DNA-Studie Polizeihunde haben offenbar doch nicht die perfekte Spürnase
Hauptinhalt
01. März 2021, 12:16 Uhr
Der Hund ist nicht nur der beste Freund des Menschen – er ist auch ein guter Helfer in Polizeieinsätzen. Vor zwei Jahren verblüffte die Meldung aus Leipzig, dass Hunde sogar DNA riechen könnten. Doch die Untersuchung dazu bekam seitdem viel Kritik. Mittlerweile steht der Verdacht im Raum, dass die gesamte Studie dazu manipuliert worden sein könnte.
Eine "ganz gefährliche Aussage"
Stellen Sie sich folgende Situation vor: An einer T-Kreuzung hält ein Hundeführer seinem Hund eine Geruchsprobe vor die Nase. Sie riecht nach einer Person, die sich vor kurzem von der Kreuzung in eine der drei möglichen Richtungen bewegt hat. Es ist ein Experiment, das die Frage klären soll, wie zuverlässig Personenspürhunde individuelle Gerüche aufspüren können.
Das Ergebnis laut Studienleiter und Polizeidirektor Leif Woidtke von der Hochschule der Sächsischen Polizei: In 98 Prozent aller getesteten Fälle nimmt der Hund die richtige Geruchsspur auf. Und noch mehr: Die getesteten Hunde konnten sogar DNA-Spuren erschnüffeln!
Das sagt Prof. Kai-Uwe Goss, leitender Umweltchemiker am Helmholtz-Zentrum in Leipzig (UFZ). In seiner Karriere hat er sich viel mit flüchtigen chemischen Verbindungen beschäftigt – also auch Gerüchen. Auch bei Einsätzen mit Minenspürhunden hat er beraten. Andere Wissenschaftler meldeten ebenfalls Zweifel an, ob Hunde DNA riechen könnten. So sei es etwa nicht auszuschließen, dass die verwendete DNA verunreinigt worden war, da sie ja aus dem Blut der gesuchten Personen gewonnen wurde. Die Hunde hätten also mehr als DNA gerochen.
Und so ruderte die an der Studie beteiligte Universität Leipzig bald zurück und teilte schriftlich mit: Die mehrfach in den Medien wiedergegebene Behauptung, "Mantrailerhunde können DNA riechen" entspricht nicht den Ergebnissen der Studie oder der Intention der Autoren.
Viele weitere Fehler gefunden
Doch mittlerweile sind Goss noch andere Fehler in der Untersuchung aufgefallen. So gab es im Experiment beispielsweise drei Möglichkeiten, welche Geruchsprobe ein Hund vorgesetzt bekam: Person A, Person B oder eine Niete. Statistisch gesehen hätten die Hunde also ungefähr in einem Drittel aller Fälle eine Niete ziehen müssen. In der Studie geschah dies allerdings nur in knapp einem Viertel aller Fälle. Dass nur so wenige Nieten gezogen werden, ist statistisch sehr ungewöhnlich. Unabhängige Statistiker sprechen von einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 88,4 Millionen. Ein Fehler von vielen, sagt Goss. Und er hat eine Vermutung:
Eine Sache, die ganz wichtig ist: Herr Woidtke hat Ergebnisse verschwinden lassen. Ein Teil der Tests sollte feststellen, wie wahrscheinlich es ist, dass Hunde fälschlicherweise einen Verdächtigen einem Tatort zuordnen. Das wäre natürlich belastend vor Gericht.
Goss wendete sich sogar in einem offenen Brief an die Uni-Rektorin Beate Schücking. Darin kritisiert der Experte: "Auf den Verdacht der Datenmanipulation hatte ich sowohl die Ombudskommission zu wissenschaftlichem Fehlverhalten der Uni Leipzig als auch die Promotionskommission frühzeitig hingewiesen. Nachdem es zu keiner (konstruktiven) Reaktion kam, legte ich Einspruch ein und informierte auch Sie als Rektorin über die Umstände." Trotzdem habe niemand ein Problem erkennen wollen.
Polizeidirektor bekam trotz Zweifeln Doktortitel
Weder die Universität noch Woidtke wollten sich zu dem Thema weiter äußern. Polizeidirektor Woidtke hat im Oktober für seine Untersuchungen den Doktortitel erhalten. Die Uni gab dazu bekannt, man habe die Vorwürfe geprüft, der Verdacht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens habe sich aber nicht bestätigt. "Auf Basis der Stellungnahmen der Gutachter, welche nach Vorlage der damaligen Kritikpunkte bei ihren Bewertungen blieben, wurde im Ergebnis die Promotion verliehen", so Dekan Prof. Dr. Michael Stumvoll. Bereits 2018 hatte die Uni zugegeben, dass Hunde letztlich keine DNA aufspüren können.
Wie und was geprüft wurde, hat die Universität nicht öffentlich gemacht. Auch das Rohmaterial der Studie wurde bislang nicht veröffentlicht. Ein Unding im wissenschaftlichen Diskurs. Die Fachzeitschrift, in welcher die Studie ursprünglich erschienen war, hat nun allerdings auch die Studie erneut geprüft. Und auch sie kommt zu dem Schluss, dass sich hier viele Ungereimtheiten finden. Das Fazit der Zeitschrift: Für forensische Fallarbeit sei diese Studie nur mit Vorsicht zu genießen.
(JeS,cd)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Radio | 01. März 2021 | 08:40 Uhr