Engagement in der Kleinstadt Unterstützung für Geflüchtete in Grimma
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26. Dezember 2023, 05:00 Uhr
Auf politischer Ebene wird über Flüchtlinge laut debattiert. Zivilgesellschaftliche Flüchtlingshilfe geht hingegen meist recht leise vonstatten. Doch sie findet statt, auch abseits der Großstädte. Beispiel Grimma.
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- Das Mehrgenerationenhaus auch als Treff von Grimmaern und Geflüchteten
- Ältere, die sich engagieren wollen, werden mitunter von der Sprachbarriere gebremst
- Stimmen gegen Aufnahme von Flüchtlingen nicht zu überhören
Gisela Weiser ist 79 und war jahrelang in der Flüchtlingshilfe in Grimma aktiv. Sie sagt: "Die Zeit, dass man dann im Sessel zu Hause sitzt, die kommt sowieso, und ich wollte mich noch ein bisschen einbringen ins tägliche Leben. Und da hab' ich dann gehört, dass Flüchtlinge kommen."
Als die Flüchtlingszahlen 2015 rapide anstiegen, stellte Gisela Weiser mit einigen anderen Frauen ein niederschwelliges Angebot zum Deutschlernen auf die Beine. Jede Woche kamen sie dazu in die örtliche Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete. Und das war mitunter wirklich schwierig, erinnert sich Weiser, "weil sehr unterschiedliche Typen kamen, auch von der Kenntnis her, von der Vorbildung".
Aber auch bei Fragen rund um Anträge, Ämter und Arztbesuche standen die Ehrenamtlerinnen einigen Menschen aus ihrem Deutschkurs zur Seite, teilweise jahrelang.
Mehrgenerationenhaus bringt auch Grimmaer und Geflüchtete zusammen
Ein wichtiger Treffpunkt für Einheimische und Zugewanderte war gerade ab 2015 das Mehrgenerationenhaus in Grimma. Der Bürgertreff unterhalte zwar kein Patenschaftsprogramm, erzählt die Leiterin Steffi Selzer, doch die offenen Mittwochstreffs hätten so einige Grimmaer und Geflüchtete zusammengebracht: "Die Menschen begegnen sich, es wird ein gewisses Vertrauen aufgebaut, und man merkt dann auch, man kann miteinander." Selzer erklärt, auf diese Weise stiegen dann Ehrenamtliche tiefer in die Familien ein. Sie seien dadurch tief in deren Alltag drin, "mit Begleitung, mit Deutsch, mit Hausaufgaben machen, mit zu den Ämtern gehen und so weiter".
Die Leiterin des Bürgertreffs sagt, vor allem nach 2015 hätten sich viele Menschen engagiert. Bis heute gebe es einen festen Kern von etwa zehn aktiven Ehrenamtlichen. Gleichzeitig würde aber auch viel über Nachbarschaftshilfe laufen.
Wenige Ehrenamtliche – nicht nur Sprache als Barriere
Nebenan bei der Freiwilligenagentur der Diakonie arbeitet Corinna Franke. Sie vergleicht die Anzahl der Ehrenamtlichen für Geflüchtete in Grimma mit der benachbarten Großstadt Leipzig: "Tatsächlich gibt es eher weniger Menschen, die sich zumindest hier im Landkreis dafür engagieren möchten. Es liegt vielleicht auch daran, dass sich bei uns sehr viel ältere Menschen engagieren möchten. Und dass es da auch immer so ein bisschen diese Sprachbarriere gibt."
Ist es in einer Großstadt wie Leipzig leichter, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren? Tatsächlich sind die Stimmen in Grimma nicht zu überhören, die die Asylpolitik in ihrer jetzigen Form ablehnen. Die AfD bekam bei der Bundestagswahl 2021 in Grimma rund 28 Prozent der Erststimmen. Und die Kleinstpartei "Freie Sachsen", die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurde, stellte bei der Bürgermeisterwahl 2022 sogar einen eigenen Kandidaten.
Natürlich nimmt die 79-jährige Gisela Weiser die Stimmen und die Stimmung in ihrer Stadt sehr wohl wahr: "Man hat es schon gehört, dass viele sagten, wenn beispielsweise eine Wohnung frei wurde, och, hoffentlich kommen keine Flüchtlinge hierher und so was." Doch direkte Ablehnung für ihr ehrenamtliches Engagement hat sie bisher nicht erlebt.
Gisela Weiser hält es für wichtig, auf Geflüchtete zuzugehen. Zwar gibt es den Deutschkurs in der Gemeinschaftsunterkunft seit der Corona-Pandemie nicht mehr – mit einigen früheren Teilnehmenden ist Gisela Weiser aber immer noch regelmäßig in Kontakt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. Dezember 2023 | 06:00 Uhr