Polizeihunde im Ruhestand Wenn Diensthunde in Rente gehen

14. März 2024, 19:07 Uhr

Supernase Gustav ist seit Jahresbeginn Rentner. Wenn Polizeihunde in den "Ruhestand" gehen, gehören sie weiter dem Land, bleiben aber meistens bei ihrem Hundeführer. Das Land übernimmt Tierarztkosten und zahlt jetzt einen höheren Unterhalt.

MDR San Mitarbeiterin Annette Schneider-Solis
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Gustav von der Mielitzer Meute sind seine zehn Jahre nicht anzumerken. Wie ein Junghund zieht der Bayerische Gebirgsschweißhund an der Leine; René Mechel hat am anderen Ende ordentlich zu tun, um ihn zu halten. Einzig ein paar graue Härchen an der Schnauze zeugen von Gustavs fortgeschrittenem Alter. Seine zehn Hundejahre entsprechen etwa siebzig Menschenjahren – Zeit für den Ruhestand.

Menschen und mehrere Hunde auf einer Wiese
Personenspürhunde unter sich - Hundeführer René Mechel und bayerische Gebirgsschweißhunde, die in der Diensthundführerschule Pretzsch ausgebildet werden. Bildrechte: Annette Schneider-Solis

Erster Personenspürhund bei Sachsen-Anhalts Polizei

"Gustav ist der erste Personenspürhund in Sachsen-Anhalt", erzählt Hundeführer René Mechel, während Gustav kräftig an der Leine zieht und eine Spur am Boden verfolgt. "Das Projekt ist 2013 gestartet worden, und am 18. Dezember hatte ich Gustav praktisch als Geschenk unterm Weihnachtsbaum". Als erster Jagdhund sollte Gustav seine Supernase dafür einsetzen, gezielt Spuren zu folgen und nach Menschen zu suchen. Als Jagdhund ist die Rasse normalerweise im Einsatz. Eine Hundenase ist der menschlichen um Welten überlegen: während der Mensch gerade mal über fünf Millionen Riechzellen verfügt, sind es beim Hund je nach Rasse bis zu 220 Millionen.

Jagdhundwelpe
Spürhund Gustav als Welpe. Jetzt ist er zehn Jahre alt und darf seinen Ruhestand genießen. Bildrechte: René Mechel

Gustav hat Leben gerettet. Mehrfach. Allein ein gerettetes Menschenleben wiegt die zweijährige Ausbildung mehr als auf.

René Mechel Ausbilder Diensthundführerschule

Hundenasen im Dienste des Menschen

Bevor die Hunde in Dienst gestellt werden können, werden sie zwei Jahre lang in Pretzsch ausgebildet. Auch Gustav hat diese Ausbildung absolviert. Sein Hundeführer René Mechel zog extra von Quedlinburg nach Pretzsch, um das Pilotprojekt mit den Jagdhunden, die als atypische Personenspürhunde ausgebildet werden, zu begleiten. Es folgten Prüfungen und acht Jahre im Dienste der Polizei. Dabei absolvierte Gustav bis zu seiner Pensionierung am 21. Dezember 2023 243 Einsätze, fand 23 vermisste Personen und 17 flüchtige Straftäter. "Gustav hat Leben gerettet", betont René Mechel, "mehrfach".

Hundeführer René Mechel mit dem Welpen Gustav
Im Dezember 2013 war Gustav der erste Jagdhund, der in Sachsen-Anhalt für die Polizei ausgebildet wurde. Bildrechte: René Mechel

Über 2000 Einsätze im Jahr

Die Nase ist für einen Hund das wichtigste Sinnesorgan, und die machen sich Menschen zu Nutze: Hunde suchen unter Trümmern oder unter Lawinen nach Überlebenden, folgen der Fährte von Flüchtigen oder Vermissten, können Rauschgift, Schmuggelware oder sogar Datenträger aufspüren. Für Sachsen-Anhalts Polizei waren im Jahr 2023 82 Beamte auf vier Pfoten unterwegs. In 2.154 Einsätzen stöberten sie Fährten, Sprengstoff, Rauschgift, Leichen, Bahnknoten, Brandbeschleuniger oder Datenträger auf.

