Terroranschlag von Halle Vater von Opfer Kevin S.: "Ich habe ihn am Ton erkannt"

22. Juli 2020, 12:08 Uhr

Der Vater des beim Terroranschlag in Halle getöteten Kevin S. spricht mit dem ARD-Magazin FAKT erstmals öffentlich vom Tag des Terroranschlags und der Zeit danach. Er beschreibt, wie er ausgerechnet durch das Tätervideo vom Tod seines Sohnes erfährt.

Um 11:50 Uhr, am 9. Oktober 2019 hat Karsten Lissau das letzte Mal Kontakt zu seinem Sohn. "Wir haben telefoniert, Kevin wollte sich unbedingt einen Döner holen." Kurz danach habe er seinen Sohn nicht mehr auf dessen Mobiltelefon erreicht. Erst spät abends überbringt die Polizei die traurige Nachricht: Sein Sohn ist eines der beiden Opfer des mutmaßlich rechten Terroranschlags von Halle. Die Stunden dazwischen beschreibt Karsten Lissau ausführlich in einem Interview mit dem ARD-Magazin FAKT.

Attentäter von Halle ab 21. Juli vor Gericht

Der mutmaßliche Rechtsterrorist Stephan B. hatte am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, am 9. Oktober 2019, versucht, Menschen jüdischen Glaubens zu töten. Als er gescheitert war, die Eingangstür der Synagoge in Halle aufzubrechen, hatte der Attentäter wahllos zwei Menschen umgebracht. Eines der Opfer war der 20-jährige Sohn Kevin S., den B. in einem türkischen Imbiss erschossen hatte. Ab heute muss sich B. vor dem Landgericht Magdeburg verantworten.

Vater des getöteten Kevin S. ist Nebenkläger

Karsten Lissau, der Vater des getöteten Kevin S., wird als Nebenkläger am Prozess am Landgericht Magdeburg teilnehmen. "Man hat so viel zu kämpfen innerlich. Ich bin froh, wenn ich jeden Tag halbwegs anständig rumkriege und ich nicht zusammenbreche", so der 44-Jährige. In dem Interview mit dem ARD-Magazin FAKT zeichnet der Vater die bewegende Lebensgeschichte seines Sohnes nach und spricht über die persönlichen Folgen des Terroranschlags von Halle.

Am 9. Oktober, es ist kurz nach 12 Uhr mittags: Niemand erreicht mehr seinen Sohn Kevin, erzählt Karsten Lissau. Bis 18 Uhr hört er nichts von seinem Sohn, dann sieht er Bilder des Anschlags bei einem privaten Fernsehsender. "Da habe ich sofort gesagt, das da ist Kevin. Meine Freunde haben gesagt: 'Nein, hör auf, das ist er nicht, bilde dir das nicht ein, das ist nicht so schlimm.'"

Vater erkennt Sohn auf dem Tätervideo

Kurz danach schickt ein Freund Karsten Lissau das Tätervideo von Halle. Der mutmaßliche Rechtsterrorist Stephan B. hatte seine Tat mit einer Kamera gefilmt und live ins Internet gestreamt. Auf diesem Video erkennt er seinen Sohn: "Ich hab ihn am Ton erkannt, wie mein Sohn sagt: 'Hör auf, hör auf!' Als Kevin sich hinter dem Kühlschrank versteckt, da habe ich gesagt, jetzt ist Feierabend."

Lissau spricht lange über das bewegte Leben seines Sohnes. Bei Kevin S. diagnostizieren Ärzte schon früh eine geistige und körperliche Behinderung. Dennoch schafft Kevin es mit viel Anstrengung auf eine Förderschule. Und auch eine Lehrstelle hatte die Familie gefunden. Nur neun Tage vor seinem Tod hatte er seine Ausbildung bei einer Malerfirma begonnen.

Vater wird von Psychologen betreut

Anfang des Jahres ist Kevins Vater zurück nach Merseburg gezogen. Immer noch wird er von Opferschutz und Psychologen betreut. Freunde und Familie würden ihm Halt geben. Der 44-Jährige hofft, dass der mutmaßliche Rechtsterrorist Stephan B. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung verurteilt wird. "Ich meine, eine gerechte Strafe gibt es in dem Fall nicht. Aber dieser Mann hat unter freiem Himmel nichts mehr zu suchen. Ich plädiere dafür, dass er für immer und ewig drinnen bleiben sollte."

Dieses Thema im Programm: Das Erste | FAKT | 21. Juli 2020 | 21:45 Uhr

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