Chatprotokoll vom 26.11.2013 Warten bis der Arzt kommt

25. September 2019, 11:57 Uhr

Volle Wartezimmer, lange Wartezeiten, gestresste Ärzte. Insbesondere Patienten auf dem Land können ein Lied davon singen. Hier einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen, gleicht fast schon einem Sechser im Lotto. Doch auch in den Terminbüchern der Hausärzte finden sich kaum freie Termine. Der Grund: In einigen Regionen kümmern sich immer weniger Ärzte um immer mehr - vor allem ältere - Patienten.

Das Paradoxon: Bundesweit steigt die Anzahl der Ärzte seit einigen Jahren stetig an.

Wie lässt sich das Dilemma lösen? Drei Ärzte versuchten sich an einer Diagnose:

- Erik Bodendieck, FA Allgemeinmedizin, Vizepräsident der Sächsischen Landesärztekammer
- Dr. Klaus Heckemann, FA für Allgemeinmedizin, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen
- Dr. Uwe Richter, Schmerztherapeut Chemnitz

  • Julia: Guten Abend.
  • Klaus Heckemann: dito
  • Julia: Guten Abend.
  • Uwe Richter: guten Abend
  • Chat-Moderator: Herzlich willkommen im Chat. Parallel zur Hörfunksendung "Dienstags direkt" diskutieren wir auch hier bei MDR.DE über das Thema Ärztemangel. Zu Gast sind drei Mediziner: Erik Bodendieck von der Sächsischen Landesärztekammer, Dr. Klaus Heckemann von der Kassenärztliche Vereinigung Sachsen und Dr. Uwe Richter, Schmerztherapeut aus Chemnitz.
  • Chat-Moderator: Die Hörfunksendung können Sie übrigens live hier im Chat via Livestream verfolgen.
  • Gregor: Guten abend aus Frankfurt/Main
  • Chat-Moderator: Guten Abend.
  • Gregor: Gibt es eine Faustregel was ein normaler Zeitraum für eine Terminvergabe ist. Mit wieviel Zeit muss ich rechnen und was ist eindeutig zu lange bis ich einen Termin bekomme bei einem Facharzt.
  • Erik Bodendieck: Lieber Herr Gregor, nein eine Faustregel gibt es nicht. Es ist wirklich vom Einzelfall abhängig, ich kann evtl. sagen dass 6 Monate schon sehr lange sind, aber 3 Monate können es durchaus sein. Der Hausarzt kann aber nun nicht immer einen Termin vereinbaren - leider sind in den letzten Jahren durch unterschiedliche insbesondere auch politische Entscheidungen gut angelegte Gepfolgenheiten zerstört worden. In Akutfällen die keinen Aufschub haben dürfen wird sich der Hausarzt auch aus rechtlic
  • Erik Bodendieck: Gründen sicher kümmern. Erik Bodendieck
  • hmüller: Ich habe es 40 km bis Hof.komme aus sachsen. Da ist es kein Problem, einen Facharzt zu bekommen so zum Beispiel Augenarzt . Wie kann das sein
  • Erik Bodendieck: Nun, wenn sie gar keinen Augenarzt bekommen, dann kann das in der Tat nicht sein, aber wir haben leider in Sachsen auch einen Mangel an konservativ tätigen Augenärzten. Ebenso ist aus politischen Gründen die Arztdichte in Ostdeutschland dünner als in Westdeutschland. Dies liegt an der Anfang der 90-iger Jahre eingeführten Bedarfsplanung. Diese wurde jetzt geändert - aber deshalb haben wir nicht gleich die nötigen Ärzte dazu. Erik Bodendieck
  • Stefan: Innerhalb welcher Fachrichtungen ergeben sich denn nach der neuen Bedarfsplanung neue Niederlassungsplätze? Dankeschön.
  • Erik Bodendieck: Guten Tag, meinen Sie für Sachsen? im einzelnen ist das nicht kurz zu beantworten - ich empfehle Ihnen hier die Web-site der KV Sachsen oder auch bei der KVS bitte nachfragen. Die neue Bedarfsplanung ist deutlich komplizierter als die alte und die Stellen sind in verschiedenen Regionen nach unterschiedlichen Fachgebieten unterschiedlich. Danke Erik Bodendieck
  • DDIIGG: #Ärzte - Ab wann ist denn mit einem Ärztemangel in Sachsen zu rechnen?
  • Klaus Heckemann: Dies ist sicher so pauschal kaum zu beantworten. Während wir heute schon in wenigen ländlichen Gebieten einen Mangel an Hausärzten haben, wird sicher erst sehr spät in den Großstädten ein Mangel an Fachärzten auftreten.
  • Matti1987: Ein Termin beim Kardiologen ist in unserer Region nicht vor Sommer 2014 zu bekommen. Und da wird hier der Engpass klein geredet. Das ist doch lächerlich.
  • Matti1987: Das gilt nur für Kassenpatienten. Privat Versicherte bekommen einen Termin am nächsten Tag.
