Deutsche Soldaten steigen 2021 aus Flugzeug.
Ankunft von Bundeswehr Soldaten nach dem Abzug aus Afghanistan 2021 am Flugplatz Wunstdorf. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Martin Meissner

Zwischenbericht Enquete-Kommission: Deutschland in Afghanistan strategisch gescheitert

20. Februar 2024, 11:52 Uhr

Der Bericht der Enquete-Kommission des Bundestags hat Deutschland und seinen Partnern beim Afghanistan-Einsatz 2001 bis 2021 bescheinigt, "strategisch gescheitert" zu sein. Das Papier wurde am Dienstag an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben.

Die Enquete-Kommission des Bundestags zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan hat Deutschland und seinen Partnern ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Mit dem überstürzten Abzug und der Machtübernahme der Taliban 2021 sei die internationale Koalition "strategisch gescheitert, Ergebnisse und gesteckte Ziele dauerhaft abzusichern", heißt es in dem Papier, das am Dienstag an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben wurde. Am Donnerstag debattiert der Bundestag darüber.

Deutschland ist gemeinsam mit seinen Partnern strategisch in Afghanistan gescheitert.

Michael Müller (SPD), Vorsitzender Enquete-Kommission
Bundeswehrsoldaten zwischen afghanischen Menschen 44 min
Der Krieg, der offiziell keiner war, dauerte länger und war verlustreicher als jede andere Bundeswehr-Mission. 59 Soldaten verloren ihr Leben, die Kosten werden auf über 20 Milliarden Euro geschätzt. Die Bilanz fällt zwiespältig aus. Zwar ist das ursprüngliche Ziel erreicht und die Terrorgruppe Al-Qaida in Afghanistan ausgeschaltet. Frauen können an vielen Orten studieren und sogar mitregieren. Die Infrastruktur wurde ausgebaut. Aber ein Großteil der Hilfsgelder ist in den Händen korrupter Politiker gelandet, und wurde statt in Schulen etwa in Dubai-Luxusvillen investiert. Die Taliban rücken scheinbar unaufhaltsam vor. Droht dem Land das gleiche Schicksal wie vor 40 Jahren nach dem Abzug der Russen, als wenige Jahre später eine finstere Religionsdiktatur errichtet wurde? (Archivbild) Bildrechte: MDR
44 min

Die Korrespondenten Sibylle Licht und Markus Spieker begleiten den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und geben ein Resümee der letzten Jahre, in denen sich die Bundeswehr auf Beratung und Ausbildung beschränkte.

Mi 16.03.2022 10:36Uhr 44:01 min

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Keine "realistische Strategie"

Der Bericht sieht in zahlreichen Punkten Mängel. So habe dem fast 20-jährigen Einsatz eine "realistische Strategie" gefehlt, einen stabilen Staat aufzubauen, der seine Sicherheit selbst gewährleisten könne. Auch hätten sich die Vorstellungen darüber, was man erreichen könnte, in der Rückschau als "überhöht und überfrachtet" erwiesen. Rückblickend sei der Einsatz damit in Gänze kein Erfolg gewesen.

Die Analyse kritisiert unter anderem "Ressort-Egoismen", die dem Ansatz der Vernetzung von militärischen, polizeilichen, diplomatischen, humanitären und zivilen Aktivitäten entgegenstanden hätten. Auch seien landeskundliche Kenntnisse zu wenig in die Überlegungen eingeflossen. Zudem habe es während des Einsatzes keine fortlaufende, selbstkritische Bestandsaufnahme hinsichtlich der "sehr hoch gesetzten Ziele" gegeben. Detaillierte ungeschminkte Lagebilder sien zwar durch verschiedene Informationsquellen bereitgestellt, aber nicht systematisch zu einem "realistischen Gesamtbild" zusammengeführt worden.

Knapp 340 Seiten kritischer Analyse

Der Enquete-Zwischenbericht "Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands" analysiert auf 338 Seiten und rund 100 Anhängen Motive, Ziele, Strategie, Wissen und Koordinierung des deutschen Engagements in Afghanistan. Der Bericht geht der Frage nach, wie es zum Scheitern in Afghanistan kam, wo nach dem dem Abzug der internationalen Truppen im Sommer 2021 die Taliban nach 20 Jahren wieder an die Macht gelangten.

Die Bundeswehr war im Juni 2021 nach knapp 20 Jahren aus Afghanistan abgezogen. Im August 2021 beteiligten sich nach der Machtübernahme der Taliban deutsche Soldaten dann noch einmal an der chaotischen Evakuierungsaktion vom Flughafen der Hauptstadt Kabul. Zwischen 2001 und 2021 waren insgesamt sechs Bundesregierungen für den Afghanistan-Einsatz verantwortlich. In dieser Zeit waren sechs Verteidigungsminister im Amt.

epd/AFP (dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 19. Februar 2024 | 20:11 Uhr

26 Kommentare

DER Beobachter vor 12 Wochen

Ja, den ukrainischen Soldaten fehlt es leider an den Möglichkeiten, sich ausreichend gegen den russischen Aggressor zu verteidigen. AgD-LEmmingen gefällt das natürlich.

THOMAS H vor 12 Wochen

Und selbst mit diesen Einschätzungen wird, m. M. n., der Waffenlieferungs- und Kriegsbefürwortende Politikteil nicht lernfähig werden.

Menschen ihr, auf dieser Erde.
Hört doch endlich auf.
Mit den Kriegen,
dem Zerstören und dem Töten auch.

Schon vor über 70 Jahren
flog ich übers Land.
Über Berge und auch Täler,
bin doch allen wohl bekannt.

Frieden sollt ich doch verkünden,
so habt ihr es euch gewünscht.
Doch ihr macht ihn selbst zunichte,
wenn mit neuen Kriegen ihr beginnt.

Immer ist es Machtgehabe,
das Zerstörung bringt und Tod.
Wenige gewinnen.
Viele stürzen in die Not.

Doch ich fliege für euch weiter.
Übers Wasser, übers Land.
Über Berge, über Täler
das ich bleibe wohl bekannt.

Und ich rufe noch viel lauter
FRIEDEN SEI IN JEDEM LAND!
THOMAS H, Juni 2022

C.T. vor 12 Wochen

Niemand wurde gezwungen. Die Soldaten haben sich alle aus eigenem Willen heraus dazu verpflichtet. Oder was dachten die Soldaten, dass sie fürstlich kassieren und dabei 4+ Jahre nur in den Kasernen abhängen?

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