Umweltschutz auf Russisch Müll kaufen im Onlineshop

07. Dezember 2021, 17:05 Uhr

Der Verein Moj Baijkal aus der russischen Region Irkutsk sorgt für Aufsehen: In einem Onlineshop wird eingesammelter Müll verkauft, um dem Baikalsee zu helfen. Dabei handelt es sich um eine clevere Spendenaktion, bei der der Erlös wiederum in den Schutz von Natur und Umwelt fließt. Tausende Freiwillige konnte der Verein in den letzten Jahren zusammenbringen, um die Ufer des Sees von Abfall zu befreien.

Fotomontage Mann vor Fahne
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ein Junge sammelt Müll am Baikalsee
Der Verein Moj Baijkal organisiert seit Jahren Müllsammelaktionen am Baikalsee. Bildrechte: Moj Baijkal

Ein virtueller Supermarkt, der nur Müll verkauft und dabei auch noch der Umwelt etwas Gutes tut? Mit dieser Idee sorgen derzeit russische Aktivistinnen und Aktivisten aus der Region Irkutsk unweit des berühmten Baikalsees für Aufsehen. Vor einigen Wochen hat der Verein Moj Baijkal, zu deutsch "Mein Baikal", einen Onlineshop gestartet, bei dem es alte Batterien, leere Chips-Tüten, zerknüllte Zigarettenschachteln und dreckige Plastikflaschen zu kaufen gibt. Die angebotenen Waren sind dabei nicht etwa seltene Sammlerstücke, sondern einfacher Müll, der am Ufer des ältesten und tiefsten Süßwassersees der Welt hinterlassen wurde.

Viele halten den Baikal für einen der saubersten Orte des Planeten.

Daria Winnik, Aktivistin von Moj Baijkal
Ein Haufen Müll liegt am Baikalsee
Mindestens 50 ungenehmigte Müllhalden in unmittelbarer Nähe des Baikalsees zählt Moj Baijkal. Bildrechte: Moj Baijkal

Glasklares Wasser, unberührte Uferwälder und eine schier unendliche Tiefe von bis 1.700 Metern haben dem Gewässer 1996 den Status einer UNESCO-Weltnaturerbestätte beschert. Doch die Natur lockt immer mehr Touristen an. "Der Menschenstrom wächst beständig und der Müll macht den Baikal krank", klagt die Umweltaktivistin Daria Winnik. In einigen Siedlungen rund um den See gibt es zudem keine geregelte Müllabfuhr. Anderenorts komme diese nur auf Anfrage.

Dies lässt wilde Deponien wachsen. Mindestens 50 ungenehmigte Müllhalden in unmittelbarer Nähe des Gewässers hat der Verein gezählt. Deswegen organisieren die Aktivistinnen und Aktivisten seit einigen Jahren Müllsammelaktionen an den Ufern des Sees.

Am Baikalsee werden Müllsäcke auf einen Laster geladen
Freiwillige bei einer Sammelaktion. Bildrechte: Moj Baijkal

Abfall für 120 Euro

In einem Online-Shop wird Batterieabfall verkauft
Alte Batterien im Onlineshop von Moj Baijkal kosten umgerechnet 120 Euro. Bildrechte: Moj Baijkal

Der neue Onlineshop soll helfen, Geld für diese Aktionen zu sammeln. Die Preise, die die Kundinnen und Kunden für die jeweils angebotene Ware zahlen, richten sich nach dem Schaden für die Umwelt, den die weggeschmissene Verpackung anrichtet. Eine leere Plastikflasche kostet 306 Rubel, oder etwa vier Euro. Die Verpackung eines Schokoriegels ist für umgerechnet 2,50 Euro zu haben. Am teuersten sind alte Batterien, die mit 120 Euro für zwei Stück zu Buche schlagen.

Online-Banner des Vereins Moj Baijkal, der Müll aus dem Baikalsee verkauft
Online-Banner des Vereins Moj Baijkal Bildrechte: Moj Baijkal

Symbolischer Verkauf

Junge Menschen sammeln Müll am Baikalsee
Mit dem Geld aus dem Müll-Verkauf werden Sammelaktionen finanziert. Bildrechte: Moj Baijkal

Die Idee sieht allerdings nicht vor, dass der gekaufte Müll auch an die Kundinnen und Kunden ausgeliefert wird. Denn bei dem Online-Handel handelt es sich nicht um einen klassischen Verkauf, sondern vielmehr um eine kreative Spendenaktion, mit der weitere Müllsammlungen rund um den Baikal finanziert werden sollen. Mindestens drei Mal im Jahr reisen Aktivistinnen, Aktivisten und Freiwillige des Vereins Moj Baijkal für mehrere Tage an den Baikalsee, um Müll zu sammeln. Darüber hinaus bietet der Verein Anwohnerinnen und Anwohnern an, wiederverwendbare Abfälle wie Plastik und Metall abzuholen. 2021 konnte so bereits 8.000 Kilogramm Wertstoffe recycelt werden. 