  • Dr. Dirk Kestner: Mit schierer Bestürzung habe ich soeben in der Sendung mitbekommen, daß Sachsens Ärzte - Ich bin auch einer! - für Medizinstudien in Ungarn Geld berappen; ich kann's kaum fassen! An deutschen Universitäten - Meine 2 Töchter begehen den unkorrigierbaren Irrsinn, auch Medizin zu studieren! - geben sich zur gleichen Zeit unsere akademischen Kollegoiden sichtliche Mühe, Nachwuchsaspiranten in völlig unwichtigen Präklinikfächern wie Biochemie und -physik scharenweise 'rauszuschmeißen. Was
  • Marwing: Wurden die 70.000 Euro Beihilfe zum Studium in Ungarn den niedergelassenen Ärzten "aufs Auge gedrückt" oder hatten Sie eine Möglichkeit, diesen Beitrag freiwillig zu leisten?
  • Klaus Heckemann: Die gewählten Vertreter der niedergelassenen Ärzte haben dies beschlossen
  • Rentner: Wenn in Dresden 20 Hausarztstellen unbesetzt sind, so scheint das dies zu bestätigen.
  • Marwing: Also wurden die betroffenen Ärzte nicht direkt gefragt. Dieses Konstrukt ist zu hinterfragen. Mir war nicht bekannt, dass mein Honorar (ich bin ambulant tätiger Arzt in Sachsen) dafür genutzt wird, Auslandsstudien zu finanzieren. Wie eine andere Wortmeldung verlautet, geht es mir nicht allein so. Ich halte das für teuren Aktionismus. Mein "gewählter Vertreter" hatte von mir definitiv nicht den Freibrief so über mein Honorar zu verfügen.
  • Klaus Heckemann: Es gibt seit 2012 eine gesetzliche Regelung, wonach 0,1 % der Gesamtvergütung (plus weitere 0,1 % von den Krankenkassen)für Maßnahmen gegen den Ärztemangel eingesetzt werden sollen.
  • Rentner: Mein Hausarzt ist total überlastet! 160 Patienten am Tag sind keine Seltenheit. Er klagt darüber dass es zu wenig Ärzte gibt. Es läge u.a. daran. dass sie für das, was sie leisten zu wenig Geld erhalten.
  • Rentner: Wieso erscheinen meine Beiträge nicht im Chatprotokoll?
  • Chat-Moderator: Ihren Kommentar zum Honorar habe ich an unsere Gäste weitergegeben. Vielleicht kann einer von ihnen etwas dazu sagen. Deshalb wurde Ihr Beitrag noch nicht veröffentlicht.
  • Rentner: Mein Hausarzt ist stark überlastet. Er meint, es liege daran, dass die Ärzte für das, was sie leisten zu wenig Geld erhalten. Deshalb gäbe es den Ärztemangel.
  • Klaus Heckemann: Das mag auch richtig sein, ist aber sicher nicht der Hauptgrund. Es erscheint wohl heutzutage nicht mehr modern, "einfacher" Hausarzt zu werden. Das liegt auch an der nicht zur Hausarzttätigkeit motivierenden universitären Ausbildung.
  • Stefan: Guten Abend nachträglich, mich würde nun noch interessieren warum die neue Bedarfsplanungsvorschrift komplizierter ist und auf welcher gesetzlicher Grundlage diese basiert. Erneut vielen Dank.
  • Klaus Heckemann: Sie ist nicht unbedingtkomplizierter. Die Berücksichtigung der Altersstruktur der Bevölkerung macht sie etwas komplizierter, was aber akzeptiert werden kann. Grundlage ist das Sozialgesetzbuch Teil V.
  • Marwing: noch zwei Meinungsäußerungen: 1. Die Finanzierung von Auslandsstudien durch die KV ist falsch verstandener Sicherstellungsauftrag. 2. Die von der Politik vor kurzem laut angedachte 4-Wochen-Regel ist in dieser Form ein Affront und Frontalangriff gegen alle Niedergelassenen und kann nur ein Ziel haben: Die Abschaffung des ambulanten Sektors. Hier müsste sich die KV als Vertretung sofort vor die Niedergelassenen stellen! Was sagen Sie dazu?
  • Klaus Heckemann: zu 1 habe ich eine andere Meinung. Wenn die gesetzliche Regelung schon einmal so ist, sollte man wenigstens sinnvolle Ansätze entwickeln - mir erscheint dieser Ansatz sinnvoll. zu 2 muß ich Ihnen leider mitteilen, dass die Regelung nicht mehr nur laut angedacht ist, sondern im Koalitionsvertrag steht. Dadurch wird sie allerdings nicht besser! Leider sind unsere in den letzten Monaten begonnenen Überlegungen, wie man Wartezeiten reduzieren kann, nun vom Gesetzgeber überrollt worden. Wichtig w
  • müller: Guten Abend, hatte ausversehen mich ausgeloggt und sehe leide keine Antworten auf meine Fragen. Danke - marta müller
  • Chat-Moderator: Ihre Frage liegt noch bei unseren Gästen. Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld. Da die Runde im Moment in der Radiosendung im Gespräch ist, kann es noch ein bisschen dauern.
