Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen (l) und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender (r) gratulieren im Garten des Restaurants Frankenbaude dem Wahlsieger des Thüringer Kreis Sonneberg, Robert Sesselmann (AfD,M). Der ehemalige Landrat Hans-Peter Schmitz (parteilos) war aufgrund einer langwierigen Erkrankung in den Ruhestand versetzt worden. Der AfD-Abgeordnete Robert Sesselmann hatte in der ersten Runde die meisten Stimmen erhalten. Er wäre der erste AfD-Landrat in Deutschland. In der Stichwahl tritt er gegen Jürgen Köpper (CDU) an.
Björn Höcke und Tino Chrupalla waren in Sonneberg dabei, als Robert Sesselmann die Wahl gewinnt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

AfD-Wahlerfolge Forscher: Klare Kommunalstrategie der AfD erkennbar

06. Juli 2023, 05:00 Uhr

Die Erfolge der Alternative für Deutschland ließen eine klare kommunalpolitische Strategie erkennen, sagt Politikwissenschaftler Benjamin Höhne. Etablierte Parteien täten sich hier schwer. Brandmauern gegen die AfD seien weniger wirksam. AfD-Politiker äußern sich dazu unterschiedlich. Der Wissenschaftler betont, die Strategie berge auch Risiken für die Partei.

Vor über einer Woche feierte die Alternative für Deutschland in Sonneberg ihren ersten Sieg bei einer Landratswahl. Parteispitzen aus der Thüringer AfD und aus dem Bundesverband sind in die Kleinstadt gekommen und lachten in die zahlreichen Fernsehkameras.

In den jüngsten kommunalen Erfolgen der Partei, die der Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachtet und im Fall der Thüringer AfD als gesichert rechtsextrem einstuft, sieht Benjamin Höhne ein Muster: "Wenn dann bei der AfD im Vorfeld Veranstaltungen stattfinden, wie in einer kleinen Einheitsgemeinde wie Raguhn-Jeßnitz mit knapp 8.000 Wahlberechtigten und dann taucht dort der Parteivorsitzende auf und dann schauen wir uns die mediale Resonanz an, die Wahlplakate. Das zeigt doch deutlich, dass es auch der AfD wichtig ist, dort Fuß zu fassen. Das sind Erfolge, Erfolgsmeldungen, die sie dann vermelden kann", sagt der Politikwissenschafter von der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg.

Nach Höhnes Einschätzung verfolgt die AfD eine kommunalpolitische Strategie: "Weil sie, und da hat sie tatsächlich einen Punkt, erkennt, dass die anderen Parteien sich zusehends schwertun, geeignetes Personal auf kommunaler Ebene ins Spiel zu bringen. Und da sieht sie diese Lücke, die sich da auftut. Und deshalb wendet sie einige personelle und finanzielle Ressourcen auf, um dann eben Kandidaten von der Landesebene als Bürgermeisterkandidaten auf kommunaler Ebene zu präsentieren."

Urban: Keine spezielle Strategie

Sachsen-Anhalts AfD-Chef Martin Reichardt sieht in der Kommunalpolitik ein wichtiges Standbein seiner Partei. Dass Landes- und Bundespolitiker vor Ort den Wahlkampf unterstützen, sei selbstverständlich. "Das ist von großer Bedeutung, weil wir ja eine Partei sein wollen, die eng am Bürger ist und die sich auch bürgernahe Politik auf die Fahne geschrieben hat. Und insofern ist das natürlich Teil der Gesamtstrategie der politischen Arbeit unserer Partei."

Der sächsische AfD-Vorsitzende Jörg Urban dagegen sagt, es gebe keine spezielle Kommunalstrategie seiner Partei, aber: "Natürlich investieren wir auch Kraft in Bürgermeisterwahlkämpfe und in Landratswahlkämpfe, weil wir natürlich diesen Durchbruch haben wollen."

AfD-Politiker: Brandmauern auf kommunaler Ebene weniger wirksam

Beide Politiker sind sich einig, dass eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien in der Kommunalpolitik einfacher sei. Die von den etablierten Parteien ausgerufenen Brandmauern zur AfD seien dort weniger wirksam als im Land und im Bund. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Parteien hält auch Politikwissenschaftler Höhne für ein Ziel der AfD. Die Strategie, exekutive Ämter in der Kommunalpolitik zu gewinnen, habe aber auch andere Gründe.

"Man durchläuft verschiedene Ebenen, bewährt sich erst auf der kommunalen, regionalen Ebene, um sich dann für höhere Ämter zu prädestinieren. Also insofern ist die Erkenntnis dessen, dass man sich kommunalpolitisch verankern muss, um dann auch irgendwann die Landes- und Bundespolitik mitgestalten zu können, eine in sich folgerichtige."

Die Strategie birgt aber auch ein Risiko für die Partei, glaubt Höhne. Weil sie nun selbst Verantwortung trage, könne sie sich nicht mehr als Partei gegen die politische Elite verkaufen, so der Politikwissenschaftler. Denn nun sei sie selbst Teil davon.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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