6.000 Freiwillige machten schon mit

Zwei Frauen sammeln Müll am Baikalsee
Nadeschda Nikolajewa (rechts) ist die Gründerin von Moj Baijkal. Bildrechte: Moj Baijkal

Die Gründerin des Vereins, Nadeschda Nikolajewa, stammt selbst aus der Baikal-Region, genau genommen von der idyllischen Insel Olchon. Später zog Nadeschda in die Metropole Irkutsk. "Als ich 2013 zu Hause zu Besuch war, wollte ich wie in meiner Kindheit Pilze sammeln gehen, doch im Wald entdeckte ich plötzlich Berge voller Müll und beschloss etwas dagegen zu unternehmen", erinnert sich Nikolajewa. Seitdem organisiert sie den Kampf gegen Müll in der Region. Mittlerweile haben sich bereits 6.000 Menschen als Freiwillige an den Aktionen von Moj Baijkal beteiligt.

Umweltschützerinnen und -schützer posieren für ein Gruppenfoto
6.000 Freiwillige waren schon bei den Aktionen von Moj Baikal dabei. Bildrechte: Moj Baijkal

"Je mehr Geld wir einsammeln, desto mehr können wir im nächsten Jahr machen", erklärt Aktivistin Daria. In den ersten zwei Wochen habe der virtuelle Müll-Supermarkt bereits mehr als 1.000 Euro eingebracht.

Ein großes Projekt, das wir stemmen wollen, ist eine interaktive Müllkarte des Baikalsees. Damit möchten wir das Ausmaß des Problems verdeutlichen.

Daria Winnik, Aktivistin von Moj Baijkal

Fast 4.000 Quadratkilometer Mülldeponien

Tatsächlich betrifft das Müllproblem nicht nur entlegene Gebiete Russlands. Ein Pfandflaschen-System gibt es in Russland nicht, während Mülltrennung bislang nur in einigen Großstädten etabliert wurde. Insgesamt erstrecken sich Russlands Mülldeponien nach Angaben der Moskauer Umweltaufsichtsbehörde Rosprirodnadzor auf 3.840 Quadratkilometer. Das entspricht einer Fläche etwas anderthalb Mal so groß wie das Saarland.

In einem Wald stehen aufgereiht gepackte Müllsäcle, davor liegt ein Schild mit der Aufschrift Moj Baijkal in kyrillischem Schriftzeichen
Die Aktionen von Moj Baijkal sorgen für Öffentlichkeit. Bildrechte: Moj Baijkal

Ein Angebot von

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 05. April 2021 | 18:05 Uhr

Mehr aus Land und Leute

Mehr aus Osteuropa

Nachrichten

Handyaufnahme des Absturzes 1 min
Den Behörden zufolge sei der 240 Meter hohe Fernsehturm Ziel eines russischen Luftangriffes gewesen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 22.04.2024 | 20:32 Uhr

Der Fernsehturm von Charkiw im Nordosten der Ukraine ist in zwei gebrochen und zu Boden gefallen. Den Behörden zufolge sei der 240 Meter hohe Fernsehturm Ziel eines russischen Luftangriffes gewesen.

Mo 22.04.2024 20:22Uhr 00:31 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-ukraine-charkiw-fernsehturm-explosion-abgestuerzt-russland-krieg100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Feuerwehrleute löschen ein Feuer nach einem russischen Angriff. 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Yevhen Titov
1 min 14.04.2024 | 20:22 Uhr

Bei einem russischen Angriff auf Charkiw sind nach Angaben ukrainischer Behörden 17 Menschen verletzt worden. Demnach schlugen zwei Raketen im Zentrum der zweitgrößten Stadt der Ukraine ein und zerstörten Wohngebäude.

Mi 17.01.2024 08:33Uhr 00:34 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-ukraine-angriff-charkiw100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video