  • marta müller: Guten Abend, wie will die KV den Vorschlag der Kooalition in Sachsen flächendeckend umsetzen, dass die Patienten einen Facharzttermin zeitnah erhalten? Nicht in jeder Region gibt es genügend Fachärzte und ggf. möchte man als Patient eine Zweitmeinung zum benannten Facharzt einholen? Außerdem stellt sich die Frage, ob dadurch für den Patienten längere Fahrtwege in Kauf genommen werden müssten, damit die KV Sachsen dem Wunsch der Koalition nachkommen kann?
  • Klaus Heckemann: an marwing: weiter im Text: Wichtig wäre ein Verfahren zu etablieren, das auch für die Ärzte akzeptabel ist. Das heißt dann auch, daß der Bevölkerung klar gemacht werden muß, dass unter Budgetierungsbedingungen nicht einfach kostenlose Mehrarbeit verlangt werden kann. Es werden andere (Dauer-) Patienten längere Wiederbestellzeiten in Kauf nehmen müssen, alles andere ist Illusion.
  • müller: Vielen Dank. Sie sprechen von Illusion, dies mag teilweise richtig sein aus heutiger Sicht. Nur wie können Sie als Ärztevertreter die ärztliche Vergütung durch Besonderheiten in der Versorgungs- und Kostenstruktur begründen lassen und wie unbegründete Unterschiede aufgehoben werden? Dies kann die Politik doch gar nicht, da sie unsere Region nicht Vorort kennen?
  • Klaus Heckemann: Nun ganz allgemein ist zumindest erst einmal von der Politik zu fordern, dass für unsere bundesweit älteste Bevölkerung auch von den Krankenkassen eine angemessene Geldmenge bereitgestellt wird.
  • Marwing: Danke für das Statement. Skandalös finde ich das Verhalten der KBV, die sofort auf Kuschelkurs zur Politik geht und sich NICHT vor die Ärzte stellt. Zitat von der Homepage: "Stellungnahmen - Keine Ablehnung, aber Detailfragen müssen geklärt werden". Meine Vermutung ist ernsthaft, dass der ambulante Sektor erheblich ausgedünnt werden soll. Verlagerung von Leistungen an Krankenhäuser, die Öffnung für bestimmte Krankheitsbilder ist ja schon der Anfang. Stimmen Sie zu?
  • Klaus Heckemann: Ja!
  • Lupi : Guten Abend
  • Chat-Moderator: Ihre Frage ist in Beantwortung.
  • Lupi : Meine Frage ist wie ist das mit lupus Patienten die sind doch auch kronisch krank und müssen sich auch auf eine lange warte Liste setzen lassen und die können auch nicht soweit fahren
  • Erik Bodendieck: Hallo Lupi, natürlich sind Lupus Patienten chronisch krank - aber die Dringlichkeit und die Umstände der Behandlung sind sehr individuell festzulegen - nebenbei - ich kann natürlich verstehen, das jedes individuelle Schicksal für den betroffenen besondere Wichtigkeit hat. Wir bewegen uns aber in der gesetzlichen Krankenversicherung in einem solidarischen System - d.H. der besser gestellte zahlt für den schlechter gestellten und der gesündere für den Kranken - Aussagen wie:
  • Erik Bodendieck: "Ich brauche eine Kur, weil ich noch keine gehabt habe" - passiert mir leider oft geht da nicht. So ist das System der gesetzlichen Krankenversicherung seit 1890! aufgebaut und funktionierte solange alle das verstehen. Erik Bodendieck
  • müller: Anmerkung zu marwing: Verlagerung Krankenhäuser? Warum nicht: Ein gutes Beispiel sind die skandinavischen Länder, denn dort wissen die Bürger das "knappe Gut" (Ärzte) zu schätzen und dort gibt es auch kleinere KH, was in Dt. scheinbar gar nicht (mer) gewünscht wird. Vielleicht sollten wir dafür plädieren, nur noch 10 Krankenkassen im Angebot, die die Versicherten zum Arzt geleiten für eine herausragende Versorgung!
  • Gregor: Danke für den interessanten Abend die drei Stunden sind mal wieder viel zu schnell vorüber. Bei den Prognosen kann man uns nur alles Gute wünschen. Ein Dankeschön an die Moderatorin Kathleen Rothe, die Chat-Moderatorin, dem Redakteur, der Technik und an die Gäste Erik Bodendiek, Klaus Heckemann und Uwe Richter.
  • müller: Wie will die KV Sachsen junge Fachärzte halten, damit sie sich niederlassen in der Praxis. Sind Förderungen in MVZ denkbar? Oder ist nur die Unterstützung des Hausarztes angedacht?
  • Klaus Heckemann: Spezielle Förderungen für Fachärzte in MVZ wird es sicher durch die KVS nicht geben, warum auch? Förderungen z.B. für Augenärzte (egal ob in eigener Praxis oder im MVZ) in einzelnen schlecht versorgten Gebieten gibt es heute schon.
  • Chat-Moderator: Vielen herzlichen Dank an Sie, liebe Chatter. Ganz besonderer Dank geht natürlich an unsere Studiogäste. Ihnen allen noch einen schönen Abend.