Ausbildungsstart Pflege-Azubis: Warum sie ganz besondere Menschen sein müssen
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20. August 2023, 17:27 Uhr
In wenigen Tagen beginnt für tausende junge Menschen das neue Ausbildungsjahr. Etwa 1.500 von ihnen wollen Pflegefachmann oder Pflegefachfrau werden. Was ist ihre Motivation dafür und was kommt auf sie zu?
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Dass er demnächst wieder acht Stunden die Schulbank drücken soll, kann sich Max H. noch nicht so richtig vorstellen. Schließlich ist er schon 27 Jahre alt. "Aber hinkriegen werde ich das schon."
Der praktische Teil der Ausbildung macht ihm aber keine Sorgen. Im Gegenteil: "Ich freue mich sehr darauf. Neue Leute kennenzulernen, andere Betriebe - das wird spannend."
Denn auch wenn Max H. am ersten September seine Ausbildung zum Pflegefachmann beginnt - ein Neuling ist er in diesem Beruf nicht.
Großes Interesse am Pflegeberuf
Schon bei einem Schulpraktikum fand er die Arbeit faszinierend und so schickte er eine Bewerbung an die Volkssolidarität Thüringen. Und das hat er seitdem keinen einzigen Tag bereut.
"Ich arbeite einfach sehr gerne mit Menschen zusammen. Es ist auch schön, die Dankbarkeit zu sehen. Wenn man jemanden pflegt und dann hört man 'nett von Ihnen, dass Sie da waren' oder man bekommt ein Lächeln, das ist einfach toll!"
Neuer Ausbildungsberuf seit 2020
Die Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann wird seit 2020 angeboten. Damals wurden die bis dahin getrennten Ausbildungen in den Berufen Gesundheits- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger sowie Altenpfleger zusammengeführt.
Zum Aufklappen: In welchem Alter die Ausbildung begonnen wird
Das Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn im Bereich Pflege lag im Jahr 2022 bundesweit bei 21 Jahren. Damit stieg das Alter bei Ausbildungsbeginn im Vergleich zu 2020 um ein Jahr. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nahmen elf Prozent oder 6.000 Frauen und Männer im vergangenen Jahr ihre Ausbildung im Alter von 30 bis 39 Jahren auf, sieben Prozent begannen sie erst im Alter ab 40 Jahren.
Auch Claudia Jordanland hat erst später mit der Ausbildung begonnen. Sie ist jetzt 46 Jahre alt und hat gerade das erste Jahr hinter sich. "Das war ein interessantes erstes Jahr mit vielen positiven, aber auch negativen Erfahrungen."
Für mich ist das wirklich eine Berufung Menschen zu helfen. Ich kann auch auf der Straße an niemandem vorbeigehen, dem es schlecht geht.
Ursprünglich war sie Kinderpflegerin, hat dann viele Jahre in verschiedenen Altersheimen gearbeitet. Als sie Mutter wurde und einige Zeit ganz aus dem Beruf ausgestiegen war, wollte sie 2021 unbedingt neu starten: "Für mich ist das wirklich eine Berufung Menschen zu helfen. Ich kann auch auf der Straße an niemandem vorbeigehen, dem es schlecht geht."
Dass ihr bei der Volkssolidarität schon im Bewerbungsgespräch die Möglichkeit einer Ausbildung offeriert wurde, gab dann den Ausschlag, hier anzufangen.
Wissen, worauf man sich einlässt
Marlen Klette ist Bereichsleiterin für die Pflege bei der Volkssolidarität Thüringen gGmbH. Um 750 Patienten kümmern sich hier 198 Mitarbeitende, in Erfurt, Arnstadt, Gotha, Mühlhausen, Unstrut-Hainich, Hörselberg-Hainich und Saalfeld-Rudolstadt.
In diesem Jahr gibt es im Betrieb drei Auszubildende, zwei davon aus Vietnam. "Das war das erste Mal, dass wir keine externen Bewerbungen hatten auf unsere drei Stellen" erzählt sie.
Die Gründe dafür sind für Marlen Klette ganz klar: "Es gibt zu wenig Menschen, die diesen Beruf erlernen möchten. Was zum Teil ja nachvollziehbar ist, weil es kann nicht jeder mit schwerstpflegebedürftigen Menschen umgehen. Das ist nun mal ein sehr spezieller Beruf. Schichtsystem, kranke Leute, alte Leute, junge Leute - das ganze Portfolio".
Aus ihrer Sicht haben auch viele junge Menschen ein Problem damit, wenn sie sehen, was auch ihnen mal passieren könnte. "Damit will man sich mit 16 nicht auseinandersetzen."
Das stellen auch ihre Kolleginnen immer wieder fest, wenn sie in die Schulen gehen oder in Projekten zur Berufsorientierung mitwirken. "Wenn ich kein Blut sehen kann und mit Gerüchen oder dem Tod nicht umgehen kann, bin ich falsch in dem Beruf."
Hauptsächlich interne Ausbildung
Deshalb, so Klette, hat man sich im Unternehmen entschieden, hauptsächlich intern auszubilden. Also Mitarbeiter wie Max und Claudia, die schon über Erfahrungen verfügen. "Da wissen wir, die Leute kommen am Ende auch am Ziel an. Die höchste Abbrecherquote gibt es bei den Auszubildenden, die direkt von der Schule kommen."
