dass sich die Partei entzaubert, sollte sie einmal regieren. Benjamin Höhne glaubt nicht daran: "Ich würde nicht zu viel Hoffnung darauf setzen, dass ein Entzauberungseffekt eintritt, wenn die AfD politische Macht auf Landesebene in Ostdeutschland übernehmen sollte. Salopp ausgedrückt, kann man da politisch erstmal nicht so viel verkehrt machen, weil Vieles nach verwaltungsrechtlichen Regelungen funktioniert, man auch auf das Zusammenspiel mit anderen Ländern angewiesen ist. Die AfD würde vermutlich alles daran setzen, (...) der Bevölkerung oder ihren Wählerinnen und Wählern zu zeigen, dass sie regieren kann."

Ich würde nicht zu viel Hoffnung darauf setzen, dass ein Entzauberungseffekt eintritt, wenn die AfD politische Macht auf Landesebene in Ostdeutschland übernehmen sollte.

Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler Uni Münster

Was würde passieren, wenn die AfD den ersten Ministerpräsidenten stellt und warum wählen so viele Ostdeutsche die AfD? Darum geht es in der aktuellen Folge recap.

Dieses Thema im Programm: recap bei YouTube | 22. September 2023 | 17:00 Uhr

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