Ein aufgeschlagenes Buch zeigt Bleistift-Skizzen. 4 min
Das "Karlsruher Skizzenbuch" von Caspar David Friedrich wird Ende November versteigert. Sein Wert wird auf bis zu eineinhalb Millionen Euro geschätzt. Bildrechte: Christian Hagemann
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Ein Skizzenbuch von Caspar David Friedrich ist gerade erstmals öffentlich zu sehen. Ende November wird es in Zürich versteigert. Ein Experte plädiert dafür, dass es nach Sachsen kommt.

MDR KULTUR - Das Radio Do 26.10.2023 06:00Uhr 03:47 min

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Auktion Kommt das Skizzenbuch von Caspar David Friedrich nach Sachsen?

26. Oktober 2023, 05:01 Uhr

Ein wertvolles Skizzenbuch von Caspar David Friedrich ist gerade erstmals öffentlich in der Züricher Zweigstelle des Auktionshauses Grisebach zu sehen. Ende November wird es dort versteigert. Ein Forscher hofft, dass das Büchlein nach Dresden kommt. Zu befürchten ist aber, dass ein Bieter aus dem Ausland das Skizzenbuch erwirbt.

Das Auftauchen eines Skizzenbuchs von Caspar David Friedrich gleicht einer kunsthistorischen Sensation. Zweihundert Jahre blieb das wegen seines Verwahrortes sogenannte "Karlsruher Skizzenbuch" vor der Öffentlichkeit verborgen. Pünktlich zum Friedrich-Jubiläumsjahr 2024 anlässlich seines 250. Geburtstages ist die nur etwa postkartengroße Kladde jetzt nacheinander in Zürich, New York und Berlin zu sehen. Die Besitzer wollen die Rarität versteigern lassen. Sie stammt aus dem Nachlass des Dresdner Friedrich-Freundes Georg Kersting und ist seit dessen Tod 1847 in Familienbesitz geblieben. Schätzpreis laut Auktionshaus Grisebach: eine bis anderthalb Million Euro. In Dresden wünscht man sich, dass der Skizzen-Schatz nicht außer Landes veräußert wird.

Privatforscher Frank Richter, Jahrgang 1945, hätte als Spurensucher das Skizzenbuch schon vor Jahrzehnten liebend gerne in Augenschein genommen – im Original, direkt in Karlsruhe, wo es mutmaßlich die längste Zeit privat verschlossen lag. Erst 2011 las der Fotograf und Sachbuchautor ausführlich von diesem 20 Blätter umfassenden Werk mit 33 Seiten voller Bleistift-Zeichnungen. "Ich habe mich damals sofort bemüht", erzählt Richter. "Aber die Sammler ließen keinen an sich ran, auch die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe schrieb mir das Gleiche – chancenlos, ich habe es dann aufgegeben."

Ein aufgeschlagenes Buch zeigt verschiedene Bleistift-Skizzen.
Die Skizzen sind für viele Liebhaber von Caspar David Friedrich ein Schlüssel zu seinem Werk. Bildrechte: Christian Hagemann

Nun ist das verblüffend kleinformatige, nur 18,4 mal 11,8 Zentimeter messende fadengeheftete Büchlein nicht nur erstmals öffentlich zu betrachten – die Rarität in Postkartengröße wird zugleich um die halbe Welt geschickt, nach New York, jetzt aktuell Zürich: zur Vorbesichtigung für Verehrer romantischer Kunst und selbstverständlich für potente mögliche Käufer.