Pflegenotstand beeinflusst die Ausbildung
Claudia Jordanland ist mit ihrem Ausbildungsbetrieb sehr zufrieden. Zumal sie jetzt auch andere Erfahrungen macht. Während der Ausbildung sind sogenannte Fremdpraktika vorgeschrieben, die Azubis durchlaufen so verschiedene Pflege-Stationen, beispielsweise im Krankenhaus, im Altersheim oder in der Psychatrie.
Dort müssen sie eigentlich von einem "Praxisanleiter" betreut werden. Aufgrund der angespannten Personalsituation in der Pflege wird das oft nicht umgesetzt, erzählt Claudia Jordanland: "Es geht aber nicht, dass man da ausgenutzt wird und vom ersten Tag an quasi arbeitet wie ein neuer Mitarbeiter".
Unternehmen verantwortlich für Qualität der Ausbildung
Das sieht auch Marlen Klette so. "Das gibt ja auch das Gesetz vor. Zehn Prozent der Ausbildungszeit müssen Praxisanleitung sein."
Sie beobachtet, dass es Unternehmen gibt, wo die Praxisanleiter dann in der Pflege einspringen müssen. "Aber der Auszubildende hat per Gesetz ein Anrecht auf diese zehn Prozent. Und das ist auch ganz ganz wichtig. Er muss auch mal Zeit Zeit haben, das Gelernte zu besprechen und Fragen zu stellen. Man kann sie ja auch mit dem Erlebten nicht einfach nach Hause schicken."
Ausbildung als positiv eingeschätzt
Die Zusammenarbeit mit der Berufsschule funktioniert für Marlen Klette sehr gut. Auch die Inhalte der Ausbildung stimmen aus ihrer Sicht.
Einen Wunsch hat sie allerdings an die Politik: "Wenn jemand nach der Hälfte der Ausbildung die Zwischenprüfungen geschafft hat, sollte das automatisch als Abschluss gelten für den Altenpflegehelfer." Denn das Gesetz fordert, dass diese Helfer einen Abschluss haben und auch ausgebildete Pflegehelfer fehlen überall in Thüringen.
Claudia Jordanland und Max H. allerdings wollen die dreijährige Ausbildung durchziehen. Und sie sind sich einig, dass viel mehr junge Menschen bei Praktika in die Pflege reinschnuppern sollten. "Das ist wirklich ein spannender Beruf und menschlich gibt er einem unheimlich viel."
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 01. September 2023 | 07:00 Uhr
astrodon am 22.08.2023
@Mustermann: Ja, so kann man es - bei negativer Sicht - natürlich beschreiben. Das trifft aber auf immer weniger Mitarbeiter zu. Vieles hat sich über jahrzehnte eingeschliffen und ist von den AG auch weidlich ausgenutz worden. Allerdings ist es heute, dank des Fachkräftemangels, wesentlich leichter zu sagen: z.B. keinen Nachtdienst mehr, nur "Mutti"-Schichten 7-14, telefonische Erreichbarkeit oder "Holen-aus-dem-frei" trauen sich viele AG schon gar nicht mehr, finanzielle Genügsamkeit ist Ansichtssache bei ca. 18-23€/Std. Alle anderen Punkte lassen sich auch durchaus auf andere Berufsgruppen mit physischer und/oder psychische Belastung (Handel, Schule, Bau, Handwerk) anwenden.
Das wichtigste Wort, sei es gegenüber Vorgesetzten, Kollegen oder kunde/Patienten/etc. hat vier Buchstaben: "NEIN". Abder das muss man können, wollen und wenn nötig lernen.
Maria A. am 21.08.2023
Sicher ist da viel Wahres dran, aber irgendwie macht sowas bitter. Auch in Hinsicht der in diesem Beruf Tätigen, die trotz Familie und eigener Wehwehchen sich das tagtäglich immer noch antun, weil sie sich mal dafür entschieden haben. Bei dieser Gelegenheit allen diesen Beschäftigten herzlichen Dank und die Versicherung, dass die Mehrheit sich durchaus bewusst ist, was sie leisten.
Mustermann am 21.08.2023
"Warum sie ganz besondere Menschen sein müssen:"
Ich versuche mal etwas überspitzt eine Definition für "besondere" zu erstellen:
Das sind Menschen die folgende idealen Eigenschaften besitzen:
- uneingeschränkte Bereitschaft für Schicht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit
- uneingeschränkte Rückholung aus dem Dienstfrei
- ständige tel. erreichbar sind (auch außerhalb der Dienstzeiten)
- Menschen die körperlich fit sind, uns auch bereit sind ihr Gesundheit zu
ruinieren
- Menschen die innerhalb von wenigen Stunden komplett eingearbeitet sind
- Menschen die finanziell genügsam sind
- Menschen die keinen familiären Hintergrund haben
- Menschen die max. mit dem Kopf unterm Arm zum Arzt gehen
- Menschen die sich gern von Angehörigen u. Patienten anfahren lassen
- keinen Wert auf Achtung legen
Jeder der seine Rente (mit ca. 70 Jahre) einigermaßen gesund erreichen möchte, ist in diesem Beruf falsch!
Altenpflege - Nein Danke!