Einsätze von Polizeihunden in Sachsen-Anhalt 2023
Art der Einsätze Zahl der Einsätze
Fährtenspürhunde 1375
Rauschgiftspürhunde 221
Sprengstoffspürhunde 162
atypische Personenspürhunde 81
Leichenspürhunde 35

Was sind atypische Personenspürhunde?

Atypische Personenspürhunde werden von der Polizei eingesetzt. Sie folgen einer Fährte anhand eines spezifischen Geruchs. Ein atypischer Personenspürhund kann verschiedene menschliche Gerüche unterscheiden und folgt trotz vielfacher Verleitungen etwa in einer Großstadt seiner Spur. Er kann auch in Gebäuden und auf bebauten Flächen Spuren verfolgen. Im zivilen Bereich kennt man diese Supernasen auch unter dem Begriff Mantrailer.

Es ist wissenschaftlich noch nicht belegt, dass diese Hunde tatsächlich DNA erschnüffeln können. Eine Studie, an der auch die Universität Leipzig beteiligt war, sorgte vor wenigen Jahren für Aufsehen. Dort wurde ursprünglich behauptet, dass den Hunden diese Fähigkeit zugeschrieben werden kann. Später mussten die Beteiligten allerdings zurückrudern, wegen erheblicher wissenschaflticher Mängel.

Hunde bleiben Eigentum des Landes

Wenn ein Polizeihund wie Gustav pensioniert wird, bleibt er Eigentum des Landes. Die meisten bleiben bei ihrem Hundeführer und damit Teil seiner Familie. Das Land bezahlte bislang für Hunde im Dienst einen monatlichen Obulus in Höhe von 80 Euro, bei pensionierten Hunden von 55 Euro. Zu wenig, fand der Landesrechnungshof. "Die Pauschalen sind seit 2015 nicht erhöht worden", kritisiert Präsident Kay Bartel. "Jeder, der einkauft, weiß, wie sich die Preise seitdem entwickelt haben." Damit lief er offene Türen bei Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) ein.

Die Pauschalen sind seit 2015 nicht erhöht worden. Jeder, der einkauft, weiß, wie sich die Preise seitdem entwickelt haben.

Kay Bartel Präsident des Landesrechnungshofes

Zwei Hunde auf einer Wiese
Gebirgsschweißhunde unter sich - immer wie ein Familientreffen Bildrechte: Annette Schneider-Solis

Land erhöht Pauschale

"Es ist in der Tat so, dass wir nachgesteuert haben bei der Aufwandseintschädigung", bekräftigt Tamara Zieschang. "Wir erhöhen die Pauschale bei aktiven Polizeihunden auf 120 Euro, bei pensonierten auf 75 Euro. Unsere Spürnasen, die ja fast tagtäglich im Einsatz sind, leisten einfach während ihrer aktiven Zeit eine hervorragende Arbeit. Deswegen bin ich froh, dass die Hunde in der Familie bleiben und wir dafür eine kleine Aufwandseintschädigung zahlen." Außerdem übernimmt das Land die Tierarztkosten, die auch bei Hunden im fortgeschrittenen Alter steigen. Damit stehe Sachsen-Anhalt im Ländervergleich gut da.

Unsere Spürnasen leisten während ihrer aktiven Zeit eine hervorragende Arbeit. Deshalb bin ich froh, dass die Hunde in der Familie bleiben und wir dafür eine Aufwandsentschädigung zahlen.

Tamara Zieschang, CDU Ministerin des Inneren

Auch im Alter noch gebraucht

René Melech lobt diese Regelung ausdrücklich. Er hat mit Friedrich inzwischen einen neuen Spürhund an seiner Seite. Gustav darf weiterhin mit zur Arbeit in die Diensthundführerschule kommen und sich so in seinem gewohnten Umfeld bewegen. "Darüber bin ich sehr froh", gibt René Mechel zu, "so hat er immer noch das Gefühl, gebraucht zu werden." Offiziell schnüffeln fürs Land darf Gustav indes nicht mehr. Schließlich ist er jetzt Pensionär.

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MDR (Annette Schneider-Solís)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSEN-ANHALT | 13. März 2024 | 19:00 Uhr

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