Friedrichs akribische Skizzen zeigen auch die Radebeuler Weinberge

Im Frühjahr 1804 trug Friedrich das Büchlein bei sich, wenn er die Natur durchstreifte – laut den Erkenntnissen von Frank Richter auch in die Umgebung von Dresden. Richter sucht seit Jahren erfolgreich die Originalorte, an denen Friedrich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts seine Vorlagen fand und akribisch mit Bleistift fürs spätere Schaffen erfasste. Bäume wie Fichte oder Eiche aus dem Karlsruher Skizzenbuch entdecken Friedrich-Verehrer in seinen berühmten Ölgemälden wieder, an die sich der künstlerische Eigenbrötler ab 1807 wagte. "Es gibt eine markante Eichenskizze von 1804", so Richter. Deren Gestalt finde sich auf dem Dresdner Gemälde "Hünengrab im Schnee" wieder, auch nochmal auf dem in Berlin hängenden Bild "Klosterfriedhof im Schnee", auch eine Fichte aus dem Skizzenbuch ließe sich entdecken – auf dem "Tetschener Altar – Kreuz im Gebirge".

Für passionierte Friedrich-Liebhaber und Forscher sind die Skizzen seit jeher der Schlüssel zum einzigartigen Werk des Frühromantikers – und die Bleistift-Vorlagen wiederum Wegweiser dorthin, wo genau Caspar David Friedrich in jenem April, Mai und Juni 1804 neben Bäumen und Pflanzen auch Boote, Wolken, Vögel und Landschaften erfasste. Richter identifiziert in einer fein umrissenen Bergkette die Radebeuler Weinberge, den Lößnitzgrund und das Spitzhaus.

Ein Bild in Aquarell-Farben und Bleistift zeigt eine Brücke über einen Fluss.
Auch Caspar David Friedrichs Werk "Alte Elbbrücke bei Meißen" soll bei den kommenden Auktionen versteigert werden. Es wird auf bis zu 300.000 Euro geschätzt. Bildrechte: Auktionshaus Grisebach

Nur sechs Skizzenbücher existieren noch

Von Friedrichs Skizzenbüchern, von denen es wohl über die Jahre zwanzig gab, sind die meisten verschollen oder posthum in Einzelteile zerlegt und verkauft worden. Klar, dass die jetzige Offerte neben privaten Sammlern oder Kunstmarktinvestoren auch öffentliche Museen interessiert. Nur sechs Skizzenbücher überhaupt sind in gebundener Form bekannt. Neben dem jetzt öffentlich aufgetauchten Karlsruher liegen vier in Oslo, eines in Dresden. Friedrich-Forscher Richter, der auch mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zusammenarbeitet, hofft jetzt auf das Wunder. "Es wäre wünschenswert, dass es nach Dresden kommt", sagt er. Aber zuletzt sei viel von Friedrich nach Übersee gegangen, zum Beispiel in die USA. Man müsse es als Kulturgut schützen, so der Forscher.

Um ein Werk auf die Liste der nationalen Kulturgüter aufzunehmen, muss das Bundesland, in dem es sich befindet, einen offiziellen Antrag stellen.

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zur geplanten Auktion des Skizzenbuchs

Die Staatlichen Kunstsammlungen wünschen sich das Werk ebenso wie Richter nach Dresden. Es werde aktuell die Möglichkeit geprüft, dieses einmalige Stück zu erwerben. Denn das Skizzenbuch sei für die Friedrich-Forschung außerordentlich wichtig, heißt es. Weiter teilt das Museum auf MDR-Anfrage mit: "Um ein Werk auf die Liste der nationalen Kulturgüter aufzunehmen, muss das Bundesland, in dem es sich befindet, einen offiziellen Antrag stellen. Im Falle des Skizzenbuchs müsste dies der Berliner Senat sein." Berlin deshalb, weil das Auktionshaus Grisebach, von dem das Buch versteigt wird, dort seinen Hauptsitz hat. Noch also ist Caspar David Friedrich für seine Heimat nicht verloren. Ob es für die Öffentlichkeit gerettet, sprich angekauft werden kann, bleibt abzuwarten.

Quellen: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Auktionshaus Grisebach
Redaktionelle Bearbeitung: td

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. Oktober 2023 | 07:10 Uhr

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